Testimonials in der Werbung

Warum wirbt ein deutscher Fußballer für italienische Soßen?

Veröffentlicht: 08.06.2020 | Geschrieben von: Corinna Flemming | Letzte Aktualisierung: 08.06.2020
Mann, der Produkt im Fernsehen anwirbt  O

Sie winken uns von Plakaten entgegen, lächeln uns aus dem Fernseher an und verzieren Werbebanner im Internet: Testimonials sollen den Konsumenten auf möglichst authentische Weise davon überzeugen, warum ein bestimmtes Produkt nun wirklich in keinem Haushalt fehlen darf. Oft sind das Menschen wie Sie und ich, sprich Otto Normalverbraucher, deren Gesicht man nicht kennt, dieses aber verwendet wird, um ein Produkt zu verkaufen. Und dann gibt es natürlich noch die Werbegesichter, die der breiten Masse bereits aus dem öffentlichen Leben bekannt sind. Hier setzen Vermarkter auf Popularität und erhoffen sich gesteigerte Kaufkraft, die mit solchen – mal mehr, mal weniger bekannten – Promis im besten Fall einhergeht. Das klappt hin und wieder ganz gut, oft muss man sich als Konsument bei der Auswahl des Testimonials allerdings schon wundern. 

Wie lässt sich ein gutes Testimonial bestimmen? 

Der Einsatz von bekannten Werbegesichtern soll im besten Fall zweierlei bewirken: Der Marke ein positives Image verleihen und die Verkäufe ankurbeln. Grundsätzlich steht also die Frage im Raum: Lohnt sich der Einsatz von Prominenten in der Werbung überhaupt? Knapp zusammengefasst, kann man dies sofort mit einem „Ja“ beantworten. Andernfalls würden nicht so viele bekannte Schauspieler, Fußballer, Musiker oder andere Prominente in den verschiedensten Werbekampagnen auftauchen. Der Human Brand Index 2018 der Splendid Research GmbH ist dieser Frage ebenfalls auf den Grund gegangen und hat im Zeitraum zwischen April 2015 bis Mai 2018 eine repräsentative Umfrage unter 44.880 Teilnehmern im Alter von 15 bis 69 Jahren durchgeführt. Die wichtigste Erkenntnis aus der Analyse: Der Einsatz von Testimonials kann einer Marke über einen Zeitraum von vier Wochen zu durchschnittlich 1,43 Prozent mehr Käufern verhelfen. Allerdings hängt der Erfolg eines Werbegesichts stark vom sowohl eigenen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad ab als auch von der anvisierten Zielgruppe. Hier müssen Produkt und Testimonial gut zusammenpassen, um die besten Ergebnisse zu erreichen.

Wer kann nun aber aktuell zum werbestärksten deutschen Prominenten gekürt werden? Auch diese Frage versucht der Human Brand Index zu beantworten. Dafür hat die Studie die Testimonial-Eignung von zehn bekannten deutschen Persönlichkeiten untersucht. Mit im Rennen waren die Schauspieler Alexandra Neldel, Martina Hill, Matthias Schweighöfer, die Sportler Toni Kroos und Angelique Kerber, Fußball-Trainer Jürgen Klopp, Moderatorin Barbara Schöneberger, Journalist Guido Knopp sowie die Influencerin DagiBee und der Unterhaltungskünstler Menderes Bagci. Ganz oben im Ranking der werbestärksten deutschen Prominenten landete Jürgen Klopp, gefolgt von Barbara Schöneberger und Matthias Schweighöfer. Die drei hatten in der Befragung die meisten Fans und Sympathisanten. Auf den letzten drei Plätzen landeten Guido Knopp, Menderes Bagci und DagiBee. Bei Letzterer gaben ganze 76 Prozent an, sie schlicht nicht zu kennen. 

Der Prinzessinnen-Faktor

Die besten Testimonials sind allerdings die Personen, die völlig unbewusst Werbung für eine bestimmte Marke machen. Bestes Beispiel ist Meghan Markle, Ehefrau von Prinz Harry und Kurzzeitroyal. Vor ihrem Austritt aus dem britischen Königshaus wurde sie als wahre Stilikone gefeiert. Egal, was sie trug, ob Abendkleider, legere Outfits oder Umstandsmode – der Run auf die Stücke war so groß, dass diese innerhalb weniger Stunden ausverkauft waren. Schwägerin Kate, Herzogin von Cambridge, zwang mit ihrer Kleiderwahl sogar schon ganze Online-Shops in die Knie. Ähnliches gilt auch für die Mini-Royals: Egal, was Prinz George oder Prinzessin Charlotte tragen, sofort wollen Eltern weltweit ihre Sprösslinge in die gleichen Outfits stecken. Diese Art von Werbung kann natürlich nicht forciert oder gekauft werden, sondern ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar.

Wenn Tiere zu Markenbotschaftern werden

Doch längst wird sich nicht nur menschliche Unterstützung zum Promoten eines Produktes ins Boot geholt, sondern auch Tiere finden immer häufiger in der Werbung einen Platz. Allgemein dienen Tiere als Sympathieträger und vermitteln viele positive Emotionen, schließlich leben in deutschen Haushalten rund 35 Millionen Haustiere. Die lila Kuh von Milka, die weiße Katze von Alpinaweiß oder der kleine Hund aus der Cesar-Werbung sind nur ein paar Beispiele für tierische Testimonials, die unverwechselbar mit einer bestimmten Marke in Verbindung gebracht werden. 

milkakuh

Auch das Reiseportal Weg.de hat sich tierische Unterstützung in Form eines Faultieres geholt und warb in einem TV-Spot für die perfekte #Faulzeit, die schließlich niemand besser verkörpern könne als das Tier aus dem Regenwald, das zwischen 15 und 20 Stunden pro Tag schläft.

Ist das Schauspieltalent oder kann das weg? 

Aber zurück zu den bekannten menschlichen Testimonials und deren Werbeauftritte. Dirk Nowitzki, Michael Ballack, Boris Becker, Thomas Müller – allesamt bekannte deutsche Sportler, die ihr Gesicht bereits einer und mehreren Marken zur Verfügung gestellt haben. Während der deutsche Profi-Basketballer Dirk Nowitzki das seriöse Bankengeschäft auswählt und für das niederländische Geldhaus ING wirbt, tat sich Michael Ballack mit dem inzwischen insolventen Leipziger StartUp Unister zusammen und bewarb dessen Reiseportal „Ab-In-Den-Urlaub“. Auch, wenn es sich bei beiden Sportlern um keine begnadeten Schauspieler handelt, konnte man ihnen das gesagte gerade noch so abkaufen. Anders allerdings bei beiden letzteren Beispielen. Boris Becker versuchte sich Ende der 1990er Jahre als Testimonial für den Anbieter AOL. Wer erinnert sich nicht an sein verdutztes Gesicht, wie er vor dem Rechner sitzt und voller Erstaunen feststellt: „Hö, bin ich da schon drin oder was? Ich bin drin. Das ist ja einfach!“. Die Rede war damals natürlich vom Internet, dessen Erfolgsgeschichte aber kaum dem ehemaligen Tennisspieler und seinem schauspielerischen Talent zugeschrieben werden kann.

 

Ein aktuelleres Beispiel von fragwürdiger Testimonial-Wahl lieferte das Ehepaar Müller im Jahr 2017. Gemeint sind Fußballer Thomas Müller und seine Frau Lisa, die für den italienischen Nahrungsmittelkonzern Barilla in verschiedenen kleinen TV-Spots die Werbetrommel rührten. Zugegeben, Familie Müller kann durchaus mit Sympathie überzeugen, allerdings scheinen sie sich mit den sperrigen Dialogen, schlechten Witzen und dem wenigen schauspielerischen Talent mehr schlecht als recht durch die Werbefilmchen zu quälen. Zusätzlich bleibt die Frage am Ende im Raum stehen: Warum bewirbt ausgerechnet der deutscheste aller hiesigen Fußballer ein italienisches Gericht? Hier wäre ein bekannter Koch als Werbegesicht vielleicht passender gewesen. Und getreu dem Motto „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ könnte auch Thomas Müller Produkte wie beispielsweise Fußballschuhe oder andere Sportartikel deutlich glaubhafter präsentieren als ausgerechnet eine Nudelsoße.  

 

Sie glauben, es geht nicht schlimmer? Die Chipsmarke Funny-frisch bewies 2018 das Gegenteil. Dafür holte man sich ausgerechnet die beiden ehemaligen deutschen Fußballnationalspieler Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski ins Boot bzw. ins Stadion. In dem 15 Sekunden langen Werbeclip sitzen nämlich beide Sportler in eben einem solchen Stadion und schauen sich mit einer Chipstüte und zusammen mit 50.000 anderen Besuchern ein Fußballspiel an. Neben der Chipstüte selbst muss natürlich auch der Firmenname geschickt eingebaut werden. Dass den PR-Leuten von Funny-frisch als Antwort auf die Aussage, Lukas Podolski hätte gerade im Namen seines Freundes Bastian Schweinsteiger 50.000 Menschen Chips spendiert, nichts besseres einfiel als „Das ist nicht Lustig – Aber funny“, spricht eigentlich schon für sich. Und auch die Authentizität der beiden Werbegesichter kann angezweifelt werden. Oder wer nimmt zwei – zum Zeitpunkt der Ausstrahlung – noch aktiven Fußballspielern tatsächlich ab, regelmäßig in die Chipstüte zu greifen? 

Masse statt Klasse?

Ähnliches fragt man sich auch beim deutschen Model Heidi Klum, wobei ihre Werbeaktivitäten noch ein ganz anderes Problem aufwerfen. Die 47-Jährige versteht es wie kaum eine andere, sich in Szene zu setzen und hat sich inzwischen zu einer wahren Werbeikone nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in ihrer Wahlheimat Amerika entwickelt. Egal, ob für Modemarken wie H&M, die Parfümerie Douglas, für Make-up, Haarspray, Schuhe, Gummibärchen oder sogar die Fast-Food-Kette McDonalds – es gibt kaum ein Produkt, wofür sie noch nicht ihr Gesicht in die Kamera gehalten hat. Ende 2018 sogar für fragwürdige Vitaminpillen, wofür das Model heftig kritisiert wurde. „Kein Mensch braucht Nahrungsergänzungsmittel, wenn er/sie sich vernünftig und ausgewogen ernährt“, heißt es beispielsweise in einem Kommentar auf dem Instagram-Account des Models. Und auch die Art und Weise, wie Heidi Klum das Produkt präsentiert, konnte nicht überzeugen: „Hm du siehst ziemlich verkrampft aus... Gesicht, starrer Blick zwischendurch. Darum find ich es/dich nicht glaubhaft“, heißt es in einem anderen Beitrag. Die schiere Anzahl der Werbepartner und die großen Unterschiede der jeweils zu vermarktenden Produkte deuten eher auf ein „Masse statt Klasse“-Konzept hin und lassen sie als Testimonial nicht gerade glaubhaft erscheinen. Eine wirkliche Bindung zur Person und zur Marke aufzubauen, ist so fast unmöglich.

Dabei geht die Anzahl der Vermarktungs-Deals in den meisten Fällen direkt mit der aktuellen Bekanntheit einher. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die beiden Spitzenboxer Wladimir und Vitali Klitschko vor allem durch sportliche Erfolge aufgefallen sind. Prompt sah man beide regelmäßig als Werbegesichter in verschiedenen Kampagnen, von der Fitnesskette McFit über Milchschnitte bis hin zu Tempo Taschentüchern und der Biersorte Warsteiner Alkoholfrei. Kaum ist es um die beiden Boxer etwas ruhiger geworden, nahm auch deren Präsenz in der Werbung ab.

Hyperpeinlich mit H.P. Baxxter

Wie heißt es so schön? Das Beste kommt zum Schluss! Deswegen haben wir das aktuellste und gleichzeitig schlimmste Beispiel für Promis in der Werbung auch für das Ende des Artikels aufgehoben. Wenn Sie bis jetzt durchgehalten haben, kann Sie auch folgendes Video nicht mehr schocken:

 

Ja, dass ist H.P. Baxxter, Sänger und Frontmann der Gruppe Scooter. In Anlehnung an seinen Hit „Hyper, Hyper” aus dem Jahr 1994 bewirbt er hier das Online-Casino Hyperino. Ob die Werbung mit Absicht so unfassbar schlecht gemacht wurde, wissen wir natürlich nicht. Wer aber dachte, es geht nicht schlimmer, den wollen wir hier eines besseren belehren:

 

Auch der Internetdienstanbieter Strato dachte sich wohl, seine Dienste mit H.P. Baxxter am besten bewerben zu können. Ob sich genug „Strato-People” durch den Sprechgesang vom Scooter-Frontmann angesprochen fühlen? Wir werden es wohl nie erfahren. 

Aber egal, ob nun Faultier, Jürgen Klopp oder Heidi Klum – solange Testimonials die Werbeeinnahmen bestimmter Marken in die Höhe treiben, werden sie uns als Konsumenten auch weiterhin in TV-Spots, auf Plakaten oder in anderen Werbeformaten begegnen. Ob dies immer schön ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

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