Datenschutz & Werbeanzeigen

Tschüss, Drittanbieter-Cookies – Googles Zukunft für Online-Werbung

Veröffentlicht: 07.04.2021 | Geschrieben von: Hanna Behn | Letzte Aktualisierung: 07.04.2021
Google Zentrale in Mountainview

Im Online-Werbegeschäft verwenden Unternehmen zahlreiche, individuelle Daten von Nutzern im Internet, um ihnen die relevantesten Anzeigen zu präsentieren und so Verkaufszahlen zu optimieren. Das aber könne im Sinne des Schutzes der Privatsphäre nicht so weitergehen, findet – ausgerechnet – Google. Der Konzern, der einer der größten Anbieter von Online-Anzeigen ist und über diese das meiste Geld einnimmt – eben auch mit Anzeigen, deren Schaltung anhand von Nutzerdaten optimiert wurde. Im letzten Quartal machte Mutterkonzern Alphabet allein mit den Werbeeinnahmen über die Google-Suche 31,9 Milliarden US-Dollar Umsatz.

Deshalb scheint es nicht recht ins Bild zu passen, dass Google Anfang März bekannt gab, künftig auf personalisierte Werbung, die auf Third Party Cookies (3P-Cookies) basiere, verzichten zu wollen. Genau genommen erklärte Google, innerhalb des hauseigenen Browsers Chrome die Cookies von Drittanbietern ab 2022 nicht länger zu unterstützen. Was hat es damit auf sich? Und worauf müssen sich Werbetreibende in Zukunft einstellen?

Google will Alternativen zu Drittanbieter-Cookies schaffen

Cookies sind Code-Schnipsel, die Website-Besucher beim Surfen automatisch herunterladen, die das User-Verhalten tracken können und entsprechende Informationen an Seitenbetreiber schicken. Auch Drittparteien nutzen Cookies, etwa dadurch, dass sie Anzeigen auf einer Webseite schalten. Google (aber auch andere Unternehmen, die personalisierte Anzeigen im Web anbieten), erstellen aus Cookies Nutzerprofile, um letztlich passende Werbung für den- oder diejenige auszuspielen.

Nun will Google allerdings nicht personalisierte Werbung durch das Entfernen von Drittanbieter-Cookies abschaffen, wie das Unternehmen gegenüber OnlinehändlerNews klarstellt: „Wir arbeiten daran, Alternativen zu finden, die die Privatsphäre wahren, da Cookies oder persönliche, nicht rücksetzbare Identifikatoren keine langfristige Lösung sind, um die Erwartungen der Nutzer an die Privatsphäre zu erfüllen“. 

Mit diesem Schritt reagiere Google unter anderem „auf die Veränderungen der Gesetzeslage wie der DSGVO und der E-Privacy-Verordnung“, so die Einschätzung von Daniel Tschirschwitz, Verantwortlicher u.a. für Trackingtechnologien bei der Smarketer GmbH. Im Dezember vergangenen Jahres wurde Google in Frankreich beispielsweise dazu verurteilt, 100 Millionen Euro Strafe zu zahlen, weil das Setzen von Werbe- und Tracking-Cookies ohne Consent-Verfahren – also ohne Einwilligung des Users – geschehen war. „Gleichzeitig folgt Google damit Konkurrenten wie Apple oder Mozilla, die sich entsprechend kundenfreundlich positionieren“, so der IT-Experte von Smarketer weiter.  

Google: „Wir verdienen Geld nicht mit dem Verkauf persönlicher Daten“

Die Abschaffung der Drittanbieter-Cookies trifft Google sogar selbst, da es diese selbst verwendet, um Anzeigen zu schalten und die Leistung im Auftrag von Verlags- und Werbekunden zu messen. „Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass unsere Entscheidung, die Unterstützung für 3P-Cookies auslaufen zu lassen, die richtige Entscheidung für die Privatsphäre der Nutzer und für die gesamte Branche ist“, erklärt der Konzern und betont darüber hinaus: „Wir verdienen Geld mit Werbung, nicht mit dem Verkauf persönlicher Daten.“  

Auch wenn die neuen Maßnahmen letztlich Googles Werbe-Ökosystem selbst treffen, sei laut Daniel Tschirschwitz von Smarketer sicher, „dass Google einen solchen Schritt nicht geht, ohne bereits einen Plan B entwickelt zu haben, um diese Einnahmen nicht zu verlieren und auch in Zukunft eine der performantesten Werbeplattformen für Unternehmen und Dienstleister zu bleiben.“

In jedem Fall will der Suchmaschinen-Konzern Alternativen anbieten. Um neue Methoden zu finden, die private Daten schützen und trotzdem das Ausspielen relevanter Werbung ermöglichen, hat Google Mitte 2019 das Projekt Privacy Sandbox gestartet – „eine offene Initiative, die in Zusammenarbeit mit der Branche entwickelt wurde, um einen starken Datenschutz für Nutzer zu gewährleisten und gleichzeitig die Branche zu unterstützen“, beschreibt es Google. Dabei seien sämtliche Beteiligte –  darunter also auch Werbetreibende, Publisher und Ad-Tech-Unternehmen – aufgerufen, an der Entwicklung von datenschutzfreundlichen Maßnahmen mitzuarbeiten und alle Anwendungsfälle zu benennen, die aus ihrer Sicht bei Alternativen zu den Cookies berücksichtigt werden müssten. Im Zuge des Projekts hatte Google schon länger die Abschaffung der Third-Party-Cookies kommuniziert

So sieht die Alternative für Drittanbieter-Cookies aus

Es gibt auch schon einen konkreteren Ansatz, wie personalisierte Werbung in Zukunft bei gleichzeitigem Schutz der Privatsphäre möglich sein könnte – Googles sogenannte FloC-Methode. In den „Federated Learning of Cohorts“, ist eine größere Anzahl von Nutzern bzw. Gruppen zusammengefasst, die durch Ähnlichkeiten in ihrem Browserverlauf definiert sind. Dadurch würden Einzelpersonen in der Menge verschwinden und seien nicht identifizierbar. Gleichzeitig können Werbetreibende aber einer speziellen Gruppe relevante Werbung präsentieren. 

Die maschinellen Lernalgorithmen, auf deren Basis solche Kohorten erstellt werden, können u. a. auf den URLs der besuchten Seiten sowie auf deren Inhalte basieren. „Die Kohorte verrät Werbetreibenden, die Werbung schalten wollen, niemals, wer sie sind. Die Informationen, die zur Erstellung der Kohorte verwendet werden, d. h. der Browserverlauf, werden lokal im Browser gespeichert und nicht weitergegeben“, erläutert Google zur Methode.

Neue Targeting-Methode in der EU auf dem Prüfstand

Statt Drittanbieter-Cookies sind also letztlich diese Browserdaten ausschlaggebend, die zwar weitgehend anonymisiert bzw. nicht auf eine Einzelperson zurückzuführen sind, aber eben im Browser liegen. Google selbst würde im Übrigen keine Information über die Kohorte erhalten, da Werbung lokal mit der richtigen Kohorte gematcht werden würde. Dennoch sind Unternehmen damit zumindest theoretisch auf den Google-Browser Chrome angewiesen, um noch relevante Werbung auszuspielen.

In der Europäischen Union will Google die FloC-Methode wegen datenschutzrechtlicher Fragen aber noch nicht einführen: Im Rahmen des World Wide Web Consortium (W3C) hatte Google-Ingenieur Michael Kleber Ende März laut t3n verkündet, dass man geplante Tests hierzulande zunächst nicht starten wolle, es müsse erst die rechtliche Basis geklärt werden. 

Demnach könnten bereits eine Einordnung in eine Kohorte und die Verknüpfung mit einer entsprechenden ID als personenbezogene Daten gewertet werden, für deren Nutzung und Verarbeitung nach Europäischer Datenschutzgrundverordnung eine Zustimmung des Nutzers erforderlich wäre – fehlt diese, wäre es ein Verstoß gegen die DSGVO. Ähnliche Probleme könnten sich mit der E-Privacy-Richtlinie ergeben. Deshalb müssten Nutzer wahrscheinlich auch dieser Methode mittels Consent-Manager zustimmen – „was wiederum eine potenzielle Quelle für Datenverlust darstellt“, so die Einschätzung von Smarketer. „Schon seit Längerem erschweren allerdings auch niedrige Cookie-Zustimmungsraten auf Websites, dass Werbetreibende eine realistische Erfolgsmessung betreiben können.“ 

Steigt die Abhängigkeit von Google?

Gleichsam kommt nun auch zusätzlich den direkten Beziehungen zwischen Werbetreibenden und Nutzern eine höhere Bedeutung zu – also Marketing anhand von Daten, die Unternehmen selbst über ihre Nutzer erhoben haben. Einige Gedanken dazu hat das Unternehmen bereits auf seinem Info-Blog Thinkwithgoogle veröffentlicht. „Direkte First-Party-Beziehungen werden wir weiterhin honorieren und die Monetarisierung von Anzeigen erleichtern“, so Google auf Nachfrage und führt aus: „Wir erweitern unsere First-Party-Datenlösungen dort, wo es direkte Nutzerbeziehungen gibt, und werden es Publishern ermöglichen, direkt mit ihren Käufern zusammenzuarbeiten, um Nutzersignale auszutauschen – ohne Interaktion mit Google.“

Google steht aber auch deshalb in der Kritik, seine dominierende Stellung im Werbemarkt durch die Einführung der neuen Datenschutzstandards auszubauen: „Für die Konkurrenz bedeutet Googles Schritt wohl Kopfschmerzen. Große Mitbewerber:innen wie Facebook und Adtech-Anbieter:innen dürften es schwerer haben, über Browser Daten für personalisierte Werbung zu sammeln“, kommentiert Netzpolitik.org zum Thema. Daniel Tschirschwitz von Smarketer denkt, dass Mitbewerber nun neue Technologien finden müssen, um weiterhin eine Erfolgsmessung betreiben zu können. „Dabei werden vor allen Dingen die Anbieter auf der Strecke bleiben, welche sich nicht an die neuen Gegebenheiten anpassen können oder wollen.“ Johannes Beus, SEO-Profi und CEO des Analyse-Tools Sistrix vertritt in einem LinkedIn-Post ebenfalls die Ansicht, dass Googles Dominanz wachse: „Das Ergebnis? Google wird den Werbemarkt (zusammen mit FB haben sie schon 74 Prozent) weiter an sich reißen – wenn andere Marktteilnehmer Glück haben, dürfen sie Googles ,privacy-preserving APIs‘ vielleicht mit nutzen. Schöne, neue Welt.“

Dass nur noch First-Party-Daten (und wenig darüber hinaus) den Unternehmen künftig relevante Werbeinformationen liefern könnten und dies die Abhängigkeit von Google erhöhe, verneinte der Konzern: „Tatsächlich kann diese Entscheidung dazu führen, dass sich einige Unternehmen von unserer Plattform abwenden, da wir auf Tools setzen, die die Privatsphäre besser schützen, und andere bieten die Möglichkeit, Nutzer im gesamten Web mithilfe von personenbezogenen Daten zu verfolgen. Deren identitätsbasierte Targeting- und Messlösungen werden anders funktionieren, was für einige attraktiv sein mag.“ Die Frage der Monopolstellung und der Abhängigkeit der Unternehmen von Google rief in den USA bereits die Kartellbehörde auf den Plan

Online-Werbung: Das sind die künftigen Herausforderungen 

Für Publisher, die von den neuen Google-Konzepten für personalisierte Werbung profitieren wollen, soll der Aufwand für eine Umstellung recht gering ausfallen, wie es in einem Google-Blogpost heißt. Für Werbetreibende werde es künftig aber dem  Online-Marketing-Experte von Smarketer zufolge zwei wesentliche Herausforderungen geben: „Auf der einen Seite steht ganz klar die Frage nach der Werbe-Performance: Wie bekomme ich als Werbetreibender eine solide Datengrundlage für meine Kampagnenoptimierung und genug Datenpunkte, um relevante Nutzer anzusprechen? Die zweite Frage ist, wie genau eine Erfassung der Daten aussieht, die fairerweise dem Nutzer die Entscheidung überlässt, wie viele personenbezogene Daten erfasst werden.“ 

Ein empfehlenswerter Ansatz ist seiner Meinung nach, künftig zweigleisig zu fahren. „Cookielose Trackingmethoden ohne personenbezogene Daten können zustimmungspflichtige Trackingmethoden wie FLoC ergänzen und deshalb für beide Seiten einen guten Kompromiss darstellen. In jedem Fall sollten Werbetreibende sicherstellen, dass weiterhin eine solide Datengrundlage für ihr Performance Marketing vorhanden ist“, rät er.

Wann neue Methoden zum Targeting Anwendung finden könnten, ist vor allem hierzulande aufgrund der datenschutzrechtlichen Bedenken noch fraglich. An der Grundidee, Alternativen für das Ausspielen personalisierter Werbung zu finden und gleichzeitig die Privatsphäre zu schützen, scheint der Konzern aber in jedem Fall festhalten zu wollen: „Unser Engagement gilt der Lebensfähigkeit des freien und offenen Webs“, bekräftigt Google. „Wir tun dies, weil wir langfristige Stabilität für das Anzeigen-Ökosystem wollen, um es in eine datenschutzorientierte Zukunft zu führen.“ Und auch, wenn dies die Werbebranche umkremple und auf Google selbst Auswirkungen habe, glaubt das Unternehmen, dass es „das Richtige für die Menschen und die Branche insgesamt ist.“  

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