Interview mit Roman Becker von 2HMforum.

„Fan-Kunden kaufen mehr, sie kaufen häufiger, sie sind weniger preissensibel“

Veröffentlicht: 08.07.2021 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 07.07.2021
Gruppe von Fans jubelt und feiert

Viele Unternehmen setzen sich zum Ziel, aus Einmal-Kunden oder Gelegenheits-Shoppern echte Stammkunden zu machen. Denn diese tragen grundsätzlich höheres Potenzial in sich und können auch langfristig gesehen regelmäßige Verkäufe bedeuten. Noch vielversprechender als Stammkunden sind allerdings Fans, die sich als wahre Booster für Unternehmen entpuppen können. Warum das so ist, wie man als Unternehmen Fans generiert und warum es sich lohnt, sogar die eigenen Mitarbeiter zu Fans zu machen, das erklärt Branchenexperte und Autor Roman Becker vom Marktforschungs- und Beratungsunternehmen 2HMforum. im Interview.

OnlinehändlerNews: 2HMforum. bezeichnet sich selbst als „Fan-Macher“, hat sich also darauf spezialisiert, Unternehmen dabei zu helfen, Fans zu generieren. Was macht „Fans“ eigentlich aus und warum sind sie so wertvoll?

Roman Becker: Mehr als 20 Jahre schon beschäftige ich mich mit Fans. Die Ursprungsfrage: Was macht Menschen zu Fans? Und lässt sich das, was wir im Sport, in der Kultur, der Musik an Fantum sehen, auf die Wirtschaft projizieren, um Beziehungen werthaltiger zu machen? Die Antwort: Ja. Wir haben mit der Fan-Quote eine Währung entwickelt, die werthaltige (Kunden-)Beziehungen messbar macht, und mit dem Fan-Prinzip ein Steuerungssystem entwickelt, das auf dem Kundenwert basiert. Es überträgt somit die Mechanismen aus der sozialwissenschaftlichen Fan-Forschung auf das Kundenbeziehungsmanagement und macht Unternehmen nachweislich erfolgreicher. Denn Fan-Kunden kaufen mehr, sie kaufen häufiger, sie sind weniger preissensibel, sie bewerten Konditionen besser, haben den höchsten Deckungsbeitrag und sind auch in schlechten Zeiten treu. Und Fan-Kunden sind die besten Botschafter.

Fans identifizieren sich mit ihrem „Star“

Aus der Fan-Forschung wissen wir: Der Automatismus, der Fans zu Fans werden lässt, ist eine intuitiv vom Fan verspürte Passung zwischen ihm und dem Angebot des Stars. Diese Passung sorgt für Identifikation. Deswegen sind hier in Mainz alle Fans von Mainz 05, in Frankfurt, nur 50 km entfernt, von der Eintracht, und wo der regionale Bezug als identifikationsstiftender Faktor wegfällt, finden wir Fans von Bayern München – nämlich all die, die erfolgreich sein wollen. Identifikation ist also der zentrale Motor für jede Fan-Beziehung. Doch damit nicht genug! Der Fan will die Wiederholung. Er will das, was ihn einst zum Fan gemacht hat, immer und immer wieder erleben. Es geht also darum, Identifikation immer wieder erlebbar zu machen und so wahrgenommene Einzigartigkeit zu erzeugen.

Das wiederum hat nichts mit dem Produkt zu tun: Deshalb gibt es überall Fans. In allen Branchen, im B2B, im B2C, im Mittelstand, bei Großkonzernen, in der 2-Mann-Bäckerei. Und diese tragen erwiesenermaßen zum Erfolg bei. Daher gilt: Wer seine Kunden nicht nur zufrieden macht, sondern emotional an sich bindet, ist auf Erfolgskurs – gerade auch in Krisenzeiten. Ziel muss es also sein, beste Beziehungen zu schaffen, zwischen den Unternehmen und ihren Kunden, Geschäftspartnern, Dienstleistern, Mitarbeitern.

Wie genau unterscheiden sich „normale“ Marketing-Maßnahmen von jenen, die Fans generieren? Ist das Ziel nicht das gleiche? Wo liegt der Unterschied?

Der Unterschied liegt in der konsequenten Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse und in der Orchestrierung. Wichtig ist zunächst, dass Firmen über die zentralen Kundenbedürfnisse Bescheid wissen. Allzu häufig erleben wir eine große Diskrepanz zwischen tatsächlichen und wahrgenommenen Bedürfnissen. Dann kommt es entscheidend auf die Orchestrierung aller Maßnahmen an. Nur wenn bei allen Beteiligten, also Vertrieb, Marketing, Kommunikation, die zentralen Bedürfnisse bekannt sind und alle Maßnahmen daran ausgerichtet werden, dann zahlt das auf das Konto „Fans“ ein. Für jegliche andere Maßnahmen können sich Unternehmen das Geld sparen.

Aldi und das Fan-Prinzip

Schauen Sie zur Verdeutlichung auf das Beispiel einer gelungenen Fokussierung und Orchestrierung auf der Leistungsebene: Aldi-Kunden haben das zentrale Bedürfnis „schnell und günstig“ ihren Wocheneinkauf zu erledigen. Daher sind alle Filialen gleich aufgebaut, die Wege sind nicht verschlungen, die Produktauswahl ist überschaubar, die Aktionsflächen klar definiert, die Werbeplakate schnell zu erhaschen und an der Kasse gibt es keine Plauderei und kein Warenauffangbecken zum gemütlichen Einladen. Schnell und günstig eben.

Gibt es eine Art goldenen Tipp, der die Basis für die Fan-Generierung bildet?

Wie schon gesagt, Fans wollen, sie brauchen die Wiederholung; sie wollen das, was sie einst zu Fans machte, immer und immer wieder erleben. Übertragen auf Unternehmen bedeutet das: Die Frequenz und die wahrgenommene Passung von Kontakten tragen entscheidend dazu bei, aus „nur-zufriedenen Kunden“ Fans zu machen. Pandemie-bedingt stehen daher viele Unternehmen vor einer großen Herausforderung: Die persönlichen Beziehungen zu Kunden sind seit vielen Monaten massiv eingeschränkt. Kein gewohntes Begrüßungsritual, ja zum Teil gar kein Blickkontakt – und wenn, dann nur aus der Ferne per Kamera, kein gemeinsamer Tee oder Kaffee bei der wichtigen Besprechung, kein Handschlag nach dem Vertragsabschluss. Folge: Die emotionale Bindung, die Nähe, die Verbundenheit leidet. 

Hier müssen Unternehmen schnell und wirksam gegensteuern. Die gute Botschaft: Auch digitale Kontakte steigern die emotionale Bindung und machen Kunden zu Fans. Die entscheidende Komponente: Die digitalen Kontakte müssen von Seiten des Kunden als exzellent und einzigartig empfunden werden. Nur wenn dies der Fall ist, wirkt sich das auf die Fan-Quote aus, also auf die emotionale Bindung. Wir sprechen – in Studien zur Kontaktqualität – immer davon, dass nur die „1“ aus der Schulnotenlogik zählt. Schon bei der 2 sinkt die Fan-Quote unter die von Kunden, die gar keinen Kontakt hatten.

Es geht um um Mensch-zu-Mensch-Beziehungen

Hier sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen und Organisationen gefragt. Denn nimmt man es ganz genau, so gibt es gar keine „digitalen Kontakte“. Es handelt sich immer um Mensch-zu-Mensch-Beziehungen. Hinter jedem digitalen Kanal sind Menschen am Werk: Die Website eines Unternehmens zum Beispiel ist von Menschen gemacht, die durch ihre passende Botschaft eine Emotionalisierung der Kunden erreichen können. Vorausgesetzt sie kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden. Gleiches gilt für die sozialen Netzwerke, für Telefon, Videobotschaften, Webinare, etc. Selbst künstliche Intelligenzen – eingesetzt zum Beispiel in der Servicehotline – werden von Menschen „gefüttert“. 

Sie helfen Unternehmen nicht nur dabei, aus Kunden Fans zu machen, sondern auch, aus eigenen Mitarbeitern und Mitgliedern Fans zu machen. Sind die Strategien dabei die gleichen oder gibt es Unterschiede?

Die Herausforderungen sind teilweise anders, die Lösungsansätze die gleichen: Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen im Bereich Personal: Demographischer Wandel, Fachkräftemangel, New Work, … Vielen Unternehmen gelingt es nicht, die nötige emotionale Bindung zu ihren Mitarbeitern aufzubauen, sodass diese auch mal schnell – samt wertvollem Fachwissen – beim Wettbewerber landen. 

Unsere Studie „Mitarbeiterfocus Deutschland“ zeigt, dass nur 21 Prozent der Arbeitnehmer auch wirklich Fans des eigenen Arbeitgebers sind. Das ist erschreckend wenig. Hier rücken sehr stark die Führungskräfte in den Mittelpunkt, denn sie sind – in übertragenem Sinne – die Stars für die Mitarbeiter: Wie muss sich ein Unternehmen aufstellen, um seine Führungskräfte zu Fans zu machen? Themen wie die Arbeitgebermarke, das Werteleitbild sowie Fan-Macher-Workshops rücken dann in den Mittelpunkt.

Und die hoffnungslosen Fälle?

Gibt es auch Branchen oder (Themen-)Bereiche, für die sich das unternehmerische Streben nach Fans nicht lohnt? Oder anders: Hatten Sie auch mal einen sehr schwierigen Fall?

Es gibt die hoffnungslosen Fälle, das lässt sich aber nicht an Branchen oder Bereichen festmachen. Wenn das Top-Management nicht hinter dem Thema steht und sich als Teil des Problems begreift, lässt sich ein Steuerungsinstrument, das auf Orchestrierung setzt, nur sehr schwer umsetzen. Leider ist das Silodenken in Unternehmen immer noch weit verbreitet. Wo das Top-Management die Bereitschaft mitbringt, stellen sich schnell messbare Erfolge ein, und zwar völlig unabhängig vom Bereich, der Unternehmensstruktur oder dem Geschäftsmodell.


Über den Interviewpartner

Roman Becker 2HMforum

Roman Becker ist Entdecker des Fan-Prinzips, Autor des gleichnamigen Management-Bestsellers und Pionier und Marktführer in der Analyse von Emotionaler Kundenbindung. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der Marktforschungs- und Beratungsunternehmens 2HMforum. in Mainz und berät national und international Unternehmen auf dem Weg zu mehr Erfolg durch beste Kundenbeziehungen.

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