Cambridge-Analytica-Skandal: Facebooks schwarze Stunde

Veröffentlicht: 21.03.2018 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 10.04.2018

Die Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern hatte sich das Datenunternehmen Cambridge Analytica zu Eigen gemacht – und dann damit Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahl genommen. Facebook soll seit Jahren von dem Datenklau gewusst haben. Nun folgen Klagen, Vorladungen und heftige Kritik.

Facebook-Logo in Graustufen
© 1000 Words / Shutterstock.com

Mark Zuckerberg dürfte sich in diesen Tagen wohl die Kritik an Facebooks Umgang mit Daten aus den vergangenen Jahren zurückwünschen. Denn während das Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder kritisch betrachtet wurde und den einen oder anderen Klaps auf die Hand hinnehmen musste, bedroht der aktuelle Skandal um das Datenunternehmen Cambridge Analytica die Integrität der Plattform. Das Ausmaß des Skandals übersteigt alles, mit dem sich Zuckerberg wohl jemals auseinandersetzen musste.

Nachdem bekannt geworden war, dass Cambridge Analytica die Daten von über 50 Millionen Nutzern abgegriffen hat und anhand dieser Daten eine Software für die Verbreitung von individualisierten, politischen Anzeigen auf Facebook entwickelt wurde, stürzte die Aktie des sozialen Netzwerks ab. Die Investoren fürchten, dass dieser Skandal die Geschäftsergebnisse trüben könnte. Der Unternehmenswert von Facebook ist inzwischen um rund 50 Milliarden Dollar gesunken. 

Investoren verklagen Facebook

Nun gehen sie aber offenbar noch einen Schritt weiter: Wie Zeit Online berichtet, sollen US-Investoren eine erste Klage gegen Facebook eingereicht haben. „Die Aktionäre machten bei einem Bundesgericht in San Francisco geltend, dass die Konzernführung sie über die Fähigkeiten, die Daten der Nutzer zu schützen, in die Irre geführt habe“, heißt es bei der Zeitung. Facebook werde zudem vorgeworfen, die eigenen Datenschutzrichtlinien verletzt zu haben.

Facebook selbst sieht sich in der Affäre aber als eines der Opfer. Das Unternehmen kündigte an, alles zu tun, um seine Richtlinien durchzusetzen und die Daten der Nutzer zu schützen. „Das gesamte Unternehmen ist entsetzt darüber, dass wir hintergangen wurden“, heißt es in der Mitteilung. Mark Zuckerberg und die Verantwortlichen seien sich bewusst, wie ernst die Situation ist.

Für Zuckerberg dürfte es in den kommenden Tagen und Wochen unangenehm werden: Neben dem Image-Schaden und der Klage von Investoren wird der Facebook-Chef sich wohl auch mit einer Anhörung auseinandersetzen müssen. Der Zeit zufolge wurde Zuckerberg von dem Justizausschuss der USA, dem Unterhausausschuss von Großbritannien und auch vom EU-Parlament vorgeladen. Der Facebook-Chef solle eine Erklärung liefern, heißt es. „Wir haben Mark Zuckerberg in das EU-Parlament eingeladen“, so Parlamentspräsident Antonio Tajani. „Facebook muss vor den Vertretern der 500 Millionen Europäer erklären, dass persönliche Daten nicht eingesetzt werden, um die Demokratie zu manipulieren.“

WhatsApp-Gründer fordert dazu auf, Facebook zu löschen

Besonders kurios kommt aber eine Äußerung von WhatsApp-Gründer Brian Acton: Er rief auf Twitter nun dazu auf, Facebook zu löschen. „Es ist Zeit“, schrieb Acton auf Twitter und versah seine Äußerung mit dem Hashtag #deletefacebook – #löschtfacebook. Dieser Aufruf ist insofern merkwürdig, da Facebook WhatsApp im Jahr 2014 für 16 Milliarden Dollar übernommen hatte. Acton, der durch den Deal zum Milliardär wurde, hatte WhatsApp Anfang dieses Jahres verlassen, um sich einem neuen Projekt zu widmen.

Unklar ist laut The Verge, ob Acton seinen Löschaufruf auch auf die von ihm geschaffene App bezieht. WhatsApp hatte bereits in der Vergangenheit versucht, seine Nutzerdaten an Facebook weiterzugeben. Golem.de zufolge soll mit Inkrafttreten der DSGVO ein weiterer Versuch anstehen, doch der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar will derartige Ansätze im Keim ersticken: Er warnte WhatsApp vor einer unzulässigen Datenweitergabe an Facebook. „WhatsApp und Facebook haben unter dem bisherigen Datenschutzrecht keine Rechtsgrundlage für einen Massendatenaustausch der Nutzer“, so Caspar gegenüber dem Magazin. „Das wurde durch zwei Entscheidungen der Hamburger Verwaltungsgerichtsbarkeit bestätigt. Nach Geltung der Datenschutzgrundverordnung wird sich daran nichts ändern.“

Cambridge-Analytica-CEO redet sich um Kopf und Kragen

Cambridge-Analytica-CEO Alexander Nix wurde unterdessen suspendiert. Er werde mit sofortiger Wirkung von seiner Aufgabe entbunden, solange die Untersuchung des Skandals andauere, habe das Unternehmen dem Handelsblatt zufolge mitgeteilt. Die Suspendierung ist auch eine Reaktion auf einen Beitrag des Nachrichtensenders Channel 4 News, bei dem sich zwei Reporter als Vertreter einer reichen Familie aus Sri Lanka ausgegeben hatten.

Unter diesem Deckmantel wollten sie von Cambridge Analytica wissen, wie das Unternehmen ihnen bei einer Wahlkampagne helfen könne. Nix erklärte in dem verdeckt aufgezeichneten Video, dass man politische Rivalen bestechen und die gefilmte Geldübergabe anschließend im Internet verbreiten könne. Auch könne man „einige Mädchen“ – etwa aus der Ukraine – zu den Rivalen schicken und das filmen. Seine Firma, so versichert Nix in dem Video, habe „sehr viel Erfahrung“ mit derartigen Methoden.

 

Nix behauptet nun, dass seine Vorschläge scherzhaft gewesen seien. Alle Methoden, die er anwende, seien legitim und im Wahlkampf üblich, versichert er. Gegen seine Firma werde nun eine Medienkampagne geführt, die politisch motiviert sei. „Sie gewinnen eine Wahl für einen Kandidaten wie Trump und verärgern damit 100 Millionen Menschen“, zitiert das Handelsblatt den suspendierten CEO. „Dadurch werden sie zum Teufel gemacht.“ Cambridge Analytica sucht nun die Distanz: Die Aussagen von Nix stimmten weder mit den Werten noch der Arbeitsweise des Unternehmens überein.

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