Skandal um verschwundene Milliarden

Wirecard: Die Staatsanwaltschaft prüft nun „alle in Betracht kommenden Straftaten“ [Update]

Veröffentlicht: 23.06.2020 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 24.06.2020
Wirecard Logo

Der Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard weitet sich aus, nachdem das Unternehmen kürzlich eingeräumt hatte, dass auf Treuhandkonten verbuchtes Guthaben in von Höhe 1,9 Milliarden Euro wohl nicht existiert. Wie der Spiegel berichtet, hat die Staatsanwaltschaft München den ehemaligen Wirecard-Chef Markus Braun festnehmen lassen. Braun habe sich am Montagabend gestellt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Er soll im Laufe des Tages der Ermittlungsrichterin vorgeführt werden, die über eine Haft entscheide. Es bestehe der Verdacht auf Marktmanipulation und Bilanzfälschung. 

Wie es in einer Mitteilung heißt, werfen die Strafverfolger dem ehemaligen Wirecard-Chef vor, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen des Unternehmens „durch vorgetäuschte Einnahmen aus Geschäften mit sog. Third-Party-Acquierern (TPA) aufgebläht zu haben“. So solle das Unternehmen „finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver“ dargestellt werden, so der Vorwurf weiter. Brauns Verhalten in der Krise begründen der Staatsanwaltschaft zufolge den vorliegenden Verdacht der Bilanzfälschung jeweils in Tateinheit mit Marktmanipulation in mehreren Fällen. 

Markus Braun wurde wieder aus der Haft entlassen

Am Dienstag wurde der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen. Das habe das Amtsgericht München dem Spiegel zufolge entschieden. Braun wurde verpflichtet, eine Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro zu hinterlegen und sich wöchentlich bei der Polizei zu melden. 

Zuvor hatten Insider laut Zeit.de angedeutet, dass auch dem mittlerweile entlassenen Vorstand Jan Marsalaek Untersuchungshaft drohen könnte. Hintergrund des Untersuchungshaftbefehls, über den mehrere Medien berichteten, sei, dass die beiden Beschuldigten österreichische Staatsbürger seien – bei Verdächtigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft bestehe die Möglichkeit, dass diese sich in ihr Heimatland absetzen und damit für die Strafverfolger unerreichbar werden.

Staatsanwalt prüft Ausweitung der Ermittlungen

Gegen Braun, Marsalek und weitere amtierende Spitzenmanager von Wirecard wird wegen möglicher Marktmanipulation ermittelt. Der Verdacht, dass die Märkte vom Vorstand des Zahlungsdienstleisters nicht korrekt über eine Sonderprüfung informiert wurden, stehe im Raum. Nun erklärte die Staatsanwaltschaft der Zeit zufolge, dass eine Ausweitung der Ermittlungen auf weitere Straftaten geprüft werde. 

„Wir prüfen alle in Betracht kommenden Straftaten“, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I. Einzelheiten dazu wurden allerdings nicht genannt. 

„Eine Schande, dass so etwas passiert ist“

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat derweil Fehler bei der Kontrolle über Wirecard eingeräumt, wie die Zeit berichtet. Bafin-Chef Felix Hufeld sprach von einem „totalen Desaster“ und sagte, es sei „eine Schande, dass so etwas passiert ist“. Private und öffentliche Institutionen, einschließlich der Bafin, hätten im Fall Wirecard versagt, so Hufeld weiter. Er nehme die öffentliche Kritik „voll und ganz“ an.

Die Bafin hatte im April 2019 Strafanzeige gegen mehrere Börsenhändler wegen des Verdachts auf Marktmanipulation, sowie gegen zwei Journalisten der Financial Times erstattet. Die Financial Times hatte zuerst über Unstimmigkeiten mit „verschönten“ Bilanzen bei Wirecard berichtet, damals kam der Verdacht auf, dem Blatt waren Informationen zugespielt worden, um den Aktienkurs von Wirecard zu beeinflussen. Nach dem Bericht der Financial Times stürzte der Aktienkurs tatsächlich ab.

Die Wirecard-Aktie stürzt auf 13 Euro ab

Hufeld kündigt nun an, die Bafin werde Strategien und Maßnahmen, „die wir vorgenommen haben und auch nicht vorgenommen haben“ anpassen. Gleichzeitig merkte er an, dass die Finanzaufsicht nur für die Aufsicht der Wirecard Bank und nicht für die gesamte Wirecard AG zuständig gewesen sei. 

Wirecards 16 kreditgebende Banken dürfen seit Samstag ihre Kredite über insgesamt 1,8 Milliarden Euro kündigen, da Wirecard von seinem Wirtschaftsprüfer kein Testat für die Bilanz 2019 erhalten hat. In der Nacht auf Montag folgte dann die Nachricht, dass auf Treuhandkonten verbuchte 1,9 Milliarden Euro, über die ein Nachweis fehlte, mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ nicht existieren. Wirecard sieht sich selbst als Opfer eines großen Betrugs. Der Aktienkurs des Unternehmens ist mittlerweile auf 13 Euro gestürzt – am frühen Donnertag lag er noch bei rund 100 Euro. 

In einer früheren Version des Artikels hieß es, Markus Braun und Jan Marsalek drohe Insidern zufolge Untersuchungshaft. Wir aben den Artikel aktualisiert.

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.