Bilanzskandal

Erster Ermittlungserfolg im Wirecard-Skandal

Veröffentlicht: 17.07.2020 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 17.07.2020
Wirecard-Zentrale

Den Ermittlern ist im milliardenschweren Wirecard-Skandal offenbar ein Teilerfolg gelungen: Der Ex-Chef der Wirecard-Tochter Cardsystems Middle East hat offenbar eine Tatbeteiligung eingeräumt. Das bestätigten die Anwälte des inhaftierten Managers laut FAZ. „Mein Mandant hat sich freiwillig dem Verfahren gestellt und steht – im Gegensatz zu anderen – zu seiner individuellen Verantwortung“, erklärte Strafverteidiger Nicolas Frühsorger. 

Mit den „anderen“ könnte der noch immer flüchtige, ehemalige Wirecard-COO Jan Marsalek gemeint sein. Wo genau er sich aufhält, ist noch immer unklar. Marsalek gilt als eine weitere Schlüsselfigur im Bilanzskandal um Wirecard.

Der ehemalige Chef der Cardsystems Middle East war vergangene Woche festgenommen worden, nachdem er sich der Staatsanwaltschaft gestellt hatte. Dafür war der deutsche Manager aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach München gereist. Die Cardsystems Middle East soll eine zentrale Rolle im Asiengeschäft von Wirecard gespielt haben – dort vermuten Ermittler einen Schwerpunkt des mutmaßlichen Milliardenbetrugs.

Rolle des Bundesfinanzministeriums: „Viele Fragen offen“

Dass Wirecard trotz des gewaltigen Lochs in der Bilanz bis in den Dax aufsteigen konnte, bringt die Wirtschaftsprüfer in Bedrängnis. Aber auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gerät in Erklärungsnot: Wie die FAZ berichtet, soll Scholz offenbar seit Anfang 2019 von verdächtigen Vorgängen beim ehemaligen Börsenstar gewusst haben. „Scholz wurde am 19. Februar 2019 darüber unterrichtet, dass die Finanzaufsicht Bafin ‚in alle Richtungen wegen Marktmanipulation ermittelt, das heißt sowohl gegen Verantwortliche der Wirecard AG als auch gegen Personen, bei denen Hinweise zur Beteiligung an Marktmanipulation vorliegen‘“, heißt es bei der FAZ. Das sei aus einem Sachstandsbericht des Finanzministeriums an den Finanzausschuss hervorgegangen.

Die Zurückhaltung von Informationen sei nach Ansicht von Hans Michelbach, dem Finanzobmann der Unionsfraktion, „nicht länger hinnehmbar und müssen ein Ende haben“, heißt es beim Manager Magazin. Der Sachstandbericht, der für Mittwoch zugesagt war, erreichte die Abgeordneten erst am Donnerstag. „Es muss endlich alles auf den Tisch. Es muss Schluss damit sein, dass dem Finanzaussschuss wie in der Vergangenheit Vorgänge verschwiegen werden“, so Michelbach weiter.

Kritik gab es auch vom Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz: Scholz sei dem Fall Wirecard im Bundestag seiner Meinung nach bisher völlig aus dem Weg gegangen. Es seien „viele Fragen offen – auch über die Rolle des Bundesfinanzministeriums“, so Bayaz. Dass Scholz bereits Anfang 2019 über den Verdacht gegen Wirecard informiert war, stärke den „Eindruck einer kollektiven Unverantwortlichkeit“. Fabio de Masi von den Linken vermutet, dass die Bundesregierung die Wirtschaftsprüfer von EY nun zum Sündenbock machen wolle.

Hat Wirecard Partnerschaften vorgetäuscht?

Gegen Wirecard werden unterdessen weitere Vorwürfe erhoben: Das Unternehmen könnte nicht nur Bilanzsummen, sondern sogar Partnerschaften mit Unternehmen vorgetäuscht haben. Das gehe Heise zufolge aus Recherchen des Wall Street Journals hervor. Demnach seien Firmen wie SAP von Wirecard als Partner in Presseveröffentlichungen genannt worden – eine Vereinbarung hätten die vermeintlichen Partner aber gar nicht mit dem Zahlungsdienstleister getroffen. „Wirecard hat eine Partnerschaft mit SAP bekannt gemacht, die von uns nie unterzeichnet wurde – und wir haben auch nie der Publikation einer Pressemitteilung zugestimmt“, so ein Sprecher von SAP. Aber das Unternehmen hatte auch keine Richtigstellung von dem Zahlungsdienstleister verlangt.

Ähnlich sei es auch der deutschen E-Mail-Marketing-Firma Kajomi ergangen: Sie habe zwar Gespräche mit Wirecard geführt, tauchte aber ohne formelle Einigung bereits als Partner in einer Mitteilung und auf einem Webportal auf. Kajomi-Gründer Michael Hoffmann erklärte, er habe dem nicht widersprochen, weil er sich einen PR-Effekt für sein Unternehmen erhofft habe. 

Der ehemalige Wirecard-CEO Markus Braun habe Pressemitteilungen offenbar großen Wert zugesprochen: Wie ehemalige Mitarbeiter dem Wall Street Journal erklärt hätten, habe Braun den Führungskräften regelmäßig Druck gemacht, verkündungsfähige Ergebnisse zu erreichen. „Intern habe man gewitzelt, dass Presseaussendungen das Hauptprodukt von Wirecard sind“, schreibt Heise weiter. Doch der PR-Effekt ist verflogen. Nun gehen Partner und Kunden auf Distanz zu dem inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister.

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