Interview über Amazon Advertising

Sellics-Chef Franz Jordan: Amazon ist „Spielwiese mit vielen Hindernissen“

Veröffentlicht: 23.09.2019 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 24.09.2019
Amazon, Werbung, Backend

Franz Jordan ist ein junger Mann. Sellics, das Unternehmen, das er gemeinsam mit Josef Vataman gegründet hat, ist noch viel jünger. 2014 ging es in Berlin los, heute ist der Software-Anbieter laut eigenen Angaben der größte Werbepartner von Amazon. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Wir fragten auf der Dmexco nach, steigen aber mit dem Thema der Stunde ein: Sellics hat ein Millionen-Investment von Frog Capital eingesammelt. Dabei sträubte man sich jahrelang, Investoren reinzulassen.

OnlinehändlerNews: Ihr habt von Frog Capital ein Investment von zehn Millionen US-Dollar bekommen. Wie muss man sich den Prozess dahin eigentlich vorstellen? Geht ihr auf die Investoren zu oder umgekehrt? Ist es wie in der „Höhle der Löwen“?

Franz Jordan: Wir waren die ersten vier, fünf Jahre ohne Investoren, bekamen aber schon viele Anfragen. Anfang dieses Jahres haben wir uns dann entschlossen, dass wir Investoren aufnehmen wollen und einen relativen strukturierten Prozess gestartet. Wir haben diejenigen, die bereits auf uns zugekommen waren, aber auch neue Investoren, angesprochen und dann machst du im Grunde Pitches. Das ist allerdings nicht wie in der „Höhle der Löwen“, dass du fünf Leute vor dir hast, sondern das sind natürlich Einzelmeetings. Für Frog Capital haben wir uns letztendlich entschieden, weil wir das Gefühl hatten, dass das der beste Fit für uns ist, schon allein aufgrund der Zielgruppe, die sie ansprechen. Und wir merken jetzt bereits, dass Frog uns mehr bringt als nur das Geld. Sie bringen Kontakte und Erfahrung mit und unterstützen uns auch im operativen Geschäft.

Partnerschaft mit Frog Capital

OnlinehändlerNews: Wie viel Einfluss bringt Frog Capital mit?

Franz Jordan: Nun gut, das ist ja erstmal noch relativ frisch. Auf dem Papier ist es jetzt nicht der übermäßig große Einfluss, aber es gibt natürlich einige Punkte, in denen Frog ein Veto hat. Das ist aber auch ganz normal, schließlich investieren sie einen großen Geldbetrag. Bisher war die Zusammenarbeit wirklich sehr gut. Eher nach dem Motto: „Wo können wir euch helfen?“ und weniger „Macht jetzt dies und macht jetzt jenes!“. Das war uns auch bei der Auswahl der Investoren sehr wichtig, denn es gibt natürlich auch einige, die mehr Mitbestimmung fordern. Wir verstehen es eher als eine Partnerschaft.

OnlinehändlerNews: Zehn Millionen US-Dollar ist ein durchaus anständiger Betrag. Was macht ihr mit dem Geld?

Franz Jordan von Sellics

Franz Jordan: Wir wollen das Geld maßgeblich ins Produkt investieren. Das heißt, wir wollen vor allem den Bereich Machine Learning und Künstliche Intelligenz (KI) im Tool ausbauen. Wir sind zwar bereits gut aufgestellt, aber da lässt sich noch deutlich mehr machen. Außerdem sollen neue Funktionen hinzugefügt werden. Und neben dem Produkt selbst soll natürlich auch das Team ausgebaut werden. Wir sind aktuell 100 Leute – viele in Berlin, einige in New York – und vor allem in New York soll das Team wachsen. Wir generieren heute schon mehr als die Hälfte unseres Umsatzes in den USA und dem muss natürlich auch in Sachen Mitarbeiter Rechnung getragen werden.

OnlinehändlerNews: Aktuell seid ihr in insgesamt neun Märkten aktiv. Soll das künftig ausgebaut werden oder wollt ihr euch darauf fokussieren?

Franz Jordan: Die neun Märkte sind alle Amazon-Märkte. Wir sind schon in allen Ländern, in denen Amazon aktiv ist, außer in China und Japan. In China zieht sich Amazon ohnehin zurück; Japan ist sprachlich noch schwierig, da funktioniert die Software rein technisch einfach noch nicht. Wir wollen uns vor allem auf die USA, Deutschland und UK fokussieren, weil das Amazons größte Märkte sind. Amazon in Europa komplett macht etwa 40 Prozent des Umsatzes, der über Amazon.com generiert wird.

Drei Monatsmieten zum Start

OnlinehändlerNews: Ihr habt vorher mit Aboutlocal eine KMU-Datenbank gebaut. Wie kommt ihr auf Amazon SEO und vor allem: Wie wird man innerhalb weniger Jahre vom zu Beginn kleinem Drei-Mann-Betrieb zum größten Werbepartner von Amazon?

Franz Jordan: Während wir mit Aboutlocal aktiv waren, kam ein Freund auf mich zu, der bei Amazon verkauft, und meinte: „Hey, ich würde gern wissen, wo meine Produkte bei den relevanten Suchbegriffen stehen und würde gern mein Ranking verbessern.“ Wir haben uns das Ganze dann mal angeschaut und schon damals gesehen, dass mehr Produktsuchen direkt auf Amazon durchgeführt werden und nicht mehr bei Google. Wir haben uns damals gewundert, dass sich noch niemand mit dem Thema SEO beschäftigt. Sellics haben wir tatsächlich als weltweit erste Amazon-SEO-Software entwickelt.

Ich glaube, dass wir so schnell gewachsen sind, liegt daran, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Amazon selbst und seine Relevanz für Marken sind in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Wenn die Relevanz steigt, suchen die Leute auch nach entsprechenden Möglichkeiten, das Geschäft zu steuern. Wir hatten das passende Angebot und wir haben natürlich auch viel gearbeitet. Außerdem haben wir immer Innovationen reingebracht. Als wir angefangen haben, gab es noch überhaupt keine Werbung auf Amazon. Irgendwann hat Amazon eine Schnittstelle gebaut und wir waren mit die ersten, die diese integriert haben. Wir hatten einen First-Mover-Advantage.

OnlinehändlerNews: Werbeausgaben waren bei Amazon jahrelang kein Thema. Mittlerweile ist Amazon zwar auf Platz 3 der Werbeträger, Facebook und Google sind aber noch sehr weit entfernt. Hat das geholfen, dass dieses Thema, als ihr angefangen habt, weder bei Amazon noch bei möglichen Konkurrenten, überhaupt in den Köpfen war?

Franz Jordan: Durchaus, ja. Wir haben angefangen mit 1.950 Euro. Das war alles, was bis zu dem Millioneninvestment in die Firma geflossen ist...

OnlinehändlerNews: 1.950 Euro?

Franz Jordan: Genau. Drei Monatsmieten. 650 Euro Büromiete, das war im Grunde alles. Ein Grund, warum wir mit so wenig Ressourcen so weit kommen konnten, war der Zuschnitt auf SEO. Hätten wir am Anfang schon ein Portfolio wie heute gehabt, wäre es viel schwieriger gewesen, das zu stemmen. Es war sicherlich von Vorteil, dass wir Sellics sequenziell weiterentwickelt haben und nicht alles gleichzeitig wollten.

OnlinehändlerNews: Ihr wart die ersten, seid auf dem Gebiet Amazon-Werbung aber 2019 nicht mehr allein. Wie schätzt du die Konkurrenzsituation ein?

Franz Jordan: Es wäre auch seltsam, wenn wir in diesem lukrativen Markt allein wären. Viele der Player, die 2015, 2016 an den Markt gegangen sind, gibt's heute nicht mehr. Dafür gibt's heute wiederum neue Player. Ich denke, mit unserer Positionierung, mit unserem Setup – wir sind global aktiv, wir bespielen große Marken und Agenturen, aber auch kleine, wir decken SEO ab, Advertising und viele andere Felder – sind wir einzigartig. Viele Konkurrenten konzentrieren sich eher auf die nationalen Märkte. Der Wettbewerb spornt an und macht uns besser. Bei der wachsenden Konkurrenz ist es natürlich ein Vorteil, dass wir bereits eine gewisse Größe erreicht haben.

Spielwiese mit Hindernissen

OnlinehändlerNews: Wie ist eigentlich euer Verhältnis zu Amazon? Inwieweit arbeitet ihr zusammen bzw. nicht zusammen? 

Franz Jordan: Das hat sich tatsächlich sehr stark geändert. Als wir angefangen haben, gab es eigentlich gar kein Verhältnis. Mittlerweile haben wir, sicherlich auch aufgrund unserer Größe, sehr gute Beziehungen mit Amazon. Das heißt, wir haben eigene Partner-Manager, die im Grunde nur Sellics betreuen. Wir werden regelmäßig auf Entwicklerkonferenzen eingeladen, die typischerweise in New York oder Seattle sind, wir machen gemeinsame Webinare. Ich telefoniere auf wöchentlicher Basis mit Amazon. Der Austausch ist mittlerweile sehr eng.

Amazon hat vor etwa zwei Jahren die strategische Entscheidung gefällt, dass sie in dieses Ökosystem Advertising investieren wollen. Das bauen sie gerade auf. Sellics ist ein großer Player und dementsprechend stehen wir da in engem Austausch und wir als Sellics haben da, denke ich, auch einen gewissen Einfluss. Es ist ein sehr gutes Verhältnis und das ist in gewisser Weise vielleicht auch etwas überraschend, wenn man sich die Größenverhältnisse der beiden Unternehmen anschaut.

OnlinehändlerNews: Für Händler ist der Marktplatz ja an gewissen Stellen durchaus ein wenig restriktiv. Wie sieht das im Advertising-Bereich aus? Ist Amazon eher Spielwiese oder eher Hindernis-Parcours?

Franz Jordan: Gute Frage. Ich würde sagen: Eine Spielwiese mit vielen Hindernissen. Auf Advertising-Seite ist es so: Amazon investiert wahnsinnig viel und implementiert permanent in neue Werbeformate: Sponsored Products, Sponsored Brands, Stores, DSP und so weiter. Wenn neue Werbeformate ausgerollt werden, dann gibt es natürlich auch Kinderkrankheiten, das ist ganz normal. Spielwiese oder Hindernis-Parcours – schwer zu sagen, denn wir befinden uns eigentlich noch in einer sehr frühen Phase. Wenn man überlegt, wie viel Geld dabei jetzt schon gemacht wird: Wir reden hier schon jetzt von 15, 20 Milliarden US-Dollar, die Amazon mit Werbung verdient und ist damit erst die drittgrößte Werbeplattform (nach Google und Facebook, Anm. d. Redaktion). Dass die Infrastruktur noch Nachholbedarf hat, ist auch ganz normal, wenn man sich überlegt, dass das Thema für Amazon noch vergleichsweise neu ist.

OnlinehändlerNews: Vielen Dank für das Gespräch.

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