„Pacta sunt servanda“ – im Internet geschlossene Verträge sind grundsätzlich zu erfüllen

Veröffentlicht: 07.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 08.03.2013

Viele Online-Händler kennen die Probleme mit nicht mehr lieferbaren Waren aus der täglichen Praxis. Wird eine Ware unverhofft häufig bestellt, können ggf. eine oder mehrere Kundenbestellungen nicht mehr bedient werden. Auch wenn sich mehrere Personen parallel um die Warenwirtschaft kümmern, kann es schnell zu Missverständnissen und Doppelverkäufen kommen.

viele ParagraphenzeichenEs sollte hier zunächst beachtet werden, dass auch im Online-Handel der Grundsatz gilt: Pacta sunt servanda, also "Verträge sind einzuhalten“.

Treten Abwicklungsschwierigkeiten auf, empfehlen wir Online-Händlern folgendes Vorgehen:

Verbucht der Händler eine Bestellung „zu viel“, sollte er zunächst prüfen, ob überhaupt schon ein Vertrag mit dem Kunden, der die Ware bestellt hat, die nicht mehr lieferbar ist, zustande gekommen ist.

Hierbei ist zwischen dem Verkauf über Plattformen (wie z.B. Ebay, Amazon) und im eigenen Online-Shop zu unterscheiden.

Die meisten Plattformen schreiben in Ihren Nutzungsbedingungen den Anbietern vor, wie das Zustandekommen des Vertrages abzulaufen hat. Demnach müssen z.B. Anbieter bei Ebay bereits verbindliche Angebote einstellen, die der Kunde mit der Bestellung  - also z.B. Abgabe des Höchstgebotes oder mit Betätigen der Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ - annimmt.

Hier kommt der bindende Vertrag bereits mit Abgabe der Bestellung des Kunden zustande.

Dies kann in den eigenen AGB des Händlers (also die AGB, die er ggü. seinen Kunden verwendet) auch nicht abweichend gestaltet werden.

Auch die Verwendung von Klauseln/ Hinweisen wie z.B. „Alle Angebote sind freibleibend und unverbindlich“ hilft nicht weiter. Wer solche unzulässigen AGB-Klauseln verwendet, riskiert vielmehr nur den Erhalt einer kostenpflichtigen Abmahnung.

Bitte informieren Sie sich in den jeweils für Ihre Plattform geltenden Nutzungsbedingungen zum Zustandekommen der Verträge, sofern hier Unsicherheiten bestehen.

Die Nutzungsbedingungen der Plattformen sind jeweils auf deren Webseiten einsehbar.

Im Online-Shop kann das Zustandekommen des Vertrages hingegen so gestaltet werden, dass der Kunde mit der Bestellung das erste Angebot auf Kaufvertragsschluss abgibt, welches der Verkäufer wiederum annimmt (z.B. durch Bestätigung per Email). Hier ist mit Zugang der Kundenbestellung noch kein Vertrag zustande gekommen. Damit der Vertrag zustande kommt, müsste der Händler die Bestellung erst noch annehmen bzw. bestätigen. Sofern der Verkäufer dem Kunden die Bestellung noch nicht bestätigt bzw. angenommen hat, kann er den Vertragsschluss noch ablehnen und so das Entstehen der Lieferpflicht abwenden.

Empfehlung:

Vergewissern Sie sich, wie die Verträge in Ihrem Online-Shop zustande kommen.

Auskunft hierüber geben regelmäßig die AGB, die Sie in Ihrem Online-Shop verwenden, sofern Sie sich diese haben rechtsanwaltlich erstellen lassen.

Verwenden Sie nicht vom Händlerbund erstellte AGB, sollten Sie bei Unsicherheiten mit der Person Rücksprache halten, die Ihnen die Rechtstexte erstellt hat.

Ist der Vertrag tatsächlich bereits zustande gekommen, muss dem Kunden die versprochene Ware grundsätzlich auch geliefert werden.

Ausnahmefälle sind hier jedoch denkbar.

So z.B. wenn der Engpass durch eine unverhofft ausbleibende Lieferung seitens des Zulieferers entstanden ist und Ihre AGB einen sog. Selbstbelieferungsvorbehalt enthalten.

Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Urteil vom 18.09.2012, Az. I-4 U 105/12) sind jedoch auch bei der Verwendung von Selbstbelieferungsvorbehalten in AGB, die gegenüber Verbrauchern verwendet werden, bestimmte Anforderungen zu erfüllen, damit diese wirksam und zulässig sind.

So entschied das OLG Hamm u.a:

„...Allgemein wird der Vorbehalt der Selbstbelieferung für zulässig gehalten (...). Zu beachten ist aber, dass das Lösungsrecht im nicht-kaufmännischen Verkehr ausdrücklich auf den Fall beschränkt werden muss, dass der Verwender ein konkretes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat und von dem Partner dieses Vertrages im Stich gelassen wird (...). Verkaufs- und Einkaufsvertrag müssen kongruent sein (...)“

Empfehlung:

Für die Erstellung einer solchen Selbstbelieferungsvorbehalts-Klausel (wie überhaupt abmahnsicherer AGB) sollten Sie die Hilfe eines Rechtsanwalts hinzuziehen.

Wenn Sie die AGB des Händlerbundes in Ihrem Online-Shop verwenden, ist eine entsprechende zulässige AGB-Klausel dort bereits enthalten.

Resultiert der Lieferengpass nicht aus in einer solchen ausbleibenden Selbstbelieferung des Händlers und ist es dem Händler auch nicht möglich darzulegen, dass er den Engpass nicht zu vertreten hat (wie z.B. in Fällen von „höherer Gewalt“, z.B. Naturkatastrophen etc.), muss er dem Kunden für die Nichterfüllung des Vertrages regelmäßig einstehen.

Hierzu kann auch der Ersatz von entgangenem Gewinn gehören, wenn der Kunde einen entsprechenden Schaden vor Gericht vorbringen und glaubhaft machen kann.

In diesem Zusammenhang sei auf ein aktuelles Urteil des Landgerichts (LG) Coburg (vom 17.09.2012, Az.: 14 O 298/12) hingewiesen.

Dort hatte ein Verkäufer auf einer Plattform einen großen Posten neuer Hosen zum Verkauf angeboten. Nachdem ein Kunde den Zuschlag für das Angebot erteilt bekommen hatte, konnte der Verkäufer ihm aber nur noch mitteilen, dass die Hosen nicht mehr lieferbar sind. Der Bruder des Verkäufers hatte die Hosen ohne dessen Wissen zuvor anderweitig weiterverkauft.

Das LG Coburg entschied hierzu laut Pressemitteilung:

„...Durch den Kaufvertrag hatte der Verkäufer die Verpflichtung übernommen, aus einem bestehenden Vorrat zu liefern. Die eingetretene Unmöglichkeit der Lieferung hat der Verkäufer nach Auffassung des Landgerichts auch zu vertreten. Der Schuldner muss seinen Geschäftsbetrieb so organisieren, dass Veräußerungen, die bestehenden Verträgen widersprechen, unterbleiben. Es war nicht ersichtlich, dass der beklagte Verkäufer entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte....“

Der Verkäufer musste dem Kunden im Wege des Schadensersatzes seinen entgangenen Gewinn (hier immerhin 10.000,00 €) ersetzen und die Verfahrenskosten tragen.

Daher gilt:

Verwenden Sie rechtsanwaltlich erstellte bzw. geprüfte AGB.

  • Informieren Sie sich, wie die Verträge mit Ihren Kunden in Ihren Plattform- und/ oder Online-Shops zustande kommen.

Lesen Sie hierzu auch sorgfältig und aufmerksam die Nutzungsbedingungen der Plattformen, über welche Sie handeln.

  • Sind an der Warenwirtschaft mehrere Personen beteiligt, sind gute Organisation, Übersicht und Kontrolle das A und O.
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