Meinung

Die Misere mit den Abmahnungen

Veröffentlicht: 10.07.2019 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 10.07.2019
Geschäftsmann mit rotem Regenschirm steht im Regen.

Das massenhafte Aussprechen von Abmahnungen ist für eine effektive Rechtsdurchsetzung notwendig. – So lautete sinngemäß das Statement vom Bundesgerichtshof zum Thema Deutsche Umwelthilfe und Abmahnmissbrauch. Anders ausgedrückt: Wirksamer Verbraucherschutz geht in Deutschland eben nur so. Mit dieser Aussage hat der Bundesgerichtshof auch gleich die Misere rund ums Thema Abmahnungen offenbart. Dass Abmahnung notwendiges Mittel zum Schutz der Verbraucher sind, zeigt wie schwach der Staat an dieser Stelle doch ist.

Wofür sind Abmahnungen gleich noch einmal gut?

Der Grundgedanke, auf dem wettbewerbsrechtliche Abmahnungen fußen, ist gar kein schlechter: Die am Marktgeschehen Beteiligten erhalten dadurch die Möglichkeit, Verstöße, die einen fairen Wettbewerb gefährden, privatrechtlich untereinander zu regeln. Die Idee ist, dass die meisten Streitigkeiten außergerichtlich geregelt werden und damit zur Entlastung des Rechtsstaats führen. Stimmt ja auch. Aber: Mittlerweile haben sich sehr viele Verbände gegründet, die Abmahnungen aussprechen. Manch einer steht auf der Seite der Unternehmer; andere auf der Seite von Verbrauchern. Diese sprechen sehr viele Abmahnungen aus. Teilweise geht es dabei um große, teilweise um kleine Verstöße.

Die Angst vor Abmahnungen

Wird der durchschnittliche Online-Händler nach seinen Wünschen und Träumen gefragt, so wird er vermutlich antworten, dass das Abschaffen des Abmahnwesens doch mal eine gute Sache wäre. Abmahnungen kosten Geld, Zeit und Nerven und sind besonders ärgerlich, wenn sie kleinste Verstöße, wie den nicht-sprechenden OS-Link, betreffen. Die Angst vor ihnen ist groß.

Fragt man Händler hingegen, ob sie Angst vor behördlichen Aktionen haben, so wird man wohl nur ein Schulterzucken ernten. Bußgeldbescheide sind im E-Commerce scheinbar doch recht selten und betreffen hauptsächlich große Unternehmen.

Der Staat könnte ja…

Das ist eigentlich recht merkwürdig, denn: Bei vielen der am häufigst abgemahnten Verstöße könnten die Behörden tätig werden. Sehen wir uns beispielsweise mal den Klassiker der fehlenden Grundpreisangabe an. Wer diese vorsätzlicher oder fahrlässiger Weise weglässt, handelt nach § 10 Abs. 1 Preisangabenverordnung ordnungswidrig. Damit wäre eine Behörde zum Einschreiten ermächtigt. Solcherlei Regelungen finden sich in vielen Gesetzen. Der Staat könnte also, tut er aber nicht.

Im erörterten Rechtsstreit der Deutschen Umwelthilfe hat der Bundesgerichtshof offenbart, dass der Staat auch nicht tätig werden muss: Die Masse an Abmahnungen sorgt nämlich für eine effektive Durchsetzung verbraucherschützender Normen. Unterm Strich scheint es eher so zu sein, dass Abmahnungen nicht nur zur Entlastung des Staates beigetragen haben, sondern dafür gesorgt haben, dass dieser gar nicht erst tätig wird. Das führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass die Verfolgung von Verstößen, welche zu den staatlichen Pflichten gehört, überwiegend von Privatpersonen übernommen wird.

Forderung nach mehr Verantwortung der Marktplätze

Ein weiteres Indiz für die Trägheit des Staates an dieser Stelle ist auch die Forderung nach mehr Verantwortung von Marktplätzen: Das zeigt sich beispielsweise auch in der kürzlich eingeführten Marktplatzhaftung für Umsatzsteuerausfälle. Amazon und Co. sollen haften, wenn sich Händler um ihre Steuerpflicht drücken. Es sei denn, sie führen Kontrollmechanismen durch. Doch: Wäre die Verfolgung von Steuersündern nicht in erster Linie eine Aufgabe des Staates?

Es geht noch weiter: In einem Fachgespräch der Deutschen Umwelthilfe im März diesen Jahres lautet eine Forderung, dass solch eine Marktplatzhaftung auch für das Umgehen des Elektrogesetzes durch Händler eingeführt wird. 

Natürlich sind Händler, die sich prinzipiell nicht an deutsche Gesetze halten, ein Ärgernis für die ehrlichen Unternehmer: Unternehmer müssen Geld in die Hand nehmen, um rechtssicher zu handeln. Unterm Strich sind ihre Produkte damit teurer, als die derer, die diese Ausgaben nicht haben. Das ist unbefriedigend. Allerdings muss hier die Frage gestellt werden, ob man die Verfolgung von solcherlei Rechtsverstößen tatsächlich in private Hände legen will. Ich für meinen Teil sehe diese Entwicklung mit großer Skepsis. Rechtsverstöße sollten – schon aus Gründen der dann stattfindenden zwingenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit – hauptsächlich vom Staat verfolgt werden. 

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