Abmahnungen der Firma Brand Commerce

Abmahntätigkeit lediglich „im Kosteninteresse”

Veröffentlicht: 09.10.2020 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 18.01.2021
Schwarzes Schaf

Der Handel mit Textilien ist ein hart umkämpfter Markt. Immer mehr Konkurrenz aus Fernost mischt unerbittlich beim Handel mit. Es macht einen großen Unterschied, ob das gewünschte Kleidungsstück aus reiner Baumwolle oder aus Viskose hergestellt ist. Letztendlich muss sich der Verbraucher selbst ein Bild machen können und die für ihn richtige Entscheidung treffen können. Die umfassende Kennzeichnung von Textilien ist daher ein Muss auch im Online-Handel.

Informationspflichten für Textilien

Textilartikel wie Kleidung, Bettwäsche oder Schuhe dürfen nur dann angeboten und verkauft werden, wenn sie mit den Pflichtangaben aus der Textilkennzeichnungsverordnung etikettiert oder gekennzeichnet sind. Dazu gehört insbesondere die Nennung der verwendeten Fasern sowie die jeweilige Zusammensetzung bei Mischgeweben in Prozent. Beispiel: „100% Baumwolle“ oder „80% Baumwolle, 20% Polyester“. 

Falsche oder fehlende Textilkennzeichnung ist Abmahngrund

Diese erwähnten Angaben sind Pflichtangaben, die jedes vertriebene Textilprodukt selbst vorweisen muss. Meist wird dazu ein Label (Stofffähnchen) am Artikel angebracht. Wegen der besonderen Situation im Online-Handel ist dies daher auch für die Artikelbeschreibungen verbindlich, denn der Kunde kann die Ware gerade nicht ansehen und untersuchen. 

Ein Verstoß gegen diese Vorgaben stellt daher einen Wettbewerbsverstoß dar, der eine kostenpflichtige Abmahnung nach sich ziehen kann. Sind die Angaben in der Artikelbeschreibung falsch eingefügt, handelt es sich zwar nicht um einen Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung, aber um eine ebenfalls abmahnfähige Irreführung.

Vorwurf: Rechtsmissbrauch

Soweit so gut. Händler, die eine Abmahnung wegen Verstoßes gegen die Textilkennzeichnungsverordnung bekommen, werden sich ärgern, den Fehler beheben und die Abmahnkosten zahlen, denn oft sind die Vorwürfe berechtigt. Abmahnungen sind eine legale Maßnahme, um den ordnungsgemäßen Wettbewerb zu sichern. Wenn der gerügte Verstoß aber nur deshalb geltend gemacht wird, um „überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen“ zu verfolgen, ist dies rechtsmissbräuchlich.

Die Firma Brand Commerce GmbH soll die vielfach vorhandenen Fehler ebenfalls verfolgen und Abmahnungen gegenüber Online-Händlern im Bereich von Textilien wegen Verstoßes gegen die Textilkennzeichnungsverordnung aussprechen. Die Abmahnungen fokussieren dabei die Klassiker aus der Textilkennzeichnung, beispielsweise die fehlende Kennzeichnung oder die falsche Faserbezeichnung (insbesondere auch die Verwendung der Begriffe „Acryl“ und/oder „Spandex“). Der Händlerbund hat über seine Partnerkanzlei bisher (2017-2019) schon zehn gerichtliche Verfahren wegen Abmahnungen der Firma Brand Commerce geführt. Dabei waren ebenfalls weniger die Wettbewerbsverstöße an sich Gegenstand, sondern vielmehr die Mitbewerbereigenschaft oder der Vorwurf des Rechtsmissbrauch.

Uns liegt nun ein weiteres Urteil des Landgerichts Köln vor, in dem die Richter insbesondere einen möglichen Rechtsmissbrauch bei den Abmahnungen kritisch hinterfragt haben (Urteil vom 08.05.2018, Aktenzeichen 31 O 318/17 - juris).

So sehen und sahen die Abmahnungen aus:

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Ob sich das Abmahnen der Firma Brand Commerce als rechtsmissbräuchlich einordnen ließe, mussten die Richter zwar nicht (mehr) entscheiden, weil die Abmahnungen schon wegen einer fehlenden Wettbewerberstellung zurückgewiesen wurden. Dennoch ließen sie es sich nicht nehmen, einen möglichen Rechtsmissbrauch extra mit im Urteil zu diskutieren: „Gleichwohl geben die Gesamtumstände ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Vorgehen der Antragstellerin rechtsmissbräuchlich sein könnte. Es besteht insbesondere ausreichender Grund zur Annahme, dass die Abmahntätigkeit der Antragstellerin lediglich im Kosteninteresse erfolgt.“

Kein Wettbewerb bei kurzfristig erworbenen Bekleidungsrestposten

Die Abmahnerin betreibt selbst einen Online-Handel, unter anderem über Spreadshirt und amazon.de, in dem sie Kleidung, Accessoires und Schuhe anbietet. Von einem Wettbewerbsverhältnis könne man (insbesondere gegenüber einem Amazon-Händler) nicht sprechen, wenn Brand Commerce hauptsächlich über Spreadshirt handelt und auf Amazon lediglich wenige Produkte schnell eingestellt hat und dafür auch kein Umsatz nachgewiesen wird, so die Urteilsbegründung. Ein wahlloses Einstellen von kurzfristig erworbenen Bekleidungsrestposten in ad-hoc-erzeugte Amazon-Angebote kann zur Begründung einer Mitbewerberstellung nicht ausreichen, so der Leitsatz des Gerichts. Dies war der Grund, an denen die Abmahnungen letztendlich wegen einer fehlenden Mitbewerberstellung auch scheiterten.

Das erwähnte Urteil ist zwar bereits im Jahr 2018 ergangen. Jedoch sind in den letzten Jahren weitere Abmahnungen ausgesprochen wurden, weshalb die Abmahntätigkeit weiterhin kritisch hinterfragt werden muss. Zudem gibt es weitere Entscheidungen, die die Abmahntätigkeit infrage stellen. Betroffene sollten daher keineswegs die geforderte Unterlassungserklärung unterzeichnen, sondern Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt halten.

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