Kolumne: „Der Herr Maas weiß von nichts.“

Veröffentlicht: 19.08.2016 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 25.11.2016

Obwohl ich weiß, dass das heutige Kolumnenthema viele an- und aufgeregte Diskussionen auslösen wird – ich stürze mich kurz vor dem Wochenende noch einmal todesmutig in das Thema „Abmahnungen“ im Online-Handel.

Auslöser für die heutige Themenwahl war die Erzählung einer Kollegin. Sie hat ein paar Büros weiter die vertrauensvolle Aufgabe, abgemahnten Online-Händlern hinsichtlich ihrer Abmahnungen ihr Ohr zu leihen und rechtsanwaltlichen Beistand zu leisten. Dass die meisten Händler von einer Abmahnung wie vom Donner gerührt sind und jederzeit eine Wurzelbehandlung vorziehen würden, ist nicht verwunderlich.

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Ob unser Herr Justizoberhäuptling Herr Maas davon wisse, dass Recht und Gerechtigkeit in Deutschland lange nicht dasselbe ist und diese Begriffe nur solange zählen bis jemand Profit daraus schlagen kann, fragte ein aktuelles Opfer der Abmahnindustrie. „Mit Sicherheit weiß der Herr Maas, was es für Defizite in der Abmahnwelt gibt“ erwiderte die geduldige Kollegin. Aber weit gefehlt. Der abgemahnte Online-Händler machte Ernst und stellte Herrn Maas zu Rede. Und na klar, die Überschrift hat es schon verraten, der Händler berichtete, Herr Maas wisse von nichts.

Abmahnungen, die gemeinen Wegbegleiter im E-Commerce

Aber mal Butter bei die Fische. Den Unterlassungsanspruch, d.h. die Basis für die zahllosen Abmahnungen, gibt es auch nicht erst seit gestern. Er ist keine neumodische Erfindung, die sich irgendjemand ausgedacht hat, um den Online-Handel zu Fall zu bringen. Anders als im Mittelalter, wo der Kampf „Mann gegen Mann“ ausgetragen wurde, gibt es heute eben so etwas wie die Abmahnung. Und das wird im E-Commerce genutzt, bis sich die Balken biegen.

Leider muss ich als Rechtsanwältin hier mal kurz einen auf Spielverderber machen und einen ernsten Ton anschlagen: Abmahnungen sind marktregulierend und ein wichtiges Instrument, um gegen unfairen Wettbewerb oder Rechtsverstöße vorzugehen. Das klingt zunächst erst mal ganz schön abgedroschen, ich weiß. Aber hier ein ganz aktuelles Beispiel. Derzeit tobt eine Art „Fehde“ zwischen Händlern, die sich um den E-Zigaretten-Markt zanken. Seit die zwingende Altersverifikation auch für E-Zigaretten und Liquids offiziell eingeführt wurde, trudeln reihenweise Abmahnungen in unserem Hause ein. Eine Phänomen, dass schlicht und ergreifend den Markt regulieren soll – wer E-Zigaretten und Liquids (oder schlimmer noch Alkohol) an Kinder und Jugendliche liefert, ist ein schlimmer Finger und sollte sich schämen – so die Argumentation der Abmahner. Und ganz ehrlich: In solchen Fällen ist die Abmahnung und deren Sinn nicht von der Hand zu weisen. Wer bewusst schummelt – und andere in Gefahr bringt, riskiert möglicherweise zu recht die Quittung dafür. Und bitte gehen Sie jetzt nicht mit Mistgabeln auf mich los! Bitte...!

Online-Handel „wie bei Hempels unterm Sofa“

Auch Kalle stimmt mir in seinem Leserkommentar zu: „Wenn ich im Onlinehandel tätig bin und mein Geschäft machen will, dann muss ich mich vorab mit den Gesetzen auseinandersetzen und wissen, was ich darf oder nicht. Abmahnungen sind nichts schönes, das ist klar, aber ohne diese ginge es bei einer Großzahl der Händler hinter dem Frontend zu wie bei Hempels unterm Sofa. [...]“

Ganz anderer Meinung bin ich hingegen beim Missbrauch von Abmahnungen, die zum Teil allein der Generierung von Gebühren dienen. Wer eine Marke eintragen lässt, nur um später andere abmahnen zu können, der muss wirklich ganz schön wenig Freude im Leben haben. Ein gegenseitiger fairer Umgang untereinander sollte doch wohl möglich sein und damit allen die Chance eröffnen, Fehler schnell und ohne kostenpflichtige Abmahnung beseitigen zu können. Warum nimmt man nicht mal den Telefonhöhrer in die Hand und sagt dem Kollegen, was einem auf der Seele brennt? Dazu braucht doch keiner einen Anwalt.

Nach unserer Umfrage haben nahezu alle Teilnehmer (99 %) bestätigt, dass sie einen vorherigen Hinweis auf rechtliche Fehler im Online-Shop oder auf der Website richtig finden, bevor eine kostenpflichtige Abmahnung ausgesprochen wird. Genauso viele Teilnehmer (99 %) würden sich ihren Mitbewerbern gegenüber ebenso verhalten und zunächst auf Rechtsfehler aufmerksam machen wollen, bevor sie selbst eine kostenpflichtige Abmahnung aussprechen. Auch die Händlerbund-Initiative FairCommerce widmet sich seit nunmehr einem Jahr der Grundeinstellung: Anruf statt Abmahnung. Also Herr Maas, wie sieht’s aus, können Sie da irgendwas machen...?

Wer Online-Shop sagt, muss auch Abmahnung sagen?

Massenabmahnungen, Unterlassungserklärung, Einstweilige Verfügung... Begriffe die den Online-Handel (leider) dominieren und noch vor der Eröffnung des ersten Shops um die Ohren fliegen. Kein anderes Thema hat dem E-Commerce so markant seinen Stempel aufgedrückt wie die Abmahnung und die schwarzen Schafe, die sich darum herum tummeln. 2015 haben 20 Prozent aller befragten Online-Händler in einer vom Händlerbund initiierten Studie eine Abmahnung erhalten.

Klar: Keiner hat es leicht im Leben. Während sich die stationären Kollegen mit Langfingern und langweiligen Ladenöffnungszeiten herumplagen müssen, habt ihr eben dieses Kreuz zu tragen. Das Wort zum Freitag: Liebe Online-Händler, bitte verzweifelt nicht! Ehrlich! Ich verstehe euch. Und eins noch: Make peace, not Abmahnung!

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