Bundesgerichtshof zu Abmahnungen

Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung

Veröffentlicht: 26.04.2019 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 26.04.2019
Schild Bundesgerichtshof

Hin und wieder erwecken manche Abmahnungen den Eindruck, dass hinter ihnen andere Motive stehen, als nur die Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes – gerade auch wirtschaftliche Beweggründe stehen nicht selten in Verdacht, eine wesentliche Rolle zu spielen. Stehen diese im Vordergrund einer Abmahnung, führt dies unter Umständen dazu, dass diese als rechtsmissbräuchlich betrachtet werden kann.

Der BGH hat nun in einem Fall entschieden (AZ.: I ZR 6/17), in welchem er zu so einem Schluss gekommen ist. Dabei hat das Gericht festgestellt, dass diese Rechtsmissbräuchlichkeit ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung der Unterlassungsvereinbarung sein kann, mit der sich Händler im Falle einer Abmahnung regelmäßig zu einer Vertragsstrafe verpflichten.

Mit der fehlenden CE-Kennzeichnung fing es an

Im Fall verkauft ein Händler über Ebay und einen Online-Shop Kopf- und Ohrhörer. Im Frühjahr 2014 mahnte er einen stationären Händler ab, der ebenfalls diese Waren verkauft – dabei aber gegen Pflichten des Elektrogesetzes in seiner damals gültigen Form verstößt und darüber hinaus die Produkte nicht mit der nötigen CE-Kennzeichnung versieht. Kaum zwei Wochen, nachdem der stationäre Händler die Unterlassungserklärung unterzeichnet hat, führte der Online-Händler mehrere Testkäufe durch, wobei er wieder auf die Verstöße trifft. Im Gerichtsverfahren macht er schließlich Ansprüche hinsichtlich der Vertragsstrafe aus der Unterlassungsvereinbarung geltend – immerhin 5.100 Euro je nicht ordnungsgemäß gekennzeichnetem Produkt führen laut Urteil zu einer Gesamtsumme von 35.700 Euro, die der Kläger geltend macht.

Noch vor der Verhandlung des Falls vor dem zuständigen Landgericht, kündigt der beklagte Händler die Unterlassungsvereinbarung außerordentlich, da die zugrunde liegende Abmahnung rechtsmissbräuchlich sei. Das Landgericht wies die Klage des Klägers ab, schließlich landete der Fall nach der ebenfalls erfolglosen Berufung beim Bundesgerichtshof.

Rechtsmissbrauch als Grund der außerordentlichen Kündigung

Bei einer solchen Unterlassungsvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag, genauer um ein Dauerschuldverhältnis. Solche können ganz grundsätzlich außerordentlich gekündigt werden, wenn es einen entsprechenden „wichtigen Grund“ dafür gibt. Unter der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen darf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist dabei nicht zugemutet werden können.

Gegen die Annahme, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung könne hier einen solchen wichtigen Grund darstellen, versuchte der Kläger sich zu wehren, blieb aber erfolglos. Unter den Umständen, die einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes ausmachen, „kann auch der Umstand, dass ein Unterwerfungsvertrag auf einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung beruht, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden“ heißt es dazu im Urteil des BGH.

Es kommt auf den Einzelfall an

Doch was genau war nun rechtsmissbräuchlich am Verhalten des klagenden Online-Händlers? Laut BGH kann von einem Missbrauch im Sinne des UWG ausgegangen werden, „wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind“. Im Urteil wird auch betont, dass die Annahme so eines Missbrauchs eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der Einzelfallumstände erfordere. Ein Anhaltspunkt könne sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehe, der Anspruchsberechtigte die die Belastung seines Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezwecke oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlange.

Das wirtschaftliche Verhältnis hat gefehlt

Auf die wirtschaftlichen Zustände auf Seiten des Klägers bezog man sich auch hier. Genannt werden mehrere Schuldbeträge, die dem Kläger anhingen, darunter einen sechsstelligen Schadensersatzsbetrag, den dieser auch anerkannt habe, sowie offene Honorarforderungen seiner Prozessbevollmächtigten und Schulden gegenüber seiner Lebensgefährtin und der Mutter seiner Tochter in jeweils fünfstelliger Höhe. Demgegenüber habe ein aber ebenfalls auch nur fünfstelliger zu erwartender Gewinn gestanden, ins Gewicht fallende Vermögensgegenstände hätten laut Urteil ebenfalls nicht festgestellt werden können – auch vor der Abmahnung habe sich der Kläger schon in eher schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen befunden. Zudem dränge sich die Vermutung auf, dass der Kläger mit den von ihm beauftragten Anwälten zusammengewirkt habe, um diesen eine Gebühreneinnahmequelle zu verschaffen – wobei es an dieser Stelle zu keinen verbindlichen Feststellungen gekommen ist.

Das Gericht ging dabei auch auf den rechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben ein, gegen den der Kläger verstoßen habe. „Im Streitfall hat der Kläger nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen seine umfassende Abmahntätigkeit allein zu dem Zweck, unter anderem Vertragsstrafeversprechen zu generieren, und angesichts seiner desolaten Vermögensverhältnisse in dem Bewusstsein betrieben, dass die Abgemahnten gegen ihn selbst im Falle eines Prozessgewinns keine Kostenerstattungsansprüche würden realisieren können“, so heißt es im Urteil.

Insgesamt hatten die vom klagenden Online-Händler vorgebrachten Argumente keinen Erfolg. Nicht irrelevant für den Ausgang des Prozesses sind dabei die zahlreichen zusammenkommenden Umstände des Einzelfalls. Sollte im Falle der eigenen Abmahnung der Verdacht aufkommen, es könnten möglicherweise Umstände vorliegen, die die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung der Unterlassungsvereinbarung rechtfertigen, ist eine umfängliche Prüfung durch einen Experten zu empfehlen.

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