Kraftwerk gegen Moses Pelham

Sampling verletzt nicht in jedem Fall das Urheberrecht

Veröffentlicht: 30.07.2019 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 08.08.2022
Musikwerk wird im Studio bearbeitet

Unter Sampling (aus dem englischen sample, zu deutsch: Auswahl) versteht man in der Musik die Neuverarbeitung eines bestehenden Musikstücks zu einem neuen Werk. Dabei wird aber nicht das komplette, bestehende Musikstück verwendet, sondern lediglich ein kleiner Ausschnitt.

Vor über 20 Jahren, im Jahr 1997, bediente sich der Komponist Moses Pelham im Rahmen eines Samplings des Songs „Metall auf Metall“ der Gruppe Kraftwerk. Eine Lizenz erwarb er dafür aber nicht. Pelham verarbeite zwei Sekunden des Original-Songs zu einem sogenannten Loop für den Song „Nur mir“, der von Sängerin Sabrina Setlur interpretiert wurde. Dafür wurde der Zwei-Sekunden-Schnipsel mit verlangsamter Geschwindigkeit fortlaufend wiederholt.

Kraftwerk sieht hierin eine Verletzung der Urheberrechte an „Metall auf Metall“. Dass das Thema Sampling aber juristisch gesehen nicht so einfach ist, zeigt die Dauer des Rechtsstreits: Ganze drei Mal hat sich allein der Bundesgerichtshof in den letzten 20 Jahren mit diesem Fall auseinandergesetzt. Nun wurde der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Klärung des Problems herangezogen. Und dieser hat – so die LTO – eine für Juristen doch sehr typische Antwort gegeben: Es kommt darauf an. 

Wiedererkennbarkeit ausschlaggebend

Der EuGH hat zunächst eine grundlegende Tatsache festgestellt: Bereits das Übernehmen kurzer Frequenzen aus einem Musikwerk ist eine Vervielfältigung und damit ein Eingriff in die Rechte des Urhebers. Das bedeutet: Sampling ist eine Vervielfältigung und damit nur erlaubt, wenn der Urheber zustimmt.

Allerdings sieht der EuGH hier auch eine Ausnahme: Durch die EU-Grundrechtscharta wird unter anderem die Kunstfreiheit garantiert und diese soll durch das Urheberrecht nicht eingeschränkt werden. Daher sieht der EuGH die Möglichkeit, kleine Stücke eines anderen Werkes zu verwenden, „um es in geänderter und beim Hören nicht wieder erkennbarer Form in ein neues Werk einzufügen“, wird das Gericht von der Tagesschau zitiert. Sampling ist damit mit dem EU-Recht vereinbar, solang der verwendete Musikschnipsel so bearbeitet ist, dass die ursprüngliche Herkunft nicht mehr erkennbar ist.

Ob Pelhams Werk diese Voraussetzungen erfüllt, muss jetzt ein nationales Gericht feststellen. Der EuGH hat lediglich die ihm gestellten, allgemeinen Fragen zur Rechtsanwendung beantwortet.

Deutsches Urheberrecht nicht mit Unionsrecht vereinbar

Der EuGH hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass die Vorschriften der EU samt Ausnahmen abschließend seien, so die LTO weiter. Daher seien andere, nationale Ausnahmen unzulässig.

Damit bekommt die Entscheidung einen bitteren Beigeschmack: Das deutsche Urheberrecht sieht nämlich in § 24 die sogenannte freie Benutzung vor. Das bedeutet, dass ein Künstler einen Teil oder das ganze Werk eines anderen ohne dessen Erlaubnis benutzen darf, wenn ein neues, selbstständiges Werk entsteht. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein Bildhauer ein Gemälde als Vorbild für eine Büste nimmt. Für Musikwerke gibt es aber eine Einschränkung: In Absatz zwei heißt es, dass die freie Benutzung von Musikstücken unzulässig ist, wenn eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird; das Sampling fällt aber regelmäßig nicht unter diese Einschränkung, da eben nicht einfach eine Tonfolge übernommen wird, sondern ein Teilstück stark bearbeitet wird. Allerdings streiten sich die Juristen trotzdem, inwieweit Sampling ein neues Werk schafft und damit unter die freie Verwendung fällt:

Der BGH (Urteil vom 13.12.2012, Aktenzeichen: I ZR 182/11) hat in einer seiner Entscheidung zum Fall Kraftwerk gegen Pelham festgestellt, dass Sampling als freie Verwendung nur zulässig sei, wenn es nicht anders ginge, der Künstler also nicht dazu in der Lage ist, die verwendete Tonspur selbst einzuspielen. Diese Entscheidung wurde allerdings vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 31.05.2016, Aktenzeichen: 1 BvR 1585/13) wieder aufgehoben: Der BGH habe die Kunstfreiheit nicht angemessen berücksichtigt.

Mit der Antwort aus Brüssel wird jetzt jedenfalls klar, dass Sampling nicht einfach unter die freie Verwendung des deutschen Urheberrechts fallen darf: Bei der freien Verwendung kommt es nämlich nicht darauf an, ob der verwendete Schnipsel identifizierbar ist oder nicht. Es kommt lediglich auf die Schaffung eines eigenständigen Werkes an. Der EuGH zieht hier aber eine Grenze: Sampling ohne die Nutzungserlaubnis des ursprünglichen Urhebers ist nur dann zulässig, wenn das verwendete Teilstück so bearbeitet ist, dass es eben nicht mehr identifizierbar ist. 

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