Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt

Dürfen deutsche Gerichte gegen ausländischen Marktplatz vorgehen?

Veröffentlicht: 16.01.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 16.01.2020
Kartons um Glas-Weltkugel auf Laptop

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main stritt sich ein Interessenverband des Handels mit E-Zigaretten mit der luxemburgischen Betreiberin eines Online-Marktplatzes (Urteil v. 07.11.2019, Aktenzeichen 6 U 61/19). Im Urteil geht es dabei im Wesentlichen um zwei Themen: Inhaltlich bemängelte der beantragende Verband, dass die Marktplatzbetreiberin es mehreren Händlern mit Sitz außerhalb Deutschlands ermöglichte, Tabakwaren ohne die notwendige Registrierung bei den zuständigen Behörden anzubieten. 

Daneben sollten sich die Richter aber auch mit der Frage beschäftigen müssen, ob sie den Fall denn überhaupt entscheiden dürfen: Laut der Marktplatzbetreiberin fehle nämlich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für diese möglichen, im Ausland veranlassten Wettbewerbsverstöße. 

Die Frankfurter Richter allerdings sehen bei der Zuständigkeit deutscher Gerichte kein Problem. Inhaltlich hatte der Verband dennoch keinen Erfolg. 

Händler benötigten keine 16 einzelnen Registrierungen

Im Urteil geht es um die angeblichen Verstöße gleich mehrerer Händler, die ihren Sitz allesamt außerhalb Deutschlands haben und teilweise in oder außerhalb der EU angesiedelt sind. Über den deutschen Marktplatz vertreiben sie E-Zigaretten und Zubehör. Diese unterliegen einer tabakrechtlichen Registrierungspflicht – das dient insbesondere dem Jugend- und Gesundheitsschutz. Die Händler waren zwar in einigen Bundesländern registriert, jedoch nicht in allen. Nach der Ansicht des Verbandes sei dies aber notwendig, immerhin würden die Verdampfer für elektronische Zigaretten auch bundesweit online angeboten. 

Die Richter widersprechen dieser Auffassung: So rede das Gesetz von der Registrierung bei „der zuständigen Behörde“. Dies lege nahe, dass die Registrierung in einem Bundesland auch Wirkung für für die anderen Länder habe. Zudem würden jedenfalls europäische Händler diskriminiert und die europäische Warenverkehrsfreiheit verletzt werden, müssten sie sich an die Behörden jedes einzelnen Bundeslandes wenden um sich registrieren zu lassen. Dieser Umfang sei für ausländische Unternehmen, auch angesichts von Sprachbarrieren, ungleich schwerer zu erledigen. 

Da die Händler insoweit ihrer Pflicht nachgekommen sind, hat auch die Marktplatzbetreiberin kein Problem: Sie hat den Handel nicht registrierter Unternehmen ermöglicht und hier deswegen auch nicht gegen wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten verstoßen. 

Deutsche Gerichte nicht zuständig? Doch!

Die Marktplatzbetreiberin hatte im Prozess außerdem angebracht, dass die deutschen Gerichte in dieser Sache womöglich gar nicht zuständig seien. Für internationale Streitigkeiten innerhalb der EU im Zivilbereich gibt es ein eigenes europäisches Verfahrensrecht. Dieses gibt einige Regeln vor, die bestimmen, vor welches Gericht man überhaupt ziehen darf. Das Ergebnis hängt von mehreren Faktoren ab, etwa den Wohnsitzen bzw. Unternehmenssitzen der Beteiligten oder auch von der Sache, um die es beim Streit geht.

In diesem Fall stand eine potentielle unerlaubte Handlung (Ermöglichung des Handels) auf dem Plan. Hat eine Person ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, kann diese in so einem Fall bei einem Gericht an dem Ort verklagt werden, an dem es zu dem schädigenden Ereignis gekommen ist. „Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. Indikator für die bestimmungsgemäße Auswirkung in Deutschland ist - wie hier - ein in deutscher Sprache gehaltener Internetauftritt“ heißt es dazu im Urteil. Nicht entscheidend hingegen sei der Ort, an dem der Handelnde seinen Webauftritt eingerichtet oder die Anzeige von Verkaufsangeboten ausgelöst habe – zusammengefasst also, wo hier die Marktplatzbetreiberin „seine Arbeit macht“. Damit konnten auch deutsche Gerichte für diesen Fall zuständig sein und ihn entscheiden. 

Einfacherer Weg zu gerichtlicher Klärung

Auch wenn sich der Marktplatzbetreiberin dem Urteil zu Folge nichts hat zu Schulden kommen lassen, ist diese Sache wegen der Stellungnahme zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte interessant. Oftmals stellt es für Betroffene eine große Hürde dar, wenn sie sich für die gerichtliche Verfolgung von Rechtsverletzungen wie Wettbewerbsverstößen an ausländische Gerichte wenden müssen. 

Das kann wie in diesem Fall auch große Marktplätze betreffen, die wie beispielsweise Ebay oder Amazon rechtlich außerhalb Deutschlands angesiedelt sind. So änderte Amazon etwa im Nachgang der Ermittlungen des Bundeskartellamts seine für Händler geltende Gerichtsstandsklausel und öffnete sich damit prinzipiell auch für Verfahren wegen vertraglicher Streitigkeiten in anderen Nationen. Auf unsere Anfrage, wie sich dieses Urteil auf Amazon auswirken könnte, hat sich das Unternehmen leider nicht geäußert.

Auch wenn der erste Leitsatz des Urteils lautet, dass deutsche Gerichte für einen im Ausland veranlassten Internetauftritt international zuständig sind,wenn dieser seine bestimmungsgemäße Auswirkung in Deutschland hat, sollte man in Streitfällen jedoch immer professionelle Hilfe heranziehen und den Fall individuell beurteilen lassen.

Kommentare  

#1 Julian 2020-01-17 08:03
Na dann könnte auf dieser Grundlage doch mal jemand bei Wish, Joom, Alibaba und Co. anklopfen, was deren Händler so alles auf den Deutschen Markt werfen...

Vorzugsweise eine Wettbewerbszent rale, die sich intensiv mit sowas befassen kann und auch die Mittel hat sich mit den "großen" zu streiten.
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