Urteile des Bundesverwaltungsgerichts

Ladenöffnung: Der Sonntag ist verfassungsrechtlich geschützt

Veröffentlicht: 23.06.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 06.07.2022
Schild Sonntag offen

An Sonn- und Feiertagen, da ruht die Arbeit. Dass das die Regel sein soll, teilt nun auch nochmal das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit. Dieses hatte kürzlich in zwei Fällen von Ladenöffnungen an diesen Tagen zu entscheiden, und bestärkt das seiner Ansicht nach verfassungsrechtlich gebotene Mindestniveau des Sonn- und Feiertagschutzes. 

Zwei Urteile, eines vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim und eines des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) in Münster, änderten die Richter auf Antrag der Gewerkschaft Verdi hin ab. Die Schwellen oder Hürden seien zu niedrig angesetzt worden. 

Die Ausnahme von der Regel bedarf guter Gründe

Ausnahmen von der Regel dürfen laut dem Bundesverwaltungsgericht vom Gesetzgeber nur dann zugelassen werden, wenn damit „aus zureichendem Sachgrund“ heraus die Wahrung gleich- oder höherrangiger Rechtsgüter gesichert wird. Diese Ausnahmen müssten auch für die Öffentlichkeit erkennbar sein. Mit etwas leichteren Worten: Soll es eine Ausnahme geben und sonn- und feiertäglich gearbeitet werden, braucht es schon gute Gründe für diese Abweichung von der Regel, auch hinsichtlich ihrer konkreten Ausprägung. Und dass es sich wirklich nur um eine Ausnahme handelt, soll auch für jeden klar sein. 

Einer der guten Gründe ist die Ladenöffnung im öffentlichen Interesse, also etwa im Zusammenhang mit lokalen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen. Hierfür müssen die Städte und Kommunen grundsätzlich aber seit einer Rechtsprechung im Jahr 2015 eine Prognose der Besucherzahlen durchführen: Festgestellt werden soll, wie viele Personen einerseits durch die jeweilige Veranstaltung angelockt werden, und wie viele andererseits auf die Ladenöffnung entfallen würden. Prägend soll die Veranstaltung sein, die Ladenöffnung quasi nur ein Anhängsel. Die beiden Gerichte, deren Urteile nun durch das Bundesverwaltungsgericht geändert wurden, waren von dieser „Prognoserechtsprechung“ abgewichen – sie überspanne den verfassungsrechtlich vorgegebenen Bogen. 

Sonntagsöffnung Fall 1: Die Herrenberger Herbstschau

Im ersten Fall ging es um eine Satzung der Großen Kreisstadt Herrenberg (BVerwG 8 CN 1.19). Diese hatte eine sonntägliche Öffnung von Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet zugelassen. Anlass war der Historische Handwerkermarkt und die Herrenberger Herbstschau in den Jahren 2017 und 2018. Der Verwaltungsgerichtshof hatte hier kein Problem gesehen: Die Öffnungen würden ja die seltene Ausnahme bleiben, und die anlassgebenden Veranstaltung seien auch kein bloßes Alibi. 

Bloß kein Alibi zu sein, das reiche für eine die Ausnahme begründende Veranstaltung laut dem BVerwG aber nicht aus. Zudem habe der VGH lediglich die zeitlichen Ausmaße beachtet, die räumlichen und gegenständlichen aber ausgelassen. Die Ladenöffnung erstreckte sich offenbar nämlich auch auf bis zu 6 km entfernte Teilorte und sämtliche Geschäfte.

Sonntagsöffnung Fall 2: Blaulichtmeile Mönchengladbach

Der Zweite Fall drehte sich um eine Rechtsverordnung der Stadt Mönchengladbach zur Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags anlässlich der Veranstaltung Blaulichtmeile – hier zeigen sich das THW und weitere Organisationen. Laut dem Oberverwaltungsgericht Münster hätte die Veranstaltung zwar ein ausreichendes Gewicht haben müssen, um die Ladenöffnung zu rechtfertigen; dabei beachtet es beispielsweise Charakter und Größe. Auf eine Prognose der Besucherzahlen hätte man aber – unter engen Voraussetzungen – verzichten können. 

In NRW gibt es eine Vermutungsregel. Mit dieser soll Städten und Kommunen der Nachweis erleichtert werden, dass die Ladenöffnung im Zusammenhang mit Veranstaltungen stattfindet. Wenn die Regel greift, kann auf die Prognose der Besucherzahlen verzichtet werden. Doch diese Regel, so das BVerwG, ist an enge Voraussetzungen geknüpft. Die Vermutung kann bei besonderen Umständen, etwa einer erheblichen Zahl von geöffneten Verkaufsstellen oder deren Fläche schnell widerlegt sein. Das sei hier, mit Bezug auf ein Einkaufszentrum, der Fall gewesen, sodass eine Prognose nötig gewesen wäre – zumal die Zahl der Besucher, die wegen der Ladenöffnung und nicht wegen der Blaulichtmeile gekommen wären, den deutlichen Großteil ausgemacht hätten.

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