Marktbeherrschende Stellung

BGH entscheidet im Eilverfahren: Facebook muss umfassendes Datensammeln vorerst stoppen

Veröffentlicht: 24.06.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 24.06.2020
Facebook, Messenger, Whatsapp, Instagram auf Smartphone

Facebook muss seine umfassende Sammlung von Daten vorerst stoppen. Der Bundesgerichtshof hat gestern eine Verbotsverfügung des Bundeskartellamts in einer Eilentscheidung bestätigt und eine Anordnung des OLG Düsseldorf aufgehoben. „Es bestehen weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch daran, dass Facebook diese marktbeherrschende Stellung mit den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausnutzt“, heißt es in der Pressemitteilung.

Den Nutzern des Netzwerkes werde durch die Nutzungsbedingungen keine Wahlmöglichkeit gelassen, wie ausgeprägt die Personalisierung sein soll: Sollen nur die Daten genutzt werden dürfen, die der Nutzer selbst auf facebook.com preisgibt, oder – und das behalten sich die Bedingungen vor – auch eine intensive Personalisierung mit einem grundsätzlich unbeschränkten Zugriff auf weitere Daten aus der Nutzung außerhalb Facebooks stattfindet.

Kartellamt sah Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung

Facebook verwendet zur Profilbildung auch personenbezogene Daten aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste wie z.B. Instagram oder Whatsapp, sowie auch aus sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers außerhalb von facebook.com. Das zumindest behalten sich die Nutzungsbedingungen der Plattform vor, denen jeder Nutzer zustimmen muss. In der Verwendung dieser Bedingungen sah das Bundeskartellamt einen Verstoß gegen das Verbot, eine marktbeherrschende Stellung auszunutzen.

Anfang 2019 untersagte die Behörde die Verwendung der Nutzungsbedingungen und die entsprechende Verarbeitung personenbezogener Daten. „Facebook darf seine Nutzer künftig nicht mehr zwingen, einer faktisch grenzenlosen Sammlung und Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten zu ihrem Nutzerkonto zuzustimmen“, hieß es damals von Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts.

Facebook legte Beschwerde zum OLG Düsseldorf ein. Dieses hat zwar bisher nicht entschieden, allerdings aber angeordnet, dass die Untersagung des Kartellamts nicht vollzogen werden werden kann, bis eine Entscheidung erfolgt ist. Diese Anordnung hat der BGH nun aufgehoben (Beschluss v. 23.06.2020, Az. KVR 69/19). 

Datenschutz und Kartellrecht 

Dabei geht es grundsätzlich zwar um Datenschutzaspekte, das Verfahren selbst aber ist kartellrechtlicher Natur. Ein Missbrauchsurteil setze voraus, so der BGH, dass nachteilige Wirkungen auf den betroffenen Märkten festgestellt werden könnten, als auch dass eine Abwägung aller beteiligten Interessen durchgeführt wird. 

Facebook sei auf zwei Märkten tätig: Einerseits können private Nutzer das Netzwerk zur eigenen Darstellung und zur sozialen Kommunikation nutzen. Andererseits ermöglicht es Unternehmen die Werbung im Netzwerk. Damit würde das Netzwerk auch finanziert werden, private Nutzer zahlen schließlich nicht, zumindest nicht mit Geld. Dadurch, dass das Nutzererlebnis personalisiert ist und Facebook auch verspricht, über die bloße Plattformfunktion hinaus Inhalte zur Verfügung zu stellen, gäbe es zwischen diesen beiden Aspekten aber fließende Übergänge. 

Der BGH meint, dass Nutzer durch die fehlende Wahlmöglichkeit in ihrer Autonomie und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt seien. Es ergebe sich aber auch eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer, weil diese wegen hoher Wechselhürden nicht einfach auf ein anderes Netzwerk ausweichen könnten. „Bei funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke wäre ein entsprechendes Angebot zu erwarten. Hierauf könnten Nutzer ausweichen, für die der Umfang der Datenpreisgabe ein wesentliches Entscheidungskriterium wäre“, heißt es in der Pressemitteilung.

Facebook muss sich erstmal an das Verbot halten

Schließlich seien die Nutzungsbedingungen geeignet, den Wettbewerb zu behindern – auch wenn sich die Marktstellung von Facebook in erster Linie aus einem direkten Netzwerkeffekt ergebe – mehr aktive Personen im Netzwerk bringen mehr Nutzen für private Nutzer und werbetreibende Unternehmen. Beim Zugang zu Daten handele es sich aber auch auf dem Markt sozialer Netzwerke um einen wichtigen Fakt für den Wettbewerb. Und auch eine Beeinträchtigung des Marktes für Online-Werbung lasse sich nicht ausschließen.

Entschieden ist der Fall damit aber noch nicht. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf steht noch aus. Dessen Anordnung, dass das Bundeskartellamt bis zur Entscheidung seine Untersagung nicht durchsetzen kann, ist damit aber aufgehoben – Facebook muss sich also zumindest bis zum Urteil an das Verbot halten. Innerhalb der nächsten vier Wochen soll der Konzern dem Bundeskartellamt Vorschläge machen, wie er diese Sache lösen will.

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