Urteil des LG München I

Amazon muss Guthaben von gesperrtem Händler-Konto freigeben

Veröffentlicht: 03.12.2020 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 04.12.2020
Amazon-Schriftzug

Zwischen Amazon und seinen deutschen Marktplatz-Händlern besteht manchmal eine Art Hassliebe: Viele Händler machen auf Amazon große Umsätze, müssen sich aber den – nicht immer nachvollziehbaren – Regeln des E-Commerce-Riesen unterwerfen – etwa bei Sperrungen des jeweiligen Seller Accounts. 

Jetzt hat das Landgericht München I in einem Urteil (Az: 31 O 17559/19) die Rechte von Amazon-Händlern gegenüber dem Marktplatz-Anbieter gestärkt, wie Internet World berichtet. Amazon darf demnach Guthaben eines gesperrten Händler-Kontos nicht einfach einbehalten.

Der Fall: Ein Amazon-Händler hatte seit 2017 über verschiedene europäische Amazon-Marktplätze Microsoft-Software verkauft. Wegen des Vorwurfs gefälschter Produkte wurde der Händler mehrfach gesperrt, im Jahr 2019 wurde der Account dann endgültig dichtgemacht, das damals bestehende Guthaben von rund 22.000 Euro behielt Amazon ein. Daraufhin verklagte der betroffene Online-Händler den E-Commerce-Riesen wegen der Zurückhaltung des Geldes. 

Amazon muss Geld an Marktplatz-Händler auszahlen

Das Landgericht München I urteilte nun, dass Amazon die aufgelaufenen Verkaufserlöse des Marktplatz-Händlers nicht zurückhalten darf und auszahlen muss. „Unter keinen Umständen war eine Fallkonstellation denkbar, in der Amazon für den Verkauf der Waren in Anspruch genommen werden kann. Deshalb gab es auch keinen Anlass, die aufgelaufenen Kundengelder zurückzuhalten“, argumentierte der Rechtsanwalt des klagenden Händlers. Der Anwalt hatte Amazon wegen des Verdachtes auf Veruntreuung von Kundengeldern zu Beginn des Verfahrens sogar bei der Staatsanwaltschaft in München angezeigt – dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt, das Verfahren sei rein zivilrechtlich zu betrachten. „Nach vorsichtigen Schätzungen summieren sich die von Amazon unberechtigt zurückgehaltenen Kundengelder allein in Deutschland auf einen zweistelligen Millionenbetrag“, erklärte der Jurist und sieht in dem Fall zukunftsweisendes Potenzial. „Jetzt liegt ein zivilrechtliches Urteil vor. Wenn Amazon jetzt seine Praxis des Einfrierens von Kundengeldern nicht ändert, dann ist das für mich eindeutig Veruntreuung.“

Das Problem der gesperrten Händler-Konten und -Guthaben bei Amazon taucht immer wieder auf. Auch die ITB Rechtsanwaltsgesellschaft konnte jüngst einen ähnlichen Fall gegen Amazon gewinnen. (Landgericht München I, Beschluss vom 01.09.2020, Aktenzeichen: 1 HK O 11278/20). 

Das können Online-Händler gegen Sperrungen von Amazon tun

Für Amazon-Händler, die von einer Sanktion oder gar einer Sperrung ihres Kontos betroffen sind, hat die OHN-Rechtsexpertin Yvonne Bachmann einige Tipps zusammengestellt.

  • Im ersten Schritt sollte der betroffene Amazon-Händler den Gründen nachgehen. Für eine Deaktivierung des Verkäuferkontos durch Amazon gibt es zahlreiche Gründe. Meist handelt es sich um einen Verdacht auf Verstoß gegen die Amazon-Richtlinien oder mangelhafte Verkäufer-Metriken. Die häufigsten Gründe für eine Stilllegung des Kontos sind auch der Verdacht auf mehrere Konten, ungenügende Kundenzufriedenheitswerte, Markenrechts- oder Urheberrechtsverstöße oder der Verkauf unzulässiger Ware.
  • Sieht der Händler den Sachverhalt anders oder kann die Sperrung wegen mangelnder Begründung nicht nachvollziehen, so muss auch aufgrund der neuen P2B-Verordnung die Sperrung durch ein Beschwerdeverfahren auf der Plattform angefechtet werden können. Dieses Mittel ist aber derzeit noch nicht ausreichend ausgebaut.
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