Fragwürdige Praktiken

Rechtsmissbrauch durch den Ido: Das sagen die Gerichte

Veröffentlicht: 10.12.2020 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 16.12.2020
Geschäftsmann klettert Leiter hoch. Diese wird von einem anderen Geschäftsmann umgestoßen.

Der Ido Verband macht Online-Händlern das Leben schwer. Oft sind es die kleinen, aber leicht zu entdeckenden Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, die massenhaft mit Abmahnungen abgestraft werden. Aufgrund der massenhaften Abmahnungen muss sich der Ido daher oft den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs gefallen lassen. Dass der gar nicht weit hergeholt ist, zeigen drei Urteile aus dem Jahr 2020.

Verschonen der eigenen Mitglieder

„Wenn du mit dem Finger auf andere Leute zeigst, zeigen zwei auf dich zurück“

Der Ido bezieht seine Legitimation daraus, für seine Mitglieder faire Verhältnisse zu erstreiten. Allerdings wirkt das nicht sonderlich glaubwürdig, wenn ein Verband, der für fairen Wettbewerb stehen will, bei seinen Mitgliedern zwei Augen zudrückt.

In dem Verfahren, welches schon Ende 2019 stattfand, aber erst 2020 veröffentlicht wurde, warf der abgemahnte Händler dem Verband vor, seine eigenen Mitglieder zu verschonen und hatte damit auch Erfolg. Dem Verband gelang es nicht, auch nur einen Fall zu belegen, in dem es gegen die eigenen Mitglieder vorging. 

„Der [IDO-Verband] hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein gerichtliches Verfahren benennen können, dass ein Unterlassungsanspruch gegen ein Mitglied betraf. (…) Im Ergebnis stellt sich die Vorgehensweise des [IDO-Verbands] als Missbrauch unter Würdigung der Begleitumstände des vorprozessualen und prozessualen Vorgehens (…) dar“, stellte das Gericht fest (LG Heilbronn, Urteil vom 20.12.2019, Aktenzeichen: 21 O 38/19 KfH).

Normalerweise können sich abgemahnte Händler nicht damit retten, dass der Gegner ebenfalls gegen das Wettbewerbsrecht verstößt (sogenannter Einwand der Unclean Hands). Immerhin wird das eigene Verhalten nicht plötzlich dadurch rechtmäßig, dass der andere es falsch macht. In diesem speziellen Fall hatte der abgemahnte Händler aber Erfolg, da es sich bei dem Gegner eben nicht um einen einzelnen Mitbewerber, sondern um einen Verband handelt, der sich bestimmte Werte auf die Fahne geschrieben hat.

Das Urteil des Landgerichts ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Laut der Kanzlei Schmid & Stillner liegt die Akte zur Zeit beim Oberlandesgericht Stuttgart. Dieses hat den Ido darauf hingewiesen, dass die eigenen Ausführungen zur Vereinsstruktur nicht ausreichend sind. Das Gericht hat den Verband zuletzt dazu aufgefordert, umfangreiche Informationen zusammenzustellen. Dazu gehört eine genaue Aufstellung nach aktiven und passiven Mitgliedern, die Anzahl der abgemahnten Unternehmen, die Offenlegung der Finanzen und Mitarbeiterstruktur.

Überhöhte Streitwerte bei Klein(st)unternehmern

„Wer mit Kanonen auf Spatzen schießt…“

Im September stellte ein Gericht (LG Bonn, Urteil vom 29.09.2020, Aktenzeichen 11 O 44/19) fest, dass der Ido Verband großen Druck auf kleine Unternehmen ausübt und dieses Verhalten für einen Rechtsmissbrauch spricht. Grundlage dieser Einschätzung sind die oft hohen Streitwerte, die der Ido ansetzt, wenn es vor Gericht gehen soll. Im konkreten Fall handelte es sich um einen Schusselfehler bei einer DaWanda-Händlerin, der ein Produkt mit einem Preis von 59 Euro betraf. Der vom Ido angesetzte Streitwert lag bei 10.000 Euro. Das hätte Anwalts- und Gerichtskosten von etwa 4.000 Euro ausgelöst.

Das Gericht stellte fest, dass der Verband gerade Klein- und Kleinstunternehmen durch so hohe Streitwerte unter Druck setzt und davon abhält, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, sich zu wehren. Immerhin sind die Kosten für die außergerichtliche Abmahnung mit etwa 230 Euro vergleichsweise gering. 

Mitglieder nur Mittel zum Zweck

„Wer A sagt, muss auch B sagen“

Rechtlich gesehen handelt es sich bei dem Ido um einen Verein. Ein Verein hat klassischerweise Mitglieder, die agieren, sogenannte aktive Mitglieder. Wer einen Verein prinzipiell unterstützen möchte, aber beispielsweise keine Zeit fürs Engagement hat, kann aber dennoch Mitglied werden und finanzielle Unterstützung leisten. In so einem Fall spricht man von passiver Mitgliedschaft. Passive Mitglieder haben keinerlei Mitbestimmungsrecht. 

Beim Ido ist es nun so, dass ein großer Teil der Mitglieder passiv sind. Wer aktives Mitglied wird, entscheidet der Verein. Allerdings konnte in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 20.3.2020, Aktenzeichen: 13 U 73 / 19) nicht belegt werden, wie viele aktive Mitglieder es eigentlich gibt. 

Für das Gericht wirkt das alles andere als seriös: Immerhin begründet der Verein seine Abmahnlegitimation eben auch durch die passiven Mitgliedschaften. Gemäß des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb kann ein Wirtschaftsverein nämlich nur dann einen Händler abmahnen, wenn dem Verein eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die als Mitbewerber eingeordnet werden können. „Insgesamt besteht für den Senat der Eindruck, dass der Vorstand den Kläger zu dem Zweck unterhält, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen zu generieren, und die zur Erlangung der Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendigen Mitglieder gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen werden, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden“, lautete daher die Feststellung des Gerichts.

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