Auge um Auge!?

Ido-Unterlassungserklärungen wegen Täuschung anfechtbar

Veröffentlicht: 07.06.2021 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 07.06.2021
Am Ende des Labyrinths wartet die Erkenntnis

In den meisten Fällen ist es gar nicht die Abmahnung selbst, die den Adressaten das Leben schwer macht. Im Falle einer Ido Abmahnung sind das gerade einmal Kosten von rund 230 Euro für die Abmahnung selbst. Abgesehen von den eigenen Rechtsanwaltskosten hat hingegen die unterzeichnete Unterlassungserklärung die langfristigen und einschneidenden Konsequenzen. 

Unterlassungserklärung zunächst verbindlich

Der Online-Händler, der einmal eine Unterlassungserklärung unterzeichnet hat, ist durch diese grundsätzlich sein ganzes Leben lang gebunden. Solange sich der zur Unterlassung verpflichtete Online-Händler an die Vorgaben der Unterlassungserklärung hält (beispielsweise einen Grundpreis zu nennen oder eine andere Kennzeichnungspflicht einzuhalten), muss er nichts befürchten. Begeht er aber in der Folge denselben Fehler wieder, droht die Zahlung einer (sehr hohen) Vertragsstrafe. Im Falle des Ido Verbandes war dies auch keine leere Drohung, denn die Vertragsstrafe, meist dreitausend oder viertausend Euro pro Verstoß, wurde auch konsequent eingefordert.

Für alle, die von einer Ido Abmahnung betroffen sind, könnte jedoch neue Hoffnung aufkeimen. Zwar ist es so, dass eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung wirksam ist. Dies gilt auch für Fälle, in denen sich die ursprüngliche Abmahnung im Nachhinein als rechtsmissbräuchlich herausstellt. Auch diese Unterlassungserklärungen werden nicht automatisch hinfällig, sondern bestehen weiter fort, wenn sie nicht gekündigt werden.

Kündigung einer Unterlassungserklärung wegen Rechtsmissbrauchs möglich

Hier hat das Gesetz aber zu Recht einen Ausweg vorgesehen, denn zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Unterlassungserklärung steht meist noch gar nicht fest, ob die Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist. Viele Fälle von Rechtsmissbrauch kommen erst später ans Tageslicht, beziehungsweise werden erst viele Monate oder Jahre später von Gerichten als verbindlich rechtsmissbräuchlich eingestuft. So geschehen auch bei den Ido-Abmahnungen, wo erst im letzten Jahr offiziell verstärkt durch Gerichte angezweifelt wurde, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugehe. Dass dies hinter vorgehaltener Hand schon von Beginn der Abmahntätigkeit an vermutet wurde, steht außer Frage.

Ido Verband weiß, „wer zu seinen Mitglieder gehört und wer nicht”

Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Potsdam bestätigte erst vor wenigen Wochen, dass demnach auch die entsprechende Unterlassungserklärung wegen arglistiger Täuschung angefochten und wegen Rechtsmissbrauchs aufgekündigt werden kann.

Aktuell wurden unserer Redaktion freundlicherweise durch die Kanzlei Lieb Rechtsanwälte zwei weitere Gerichtsentscheidungen zur Verfügung gestellt, die diese Auffassung teilen. Das Oberlandesgericht Nürnberg (Aktenzeichen 3 U 2026/20, Hinweisbeschluss vom 24.02.2021 sowie Beschluss vom 26.04.2021) fasst noch einmal zusammen, dass es an der erforderlichen Anzahl der Mitglieder (in dem Fall waren es Lebensmittelhändler) fehlte und der Ido Verband dies auch zum Zeitpunkt der Abmahnung wusste. Eine entsprechende Anzahl von potenziellen Konkurrenten ist aber die Grundvoraussetzung eines Abmahnverbandes, überhaupt abmahnen zu dürfen. Vielmehr sollte die lange Liste der Urteile, die jeder Ido-Abmahnung vorangestellt ist, darüber hinwegtäuschen, dass es zumindest in diesem Fall an den erforderlichen Mitgliedern fehlte. Eine bewusste Täuschung also.

Eigeninitiative macht sich bezahlt

Das Urteil war längst überfällig, wurde jedoch erst durch die Initiative des Händler angestoßen. Der Händler sei angesichts der vielen kritischen Berichte im Internet misstrauisch geworden. Schließlich telefonierte er selbst eine Reihe von Konkurrenten ab, die alle bestätigten, gerade nicht Mitglied beim Ido Verband zu sein. Wer also sollte dann zu den vielen vom Ido Verband vertretenen Mitgliedern gehören? Das konnte bis zum Ende des Verfahrens nicht belegt werden. Eine arglistige Täuschung. 

Wie jeder Vertrag, der durch eine Täuschung initiiert wurde, hat auch die Unterlassungserklärung dann keine Bestandskraft mehr und kann nachträglich aufgelöst werden. Mit diesem Beschluss, unseres Wissens erstmals ein obergerichtlicher, zieht sich die Schlinge um den Hals des Verbandes noch etwas enger. Er hat Signalwirkung für viele weitere Betroffene, die nun ebenfalls hellhörig werden könnten.

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