„Noch 3 Artikel vorhanden"

Online-Händler müssen Verfügbarkeit im Online-Shop in Echtzeit angeben

Veröffentlicht: 05.07.2021 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 05.07.2021
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„Nur noch wenige Artikel vorhanden“, „Dieser Artikel befindet sich im Warenkorb von XY Personen“ oder „Dieser Artikel wurde in den letzten 24 Stunden XY mal verkauft“ – allein diese Beispielsätze lösen bei vielen Online-Shoppern einen erhöhten Puls aus. Ist die Schrift dazu noch in einer Warnfarbe gehalten oder sonst optisch hervorgehoben, könnte der Kaufanreiz noch einmal verstärkt werden, egal wie hoch der Preis aktuell ist. „FOMO“ oder „fear of missing out“ nennt sich dieses Phänomen in der Werbepsychologie.

Durch eine Art Verknappung werden Kaufwillige angeregt, einen Kauf abzuschließen, bevor das Angebot ausläuft oder der Bestand aufgebraucht ist. Weil dies einen gewissen (Kauf-)Druck oder -zwang ausübt, ist dies rechtlich natürlich nur in Grenzen erlaubt. Unternehmen, die durch angeblich absichtliche Falschangaben bei Warenbeständen oder Verfügbarkeiten die Verbraucher unter Druck setzen und sie so zu schnellen und unüberlegten Käufen animieren, handeln natürlich unlauter.

Verfügbarkeitsanzeige kann zum Pulverfass werden

Prinzipiell spricht jedoch nichts gegen eine Verfügbarkeitsanzeige in Online-Shops, soweit sie denn den Tatsachen entspricht. Die Besucher eines Online-Shops der Beklagten, mögen sie (End-)Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sein, dürfen generell erwarten, dass im Shop angebotene und bestellbare Ware sofort verfügbar ist und umgehend versandt wird, jedenfalls aber innerhalb der im Shop angegebenen Zeitspanne. Andernfalls muss der Artikel als ausverkauft gekennzeichnet werden und darf für eine Bestellung nicht mehr auswählbar sein.

Weist ein Online-Shop zusätzlich auf eine konkret bezifferte Restmenge an Artikelexemplaren hin, egal, ob diese diese 1, 5 oder 6 beträgt, darf die Kundschaft in jedem Fall erwarten, dass durch ein Echtzeitsystem sichergestellt ist, dass im Zeitpunkt der Bestellung tatsächlich noch die angegebene Zahl an Exemplaren vorrätig und für die Lieferung verfügbar ist (Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 24.02.2021, Aktenzeichen: 2 U 13/20).

Verfügbarkeit muss mit jeder Bestellung vorsorglich reduziert werden

Nun ist es in der Praxis so, dass nicht jede Bestellung auch automatisch verbindlich ist und damit auch nicht notwendigerweise die Verfügbarkeit der Artikel reduziert wird. Diese Lücke, die zwischen einer Bestellung und einem tatsächlichen Vertragsschluss entstehen kann, berücksichtigt das Gericht und erläutert dazu: Die Kundschaft darf und wird erwarten, dass zwischenzeitliche Abverkäufe und Bestellungen quasi in Echtzeit berücksichtigt werden. 

Mündet eine solche Bestellung nicht in einen Vertragsschluss (beispielsweise weil der Händler die Bestellung mangels Bonität nicht annimmt oder zwischenzeitlich ein Abverkauf im Ladengeschäft erfolgte), so könnte das Echtzeitsystem die anlässlich der Bestellung zwischenzeitlich reduzierte Kontingentzahl entsprechend einfach wieder erhöhen. Weder rechtlich noch EDV-technisch sieht das Gericht an dieser Stelle Schwierigkeiten oder Hindernisse.

Kommentare  

#3 Dirk 2021-07-10 10:20
Über kurz oder lang werden die technischen und rechtlichen Anforderungen an Online-Händler derart hoch, herausfordernd und aufwändig sein, dass diese in vollem Umfang nur noch von großen Konzernen und finanzstarken Händlern erfüllt werden können.
Dies wird zu einer noch stärkeren Konzentration im Handel führen, was zu weniger Konkurrenz, einer Verringerung des Angebotes, weniger Alternativen und höheren Preisen führen wird.

Macht ruhig so weiter.
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#2 Karl Ranseier 2021-07-07 14:55
von Dropshipping hat von den Herren Jursiten noch niemand etwas gehört udn von Corona auch nicht, kann das sein? Die Forderungen sind absolut unumsetzbar. Grüße aus dem echten Leben!
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#1 Ralf Ternes 2021-07-07 14:43
Aha, wie sieht es dann bei uns aus. Wir produzieren auf Bestellung. Im Onlineshop, werden daher keine Bestände angezeigt, da ja unbegrenzt zur Verfügung steht. Allerdings ist auch nichts auf Lager. Wie sieht es bei Ebay aus. Bei Ebay muss ich irgendeine Zahl angeben. Diese kann nicht X beliebig hoch sein, da es bei ebay eine Artikelbegrenzu ng gibt. Diese liegt bei uns mittlerweile bei mehreren 100 Mio., wir haben allerdings aber auch weit über 200.000 Artikel. Theoretisch müsste bei uns unbegrenzt stehen. Ist aber bei Ebay nicht möglich. Andereseits haben wir nix auf Lager, müsste also 0 stehen. Unsere Produkte entstehen beim Kauf und gehen Taggleich oder am nächsten Werktag raus, sofern nichts anderes angegeben ist. Der Kunde merkt also Zeitlich davon nix, da es fasst so schnell wie Prime ist. Wie sieht es denn da rechtlich aus?
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Hallo Ralf Ternes,

da sieht der Fall natürlich anders aus. Zunächst: Sie müssen gar keine Bestände angeben. Dazu gibt es keine Pflicht. Möchten Sie dies tun, könnten Sie von der Situation ausgehen, welche Artikel Sie theoretisch produzieren können und dies entsprechend anzugeben. Angenommen, Sie haben eine Lieferzeit von x Tagen: wieviele Artikel können Sie in dieser Zeit herstellen?

Letztendlich sind Sie jedoch nicht von dieser Rechtsprechung betroffen, denn es geht vielmehr darum, künstlichen Druck durch falsche Angaben zu erzeugen.

Beste Grüße
Die Redaktion
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