Bundesarbeitsgericht zu Gebot fairen Verhandelns

Aufhebungsvertrag ohne Bedenkzeit und Rechtsrat wirksam?

Veröffentlicht: 04.03.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 16.03.2022
Person mit Kugelschreiber über Vertrag

Oft werden Arbeitsverhältnisse nicht durch eine Kündigung, sondern durch einen Aufhebungsvertrag beendet. Hierbei besteht das Gebot des fairen Verhandelns. In einem aktuellen Fall hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Situation zu beschäftigen, dass eine Arbeitnehmerin den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geltend machte. Zuvor hatte sie einen solchen Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Ihre Behauptung: Für den Fall, dass sie den Vertrag nicht unterzeichne, sei ihr mit der Erklärung einer außerordentlichen Kündigung und der Erstattung einer Strafanzeige gedroht worden. 

Ihre Revision zum BAG (Urteil v. 24.02.2022, Az. 6 AZR 333/21) hatte aber keinen Erfolg, so das Gericht in seiner Pressemitteilung. 

Arbeitnehmerin habe versucht, höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln

Ende 2019 kam es zum Gespräch zwischen der Arbeitnehmerin, dem Geschäftsführer des Unternehmens und dessen Rechtsanwalt. Der Klägerin gegenüber, die als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigt war, wurde der Vorwurf erhoben, sie habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV des Unternehmens abgeändert, bzw. reduziert, um einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln.

Laut der Pressemitteilung des Gerichts unterzeichnete sie nach zehn Minuten, die die Beteiligten zusammen schweigend im Raum gesessen hatten, den vorbereiten Aufhebungsvertrag. Dieser sah eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, die weiteren Details des Gesprächsverlaufs seien jedoch streitig geblieben. 

Widerrechtliche Drohung durch Arbeitgeber?

Grundsätzlich sind geschlossene Verträge einzuhalten – auch dann, wenn sie im Rückblick nachteilig erscheinen. Will man sich lösen, so ist das, je nach Fall, nur in bestimmten Fällen möglich. Die klagende Arbeitnehmerin nun focht den Vertrag wegen widerrechtlicher Drohung an. Eine Willenserklärung, die unter widerrechtlicher Drohung und damit einhergehend einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit abgeben wird, kann grundsätzlich durch solch eine Anfechtung beseitigt werden.

Die Klägerin behauptete, dass ihr die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung und die Erstattung einer Strafanzeige für den Fall in Aussicht gestellt worden sei, dass sie den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichne. Ihrer Bitte nach einer längeren Bedenkzeit und der Möglichkeit, einen Rechtsrat einzuholen, habe man nicht entsprochen. Darin liege ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns. 

Bundesarbeitsgericht: Arbeitnehmerin nicht unfair behandelt

Vor dem zuständigen Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte die Klägerin damit keinen Erfolg. Grundsätzlich müsse ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns anhand der Gesamtumstände im Einzelfall entscheiden werden. Selbst wenn man den Gesprächsablauf zu ihren Gunsten unterstelle, würde es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung fehlen. Der Arbeitgeber hätte sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft erwägen dürfen. Das zuvor mit dem Fall befasste Landesarbeitsgericht sei zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass die beklagte Arbeitgeberin nicht unfair verhandelt habe, auch sei die Entscheidungsfreiheit der klagenden Arbeitnehmerin nicht dadurch verletzt worden, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag zu einer sofortigen Annahme unterbreitete und sie dadurch sofort entscheiden musste. 

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