Landgericht Kleve

„Klimaneutral“: Werbeaussage gegenüber Fachpublikum nicht irreführend

Veröffentlicht: 09.08.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 26.01.2023
CO2 auf Klebezettel an Baum

Nicht irreführend: Das Landgericht Kleve befasste sich kürzlich mit der Werbeaussage eines Herstellers von Fruchtgummi und Lakritz. In einer Fachzeitschrift für den Lebensmittelhandel warb dieser Hersteller für seine Produkte, mit der Aussage, dass seit 2021 alle Produkte klimaneutral produziert werden würden und verwendete dabei auch ein Logo. 

Der abmahnende und klagende Verband hielt die Aussage für irreführend. Dem schloss sich das Landgericht Kleve aber nicht an (Urteil v. 22.06.2022, Az. 8 O 44/21). 

Klimaneutral – Was meint diese Werbeaussage wohl?

Umwelt und Nachhaltigkeit spielen in der Werbung zurzeit eine große Rolle – Tendenz wohl steigend. Dabei sind die rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich mancher Werbeaussagen noch nicht so genau umrissen. Besonders die Möglichkeit einer Irreführung spielt eine Rolle, etwa weil die Aussage nicht durch Tatsachen gedeckt ist oder ihre Adressaten eine abweichende Vorstellung von der Sache haben. Im Hinblick auf die Werbung mit „Klimaneutral“ gibt es an dieser Stelle quasi einen Zankapfel: Verstehen die angesprochenen Verkehrskreise, die Adressaten der Werbung, darunter, dass der Herstellungsprozess des jeweiligen Produkts klimaneutral abläuft? Oder wird wohl angenommen, dass die Klimaneutralität auch „nur“ durch eine CO₂-Kompensation herbeigeführt sein könnte? Relevant ist das natürlich besonders dann, wenn ein Unternehmen diese Werbeaussage trifft, die beworbene Klimaneutralität aber eben nur (oder vielleicht auch in erster Linie) durch die Förderung von Klimaschutzprojekten erreicht. 

Ungefähr so war die Streitlage auch im Fall vor dem LG Kleve: Unstreitig lief der Herstellungsprozess der Zuckerwaren nicht CO₂-neutral ab, der Hersteller unterstützte aber Klimaschutzprojekte. Der klagende Verband hielt das für irreführend – wegen des Verständnisses der Aussage durch die angesprochenen Verbraucher, aber auch wegen des Verständnisses des Leserkreises der Zeitung, in der die Anzeige platziert war. Die Zeitung kann zwar auch von Verbrauchern abonniert werden, sie versteht sich aber als „Fach- und Wirtschaftsmedium der Konsumgüterbranche“. Dieser Punkt ist erstmal nicht unwichtig, schließlich kann das Verständnis in unterschiedlichen Verkehrskreisen durchaus ebenso unterschiedlich ausfallen. 

LG Kleve: Fachpublikum wurde nicht in die Irre geführt

Das beklagte Unternehmen sieht die Lage anders: Durch die Umstellung des gesamten Produktsortiments auf eine vegetarische Rezeptur habe der Verzicht auf tierische Gelatine den CO₂-Ausstoß um knapp 20 Prozent gesenkt, technische Systeme seien modernisiert, Fenster in Produktionsräumen und Werkstatt erneuert und die Beleuchtung auf LED umgestellt worden. Trotz allem könne die Herstellung von Fruchtgummi und Co. unter anderem wegen des Transports und der Verpackung nicht völlig CO₂-frei hergestellt werden. Durch die Förderung von Klimaschutzprojekten erfolge eine bilanzielle Kompensation des freigesetzten CO₂. Die Adressaten, ob nun Verbraucher oder die Leser der Zeitung, würden „klimaneutral“ als Hinweis auf eine bilanzielle Neutralität verstehen, und wissen, dass der Begriff nicht mit „emissionsfrei“ gleichzusetzen ist. 

 

Das Gericht hält die Auffassung, wie sie Verbraucher von der Werbeaussage haben könnten, wegen er Ausrichtung der Zeitung für die Beurteilung erstmal für irrelevant. Zwar richteten sich die Produkte selbst an Endkunden, im Streit aber gehe es um die Werbeanzeige, die sich angesichts der Ausrichtung der Zeitung an den Handel richte. Zudem erkennt es in der Werbeaussage auch keine unwahre Behauptung oder eine Täuschung. „…dem von der Werbung angesprochenen Fachpublikum ist bekannt, dass Klimaneutralität durch Kompensationen erfolgen kann. Klimaneutralität ist – worauf beide Parteien übereinstimmend hinweisen – zwischenzeitlich für Verbraucher ein wesentlicher Faktor bei Kaufentscheidungen geworden, sodass auch das Fachpublikum im Lebensmittelbereich mit Klimaneutralität wie auch dem Erreichen durch Kompensationen im beruflichen Alltag ständig konfrontiert ist.“ 

Auch eine Irreführung durch Verschweigen einer Tatsache sehen die Richter nicht, da gegenüber des Fachpublikums in diesem konkreten Fall keine Informationspflicht bestanden habe.

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