Landgericht Ravensburg

Darf die Polizei Fingerabdrücke verwenden, um das Handy zu entsperren?

Veröffentlicht: 13.03.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 13.03.2023
Fingerabdruck Scan auf Smartphone

Auf Smartphones und Laptops befinden sich in aller Regel diverse sensible Daten des Benutzers. Und ebenfalls in aller Regel tut der Benutzer gut daran, diese zu schützen, beispielsweise durch Passwort oder PIN. Häufig passiert dies allerdings auch durch biometrische Methoden, etwa eine Gesichtserkennung oder durch einen Fingerabdruck-Scan.

Für Ermittlungsbehörden beziehungsweise die Justiz können solche Sicherungsmethoden offenbar eine ganz dankbare Lösung darstellen – nicht nur wegen des umfangreichen Datenschatzes, den sie womöglich erhalten: Wo sie an eine PIN oder ein Passwort unter Umständen nur durch eine freiwillige Offenbarung durch den Betroffenen oder zeitaufwendige Forschung gelangen, kann man hier einfach auf die vorliegenden Fingerabdrücke zurückgreifen. Doch dürfen die das? Ja, sagt das Landgericht Ravensburg in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss v. 14.02.2023, Az. 2 Qs 9/23).

Verdacht der Anstiftung – Worum geht es im Fall überhaupt?

Hinter der Entscheidung steht ein Ermittlungsverfahren gegen den Eigentümer des Smartphones. Der nämlich steht unter Verdacht: Eine Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht im Raum, in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Handel und Erwerb. Im Rahmen der Ermittlungen wurde das Zimmer des Beschuldigten im Haus der Eltern durchsucht und hierbei das Mobiltelefon beschlagnahmt.

Das Amtsgericht Ravensburg bestätigte die Beschlagnahme und ordnete dann die Abnahme und Nutzung der Fingerabdrücke des Beschuldigten an, um damit dessen Mobiltelefon zu entsperren. Hierin sah der Beschuldigte eine Verletzung seiner Grundrechte und legte Beschwerde ein – zulässigerweise, allerdings ohne Erfolg. Das Landgericht Ravensburg hält das Handeln der Polizei für völlig in Ordnung. 

Fingerabdrücke – Bei Widerstand unter Zwang

Was Behörden im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen dürfen und was nicht, dazu bestehen natürlich Regeln. Immerhin kommt es in Verbindung mit den Ermittlungen mitunter zu massiven Eingriffen in die Rechte der Betroffenen, in diesem Fall etwa die verfassungsrechtlich garantierte Selbstbelastungsfreiheit oder das Recht auf ein faires Verfahren. Die Abnahme und Verwendung seiner Fingerabdrücke zum Zwecke der Entsperrung habe der Beschuldigte hier allerdings zu dulden, heißt es im Beschluss. Auch, wenn dies gegen seinen Willen oder unter der Einwirkung von unmittelbarem Zwang geschehe.

Als Grundlage dafür nennt der Beschluss § 81b Abs. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden. Das gilt natürlich nicht unbegrenzt, sondern nur soweit es für die Durchführung des Strafverfahrens oder für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. 

Vom Vergleich mit Tatortspuren zum Entsperren des Handys

Die Abnahme von Fingerabdrücken mag dem Wortlaut nach von der Vorschrift erfasst sein. Was aber ist mit deren Nutzung zum Zwecke des Entsperrens des Handys? Bereits aus praktischer Sicht ist das schließlich eine andere Maßnahme als das Nehmen von Fingerabdrücken selbst, auch hierfür bräuchte es womöglich eine (eigene) gesetzliche Grundlage. Das gilt übrigens auch für den dann folgenden Zugriff auf die im Handy gespeicherten Informationen selbst, es lässt sich eben nicht alles über den gleichen Kamm scheren. 

Bezüglich der Verwendung zum Entsperren des Handys stützt sich das LG Ravensburg nun auf die gleiche Regelung. Dass sich das vielleicht nicht von selbst versteht, könnte man aus der umfangreichen Begründung dieser Wahl schließen. „Bei dieser Maßnahme handelt es sich sicherlich nicht um den klassischen Fall, welcher dem Erlass des § 81b Abs. 1 StPO zugrunde lag“, heißt es im Beschluss. Festgestellte Fingerabdrücke mit Tatortspuren oder Abdrücken in einer Kartei zu vergleichen, um einen Tatnachweis zu führen, das sei, was der Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift vor Augen gehabt habe. Allerdings sei die Regelung „technikoffen“ formuliert, der Wortlaut des Gesetzes passe sich also quasi an den Stand der Technik an.

Ob man die Vorschrift als Rechtsgrundlage heranziehen kann, das entscheidet sich demnach nicht unbedingt an der konkreten Technik, sondern am Leitbild hinter der Regelung. In diesem Fall ist das die Verwendung äußerer körperlicher Merkmale zu Identifizierungs- oder Tatnachweiszwecken.

LG Ravensburg: Maßnahme war zulässig

Insofern lautet die Frage: Fällt die Nutzung der Fingerabdrücke zum Zwecke des Entsperrens des Mobiltelefons hierunter? Das LG Ravensburg meint: ja, im weitesten Sinne. „Die Identifizierungsfunktion wird hier im Unterschied zum klassischen Fall des § 81b StPO allerdings nicht unmittelbar zum Führen eines Tatnachweises verwendet, sondern als Zwischenziel zur Erlangung der für den Nachweis erforderlichen gespeicherten Daten“, heißt es im Beschluss.

Auch die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme sieht das Gericht als gegeben. Das Grundrecht auf informationelles Selbstbestimmung des Beschuldigten bleibe hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung zurück. Sie sei auch deswegen erforderlich, weil der Beschuldigte einen Entsperrungscode nicht freiwillig herausgab und etwaige Passwörter nicht auffindbar gewesen seien. 

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