OVG Münster

Keine Entschädigung für Unternehmen bei Mitarbeiterausfall durch Quarantäne

Veröffentlicht: 14.03.2023 | Geschrieben von: Hanna Hillnhütter | Letzte Aktualisierung: 14.03.2023
Mitarbeiter mit Maske

Wegen Quarantäneanordnungen mussten einige Betriebe im Jahr 2020 zeitweise schließen. So auch die Fleischproduktionsstätte des Tönnies-Konzerns. Hier hatte ein Corona-Ausbruch im Juni 2020 dazu geführt, dass sämtliche Mitarbeiter sich in Quarantäne begeben mussten. Die Arbeitnehmer, die für Tönnies arbeiteten, wurden durch verschiedene Subunternehmen im Fleischverarbeitungsbetrieb angestellt. 

Neben der Quarantäneanordnung gegenüber der Mitarbeiter wurde der Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung zeitweise geschlossen. Geld wurde den Mitarbeitern allerdings trotzdem ausgezahlt. Und um die Kosten für diese Gehaltszahlungen wurde nun vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gestritten, wie unter anderem LTO berichtete.

Wer muss für die Kosten aufkommen?

Die Unternehmen zahlten zunächst selbst seinen Mitarbeitern das Gehalt weiter, verlangte dann allerdings Entschädigung von den Landschaftsverbänden. 

Das Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass Beschäftigte, die aufgrund von Regelungen des Gesetzes einen Verdienstausfall haben, einen Anspruch auf Entschädigung haben. Diese Entschädigung soll allerdings vom Arbeitgeber ausgezahlt werden, welcher sich die Kosten im Nachhinein von der zuständigen Behörde zurückholen kann. Arbeitnehmer merken in der Regel also keinen Unterschied, ob das Geld, welches auf ihrem Konto landet, nun der Lohn ist, der ausgezahlt wird, oder eine Verdienstausfallentschädigung in gleicher Höhe, welcher der Arbeitgeber vorstreckt. 

Und so zahlten auch hier die Unternehmen ihren Mitarbeitern Geld mit der Absicht, dass es sich um eine Verdienstausfallentschädigung handelt, welche sie im Nachhinein von der zuständigen Behörde zurückerhalten. Die Anträge, die dann vor den Landschaftsverbänden gestellt wurden, wurden allerdings auf Anweisung des Landes NRW abgelehnt. 

Dagegen gingen die Unternehmen vor und bekamen in erster Instanz auch recht. 

Lohnzahlung oder Entschädigungszahlung?

Doch hier lag der Fall nach Ansicht des OVG anders als der Fall, den das Infektionsschutzgesetz vorsieht. Denn entscheidend ist die Tatsache, ob die Arbeitnehmer weiterhin einen Anspruch auf Arbeitslohn gegenüber den Arbeitgebern haben. Und in den Fällen, die das OVG hier entschied, bestand weiterhin ein Lohnanspruch. 

Denn hier kam der § 616 BGB zur Anwendung, der besagt, dass die Arbeitnehmer sehr wohl weiterhin einen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber hatten. Denn wer unverschuldet eine nicht erhebliche Zeit nicht zur Arbeit kommen kann, der verliert nicht seinen Anspruch auf den Arbeitslohn. Und da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Arbeitnehmer für den Umstand selbst verantwortlich waren, bestand hier weiterhin ein Lohnanspruch.

Der Verdienstausfall, von dem das Infektionsschutzgesetz spricht, liegt also gar nicht vor, da hier weiterhin ein Lohnanspruch bestand. 

Wofür dann die Regelung im Infektionsschutzgesetz?

Nicht nur der juristische Laie stellt sich dann allerdings die Frage: Wozu dann die Regeln im Infektionsschutzgesetz?

Der BGH hat bereits in den Siebzigerjahren festgestellt, dass die Regelung im Infektionsschutzgesetz subsidiär gegenüber den allgemeinen Regeln zur Lohnfortzahlung ist, wie LTO bereits 2020 berichtete.  Das bedeutet, dass das Infektionsschutzgesetz nur dann angewendet wird, wenn der Arbeitnehmer sonst keinen Anspruch auf Lohn hat. Das Gesetz soll also nicht den Arbeitgeber schützen, sondern den Arbeitnehmer. Und hier hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass der Arbeitnehmer bereits durch die allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts geschützt ist. Sprich: kein Verdienstausfall, also auch kein Anspruch auf Entschädigung. Das Unternehmen hat also keine Entschädigung vorgestreckt, sondern regulären Lohn ausgezahlt.  

Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig und das OVG hat bereits die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, da diese Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist. Immerhin sind noch rund 7.000 weitere Klagen mit ähnlichen Fällen vor den örtlichen Verwaltungsgerichten anhängig. 

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