Landesarbeitsgericht Nürnberg

Eher was für „flinke Frauenhände“: Entschädigung wegen diskriminierender Jobabsage

Veröffentlicht: 21.03.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 21.03.2023
Frau zeigt Stopp-Hand

Das Landesgericht Nürnberg hat einem männlichen Bewerber per Urteil kürzlich eine Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zugesprochen. Anlass dafür war die Ablehnung der Bewerbung des Mannes für eine Stelle an einer Digitaldruckmaschine: Diese hatte der potenzielle Arbeitgeber damit begründet, dass die Tätigkeit „eher etwas für flinke Frauenhände“ sei. Das ist eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, so die Entscheidung des Gerichts (Urteil v. 13.12.2022, Az. 7 Sa 168/22). 

Herstellung von Modellfahrzeugen erfordert Fingerfertigkeit 

Das beklagte Unternehmen widmet sich der Herstellung von Modellfahrzeugen und vertreibt Modelle von PKW, LKW und öffentlichen Verkehrsmitteln im Maßstab 1:87, bestehend aus 100 bis 150 Einzelteilen. Für die Stelle eines Bestückers für Digitaldruckmaschinen schrieb es eine Stelle bei der Bundesagentur für Arbeit aus, wohlgemerkt mit dem Zusatz „(m/w/d)“. Gefordert sei laut Stellenbeschreibung insbesondere Fingerfertigkeit bzw. Geschick, angesichts der sehr kleinen Teile, die teilweise mithilfe von Pinzetten positioniert werden müssten, kaum verwunderlich.

Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger – erfolglos. Noch am selben Tag sagte die Gesellschafterin und Prokuristin des Unternehmens per E-Mail ab. „Sehr geehrter Herr D…, vielen Dank für Ihre Bewerbungsunterlagen. Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sie für diese Stelle nicht in Frage kommen. Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute“, gibt das Urteil die Nachricht wieder. 

 Ungleichbehandlung: Bewerber klagt auf Entschädigung

Knapp eineinhalb Monate später machte der Kläger Entschädigungsansprüche in Höhe von mindestens drei Monatsgehältern geltend. Am Tag darauf wurde er dann zum Probearbeiten eingeladen, aus verschiedenen Gründen sei es dazu aber letztlich nicht gekommen. Wiederum wenig später teilte der Kläger mit, nun einen anderen Job angetreten zu haben. Dann erhob er Klage beim Arbeitsgericht Nürnberg, das die Beklagte letztlich zur Zahlung von 3.000 Euro verurteilte und die Klage im Übrigen abwies. Das Gericht wies in der Begründung darauf hin, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliege, und die Ungleichbehandlung auch nicht etwa wegen der Art der auszuübenden Behandlung oder deren Bedingungen zulässig sei. Gegen die Entscheidung ging das beklagte Unternehmen in Berufung. 

Gericht sieht kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Bewerbers

Hier machte das Unternehmen unter anderem eine falsche Beurteilung durch das Gericht geltend. Mit den „flinken Frauenhänden“ für die „kleinen, filigranen Teile“ sei es nämlich lediglich um die Größe der Hände gegangen. 

Erfolgreich war die Berufung für das Unternehmen allerdings nur teilweise, das Landesarbeitsgericht änderte lediglich die Höhe der Entschädigung auf 1,5 Monatsgehälter. Bezug nimmt das Urteil unter anderem auf den Einwand des Unternehmens, bei einer Internetrecherche auf Fotos des Mannes gestoßen zu sein, die seine großen Hände zeigten. „Daraus lässt sich jedoch nichts zur Fingerfertigkeit des Klägers ableiten“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Auch eine Rechtsmissbräuchlichkeit seitens des Klägers sah das LAG Nürnberg nicht gegeben, da es keine Anhaltspunkte dafür sah, dass sich der Mann nur in Hoffnung auf eine Absage bewarb. Einen Entschädigungsbetrag von 2.500 Euro hielt das Gericht für erforderlich, aber auch für ausreichend, um die notwendige abschreckende Wirkung bei der Beklagten zu erzielen. In der Abwägung führt das Urteil unter anderem die Tatsache an, dass der Kläger bereits selbst über den Fall auf den sozialen Medien berichtet habe. Damit habe er das aus seiner Sicht Gebotene getan, um die Beklagte davon abzuhalten, weitere Absagen ähnlich zu begründen.

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