Ist die Verweigerung der Annahme eine wirksame Widerrufserklärung?

Veröffentlicht: 25.01.2016 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 23.03.2016

Durch die von Verbrauchern häufig genutzte Möglichkeit der kommentarlosen Nichtannahme von Waren haben Online-Händler in der Praxis oft Schwierigkeiten, die Ware zuzuordnen. Insbesondere die Frage, ob ein Widerrufsrecht ausgeübt werden soll, ist für den Händler meist nur schwer einzuordnen. Stellt die Verweigerung der Annahme eine wirksame Widerrufserklärung dar?

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(Bildquelle Return to sender: igor.stevanovic via Shutterstock)

„Eindeutige Erklärung“ des Widerrufs

Bis 12.06.2014 galt: Der Widerruf muss keine Begründung enthalten, ist jedoch in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist gegenüber dem Unternehmer zu erklären. Gemäß der gesetzlichen Neuregelung der §§ 355 ff. BGB, die mit Wirkung vom 13.06.2014 gelten, erfolgt der Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer, aus der der Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen muss.

Durch die Neufassung des § 355 BGB hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass ein Widerruf alleine durch Rücksendung der Ware ohne entsprechende Widerrufserklärung nicht mehr zulässig ist. Entsprechendes gilt daher auch für die Verweigerung der Annahme der Ware. Diese gesetzliche Regelung hat nun das Amtsgericht Dieburg für die Praxis bestätigt (Urteil vom 04.11.2015, Az.: 20 C 218/15).

In diesem Fall hatte der Kunde allein durch die Nichtannahme noch keinen Widerruf erklärt. Der Vertrag besteht also weiterhin fort, soweit der Verbraucher keine anderweitige eindeutige Erklärung von sich gibt (z. B. E-Mail mit entsprechender Widerrufserklärung).

Beginn der Widerrufsfrist bei Annahmeverweigerung

Im Fall, den das Amtsgericht Dieburg entscheiden musste, lag also kein Widerruf vor. Wie sieht es in Fällen der Annahmeverweigerung mit der Widerrufsfrist aus? Wie lange hat der Kunde nach der Annahmeverweigerung noch Zeit, den Widerruf nachzuholen?

Die Theorie: Die Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss (z. B. auch bei Dienstleistungen und beim Kauf digitaler Inhalte). Abweichend davon beginnt die Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren an einen Verbraucher im Fernabsatz:

a) sobald der Verbraucher oder ein von Ihm benannter Dritter die Ware erhalten hat;.

b) wenn der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat und die Waren getrennt geliefert werden, sobald der Verbraucher oder ein von Ihm benannter Dritter die letzte Ware erhalten hat;

c) wenn die Ware in mehreren Teilsendungen oder Stücken (z. B. einzelne Lexikonbände) geliefert wird, sobald der Verbraucher oder ein von Ihm benannter Dritter die letzte Teilsendung oder das letzte Stück erhalten hat.

Im Fall des Amtsgerichts wurden 480 Dosen eines Erfrischungsgetränks bestellt. Diese wurden über ein Beförderungsunternehmen in insgesamt fünf Paketen an den Kunden ausgeliefert. Nachdem der Lieferant drei der fünf Pakete ausgeladen hatte, verweigerte der Kunde die Annahme der restlichen Pakete. Beginnt hier die Widerrufsfrist also nie zu laufen, da der letzte Teil der Lieferung nie abgegeben wurde?

Fristbeginn ab Erhalt der Ware

Welche der Alternativen des Fristbeginns (s. o.) für die Lieferung in fünf Paketen Anwendung findet, kann dahinstehen. Das Amtsgericht ist vielmehr der Auffassung, dass der Kunde bereits alle fünf Pakete im Sinne dieser Vorschrift erhalten hat und deshalb die Frage, ob es sich um eine oder mehrere Lieferungen handelte, ohne Belang ist. Die Widerrufsfrist hat für den Kunden mit der (Teil)Ablieferung begonnen – auch bezüglich der restlichen Pakete, die nicht angenommen wurden.

Unter Erhalt der Ware ist der "physische Empfang" bzw. der "physische Besitz" der Ware zu verstehen. Entscheidend soll demnach sein, ob der Verbraucher in der Lage ist, die Ware zu untersuchen. Dies folgt vor allem daraus, dass es alleine in seiner Entscheidung lag, ob er die Pakete behalten oder zurückschicken möchte. Insofern hatte er die Möglichkeit, über alle Pakete zu verfügen und den Inhalt zu überprüfen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kunde die zwei nicht angenommenen Pakete nicht gesehen hat.

Von diesem Begriffsverständnis geht auch die Muster-Widerrufsbelehrung aus, die der Online-Händler verwendete.

Widerrufsrecht nicht ins Maßlose hinauszögern

Würde jedoch bei einer Warenlieferung, die mittels mehrerer Pakete im Rahmen einer einheitlichen Sendung erfolgt, bei einer teilweisen Annahmeverweigerung die Widerrufsfrist mangels Erhalt dieser Ware nie zu laufen beginnen, so könnte der Verbraucher das gesetzliche Widerrufsrecht leer laufen lassen. Denn dann bestünde für ihn die Möglichkeit, bis zu einem Zeitpunkt von einem Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss den Vertrag zu widerrufen.

Dass kleinere Unternehmer in diesen Fällen rund ein Jahr mit dem Widerruf des Vertrages rechnen müssten, läuft gegen die Intentionen der gesetzlichen Neuregelung und überspannt den Verbraucherschutz.

Fazit

Ob die Annahme einer Warensendung eine ausreichende Widerrufserklärung darstellt, ist bereits mit dem Gesetzeswortlaut zu beantworten. Hier hat das Amtsgericht Dieburg nichts Überraschendes geurteilt.

Als erstes Gericht befasste sich das Amtsgericht jedoch mit dem Fristbeginn bei einer Annahmeverweigerung – mit einem für Händler wohlwollendem Ergebnis.

 

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