EuGH: Gerichtsstand bei grenzüberschreitenden Käufen

Veröffentlicht: 08.11.2013 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 09.10.2015

Online-Händler, die mit ihrer Webseite auch ausländische Verbraucher ansprechen, können im Ausland verklagt werden, wenn sie sich mit ihrer Webseite auch an Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten richten. Dies hat der Europäische Gerichtshof am 7.10.2013 entschieden.

Richterhammer auf der EU-Flagge

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) präzisiert mit einem aktuellen Urteil den Umfang des Verbraucherschutzes bei grenzüberschreitenden Käufen und äußert sich zum Gerichtsstand bei grenzüberschreitenden Käufen: Ein Verbraucher kann vor den inländischen Gerichten gegen einen ausländischen Gewerbetreibenden, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat, Klage erheben, wenn erwiesen ist, dass der Gewerbetreibende seine Tätigkeiten auf den Staat des Verbrauchers ausgerichtet hat, auch wenn das zum Ausrichten dieser Tätigkeiten eingesetzte Mittel nicht für den Vertragsschluss ursächlich war (Urteil des EuGH vom 17.10.2013, Az.: C-218/12).

Der Gerichtsstand

Grundsätzlich sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat.

Definition „Gerichtsstand“: Ein Gerichtsstand ist der Ort des zuständigen Gerichts.

In bestimmten Fällen kann jedoch bei den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats Klage erhoben werden. So hat bei Verbraucherverträgen der Verbraucher auch die Wahlmöglichkeit, die Klage bei dem Gericht seines Wohnsitzes zu erheben, wenn der Gewerbetreibende seine beruflichen oder gewerblichen Tätigkeiten im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausübt oder sie auf irgendeinem Wege (z. B. über das Internet) auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeiten fällt.

Der zugrundeliegende Fall

Ein französischer Gebrauchtwagenhändler unterhielt eine Internetseite, auf der französische Telefonnummern und eine deutsche Mobilfunknummer, jeweils mit internationaler Vorwahl, angegeben waren. Ein deutscher Kunde erfuhr über Bekannte (und nicht über diese Internetseite) von dem Unternehmen des Gebrauchtwagenhändlers und kaufte dort schließlich einen Gebrauchtwagen.

In der Folge machte der Kunde vor dem Amtsgericht seines Wohnsitzes Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Gebrauchtwagenhändler geltend. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Unzuständigkeit ab. Der Kunde habe den falschen Gerichtsstand gewählt.

Das Berufungsgericht konnte jedoch nicht klären, ob im vorliegenden Fall das zum Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel ? d.h. die Internetseite ? für den Vertragsschluss mit diesem Verbraucher kausal (d.h. ursächlich) sein müsse. Das Berufungsgericht legte diese Frage daher dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte in einem Rechtsstreit dem EuGH Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts vorlegen. Der EuGH entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit, sondern das nationale Gericht.

Kausalität nicht erforderlich

Der EuGH stellt zunächst fest, dass eine solche Kausalität nicht ausdrücklich verlangt wird, weil dadurch u.a. der Schutz der Verbraucher beeinträchtig werde. Entscheidend für den richtigen Gerichtsstand sei die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtete berufliche oder gewerbliche Tätigkeit.

Der EuGH antwortet deshalb, dass das zum Ausrichten der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel, d.h. eine Internetseite, nicht kausal sein muss für den Vertragsschluss mit diesem Verbraucher.

Indiz für Tätigwerden in Wohnsitzmitgliedstaat

Allerdings kann dieser Zusammenhang, dennoch ein Anhaltspunkt sein, der berücksichtigt werden muss, ob die Tätigkeit tatsächlich auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist und letztlich der Gerichtsstand in Deutschland liegt. Zu diesen Indizien gehören insbesondere die „Aufnahme von Fernkontakt“ und der „Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz“.

Das vorlegende Gericht muss nun unter Gesamtwürdigung der Umstände entscheiden, ob aufgrund des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Indizien die für die Verbraucher günstige besondere Zuständigkeit gegeben ist und der Gerichtsstand tatsächlich in Deutschland liegt.

Fazit

Nach Auffassung des EuGH ist der Gerichtsstand in Deutschland, wenn der Händler sein Unternehmen durch die Website auch auf Deutschland ausgerichtet hat, also ein Bezug zum Wohnsitzland des Verbrauchers vorhanden ist. Ausreichend kann schon die Angabe einer deutschen Handynummer sein. Das verbraucherfreundliche Urteil hat eine beträchtliche Wirkung für Online-Händler, die grenzüberschreitend Waren verkaufen.

Wie Online-Händler eine Ausrichtung des Online-Shops an eine bestimmte Kundengruppe vermeiden können (z.B. durch einen Hinweis auf der Webseite) wird wieder einmal die zukünftige Rechtsprechung zeigen müssen.

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