Apotheken sehen Rot: EuGH urteilt über Medikamentenpreise

Veröffentlicht: 20.10.2016 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 20.06.2017

Der Europäische Gerichtshof hat jüngst eine Entscheidung getroffen, die sich massiv auf die Geschäfte von deutschen Apotheken auswirken könnte. Durch das Urteil eröffnet sich ein Szenario, in dem preiswerte Anbieter aus dem Ausland den hiesigen Wettbewerb enorm verschärfen. Dieser Schritt könnte aktuelle Geschäftsmodelle ins Wanken bringen (Urteil in der Rechtssache C-148/15). Wir berichten. 

Medikamente
© VonaUA – shutterstock.com

Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt: „Die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verstößt gegen das Unionsrecht.“ Die bisherige preisliche Bindung stelle demzufolge „eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs“ dar, wie man in der Pressemitteilung des EuGH nachlesen kann. Heißt also, dass die entsprechende Preisbindung für ausländische Anbieter nicht bindend ist.

Medikamente: EuGH widerspricht dem Grund für Preisbindung

Eigentlich sollte die Preisbindung verschreibungspflichtiger Medikamente eine gleichmäßige Versorgung mit Medikamenten sicherstellen – sodass die Arzneien für die Kunden überall zu den gleichen Kosten erhältlich sind. Auch für Apotheken in kleineren Dörfern oder weniger bevölkerten Regionen war diese Regelung äußerst komfortabel, da sie sich auf diese Weise halten und mit der Konkurrenz mithalten konnten.

Doch laut EuGH wirkt sich die bisherige Regelung der Preisbindung negativ auf den Wettbewerb aus – und zwar mit Blick auf Anbieter aus dem Ausland: Für diese sei der Versandhandel „ein wichtigeres bzw. eventuell sogar das einzige Mittel“, um Zugang zum hiesigen Markt zu bekommen. Außerdem könne „der Preiswettbewerb für Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein als für traditionelle Apotheken, die besser in der Lage sind, Patienten durch Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen.“

Apotheken-Branche zeigt sich entsetzt

Grundsätzlich ist es natürlich zu befürworten, dass der grenzüberschreitende Online-Handel innerhalb der EU frei von Hürden und Wettbewerbsschranken ist. Dennoch befürchten viele Apotheken nun, dass Konkurrenten aus dem Ausland den Markt mit preiswerten Medikamenten fluten.

Auch in den Medien zeichnet sich ein Bild ab, das von Skepsis und Besorgnis geprägt ist: „Das Geschäftsmodell der Apotheken ist in Gefahr“, titelt das Handelsblatt und zitiert zugleich den Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Friedemann Schmidt: „Europas höchste Richter haben den eindeutigen Willen des deutschen Gesetzgebers ausgehebelt und die Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte negiert.“

Von „entsetzten“ Apothekern schreibt die Süddeutsche Zeitung. Die FAZ entwirft ein Szenario, das einen entsprechenden Online-Handel verbietet. So gäbe es bereits Stimmen von Apotheken und Politikern, die fordern, dass der Gesetzgeber den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland verbietet. Zu massiv könnten die Auswirkungen auf den hiesigen Handel mit Medikamenten sonst sein. Das Urteil hätte das Potenzial, die Zukunft und Existenz zahlreicher hiesiger Apotheken zu gefährden.

Anders sieht das der Europäische Gerichtshof. Es gäbe Hinweise, „dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde“, so das Urteil der Richter.

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.