Top oder Flop? Die 10 wichtigsten Amazon-Urteile

Veröffentlicht: 09.10.2017 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 08.05.2018

Dieser Weg wird kein leichter sein ... Dessen sollten sich alle Händler bewusst sein, die bei Amazon starten oder dort bleiben wollen. Für alle, die sich aktuell für den Verkauf bei Amazon entscheiden, haben wir in diesem Beitrag die zehn wichtigsten Urteile gesammelt, die für den Amazon-Handel unerlässlich sind.

Amazon
© Ink Drop / Shutterstock.com

1. Anhängen bei Amazon ist zulässig

Das Prinzip des Anhängens funktioniert wie folgt: Bieten mehrere Online-Händler einen identischen Artikel an, werden sie auf dieser Produktseite nacheinander gelistet. Das Anhängen an identische Artikel ist erlaubt und kann nicht abgemahnt werden. Es stellt auch keine Urheberrechtsverletzung dar, wenn sich Verkäufer an das bei Amazon eingestellte Produkt anhängen und somit das zuerst hochgeladene Produktfoto mit verwenden (Landgericht Köln, Urteil vom 13.02.2014, Az.: 14 O 184/13).

Die Voraussetzung der „Identität“ der Produkte ist aber dann nicht mehr gewährleistet, wenn der Anbieter eine eigene Marke eingetragen hat, unter der der anhängende Händler gerade nicht verkauft. Hier kann eine Marken- und Wettbewerbsverletzung vorliegen. Die Mitnutzung einer fremden ASIN-Nummer bei Amazon kann im Einzelfall eine Marken- und Wettbewerbsverletzung vorliegen (Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2014, Az.: 2 a O 277/13).

2. Mithaftung für angehangene Händler

Mit diesem System des Anhängens gehen jedoch auch Probleme einher. Getreu dem Motto: „Einer für alle, alle für einen“, löst das Anhängen jedoch aus, dass alle Händler für die gemeinsam genutzte Artikelbeschreibung haften. Für die auf Amazon angehangenen Kontrahenten muss man also mit einstehen. Marketplace-Händler, die bei Amazon-Marketplace Produkte zum Verkauf anbieten, trifft eine Überwachungs- und Prüfungspflicht auf mögliche Veränderungen der Produktbeschreibungen ihrer Angebote – auch wenn die Änderungen unbemerkt und von Dritten vorgenommen werden (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 03.03.2016, Az.: I ZR 140/14).

3. Mitverantwortung auch für Amazon’s Verstöße

Im eigenen Online-Shop hat der Händler zumindest innerhalb der Möglichkeiten der Shop-Software Einfluss auf die Darstellung, etwa der Artikelbeschreibungen oder des Bestellablaufs. Händler auf Amazon haben keine Möglichkeit, die technischen Gegebenheiten und Anzeigen zu ändern oder zu optimieren. Blendet Amazon (ohne das Wissen des Händlers) eigenmächtig wettbewerbswidrige Aussagen oder Funktionen ein und wird der Händler wegen falscher Angaben in seinem Angebot abgemahnt, kann er im Abmahnfall nicht auf Amazon verweisen. Online-Händler müssen für die seitens Amazon verursachten Wettbewerbsverstöße haften, auch wenn nicht sie selbst, sondern Amazon den Fehler verursacht hat (Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 23.09.2014, Az. 6 U 115/14).

4. Oder doch? Keine Mitverantwortung für Amazon’s Verstöße?

Ein Amazon-Marketplace-Händler haftet nicht für Rechtsverletzungen, die durch Amazon begangen werden, urteilte hingegen das Landgericht Arnsberg (Urteil vom 30.10.2014, Az.: I-8 O 121/14). Das Oberlandesgericht Hamm kam in der nächsten Instanz nicht mehr zu einer Entscheidung (Az.: I-4 U 154/14). Amazon-Händler haften für die rechtswidrigen Funktionen bei Amazon (betraf die Tell-a-Friend-Funktion). Ein Händler habe seine Verkaufsplattform sorgfältig auszuwählen und sei daher verantwortlich, wenn diese nicht rechtmäßig agiere. Dies gelte selbst dann, wenn keine Einflussmöglichkeit auf die Funktion besteht.

5. Amazon-Händler haben werktägliche Kontrollpflichten

Dass Amazon-Händler generell für ihre eigenen Angebote verantwortlich sind, ist klar. 2016 entschied der Bundesgerichtshof, dass auch die Veränderungen durch Dritte in den gemeinsam genutzten Artikelbeschreibungen (Anhängen) jedem einzelnen Händler zufällt (s. o.). Sie müssen daher prüfen und überwachen, ob rechtswidrige Inhalte vorhanden sind. Das Oberlandesgericht Köln legte nun fest, wie oft diese Kontrolle vorgenommen werden muss. Um einer Haftung zu entgehen, müssen die Angebote regelmäßig kontrolliert werden. Ein Händler, der seine Angebote, beispielsweise auf unrichtige UVPs, einmal pro Wochenarbeitstag (Montag bis Freitag) kontrolliert, tut sein Möglichstes.

6. Doppeltes Anlegen von Amazon-Artikeln kann abgemahnt werden

Für den größten Aufreger sorgte jedoch ein Urteil zum Anlegen von Artikeln bei Amazon. Die Rechtsprechung hatte immer wieder klar gemacht, dass alle angehangenen Händler bei Amazon für falsche Aussagen oder sonstige Rechtsverstöße ihrer Konkurrenten oder die Funktionen von Amazon mithaften müssen (s. o.). Es ist daher nur allzu verständlich, dass Händler nach Mitteln und Wegen suchen, einen eigenen Artikel anzulegen. Das doppelte Anlegen von Artikeln kann jedoch nach hinten losgehen. Durch diese „Manipulation“ werde der Kunde abgehalten, nach möglicherweise günstigeren Angeboten anderer Anbieter zu suchen (OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 20.10.2016, Az.: I-4 U 80/16, bestätigt durch Urteil vom 12.01.2017).

7. Kein Schadensersatz für negative Bewertung

Miserabler Service“ und “VORSICHT Nepperei! […]“. Beispiele für Negativbewertungen, die Online-Händler in der Vergangenheit erdulden mussten, ohne dass den Kunden Konsequenzen drohten. Doch ein Amazon-Händler wollte nicht kampflos aufgeben, der mit einer Negativbewertung zu einem Fliegengitter konfrontiert wurde. Er forderte Schadensersatz in fünfstelliger Höhe … und unterlag ebenfalls vor Gericht. Für Werturteile kann man keinen Schadensersatz verlangen, befanden die Richter. Die Klage wurde abgewiesen. Wogegen man sehr wohl vorgehen kann, zeigt unser Leitfaden für den Umgang mit unfairen Kundenbewertungen.

8. Auch Amazon ist nicht fehlerfrei

Für kleine und mittlere Online-Händler gehört die Angst vor einer Abmahnung zum täglichen Geschäft. Von den „Großen“ der Branche meint man, kaum von derartigen Problemen zu hören. Doch auch Internetriesen wie Amazon sind scheinbar vor einer Abmahnung nicht sicher. Herangetraut an den „Riesen“ hatte die Wettbewerbszentrale, die den Streit mangels Einsicht seitens Amazon vor dem Landgericht Köln austragen musste. Das Gericht hat dem Online-Händler Amazon verboten, Verbrauchern Textilerzeugnisse gewerblich anzubieten, ohne Angaben über die verwendeten Fasern zu machen (Urteil vom 06.11.2014, Az.: 31 O 512/13). Außerdem verstieß Amazon gegen die Pflicht zur Angabe eines Grundpreises.

9. OS-Link ist auch bei Amazon Pflicht

Über die sog. „OS-Plattform“ können sowohl Käufer als auch Verkäufer interaktiv Beschwerden einreichen. Um das System der Alternative zu herkömmlichen Gerichtsverfahren verstärkt publik zu machen, weisen Händler verpflichtend auf die OS-Plattform hin, wenn sie eine Webseite mit Verkaufsmöglichkeit unterhalten. Auch wenn die Diskussion immer wieder vor den Gerichten ausartete: Die Verpflichtung, einen Link zur OS-Plattform zu setzen, besteht auch für Angebote auf Internetplattformen wie Amazon. Eine Ausnahme für die einzelnen Angebote und Anbieter auf dem Online-Marktplatz gibt es nicht (OLG Hamm, Urteil vom 03.08.2017, Az.: 4 U 50/17). Amazon hat zumindest hier auf das Drängen der Händler reagiert und eine Funktion in die Shops integriert.

10. Auf dem Abmahnmonitor

Der Kampf bei Amazon wird immer härter. Immer noch machen Abmahnungen wegen des Anhängens bei Amazon den Hauptteil aus. Zunehmend wird jedoch folgende Maßnahme bei Amazon ergriffen: Konkurrenten werden gezielt bei Amazon angeschwärzt, um so eine Löschung von deren Artikeln oder gar eine Kontensperrung herbeizuführen. Diese provozierte Schlechterstellung in der internen Händlerbewertung bei Amazon kann und wird nun auch abgemahnt, wenn sich der Betroffene selbst nichts zuschulden kommen lassen hat.

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