EU-Kommission

Ist die Marktplatzhaftung rechtswidrig?

Veröffentlicht: 15.10.2019 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 15.10.2019
EU-Flaggen vor Kommission in Brüssel

Zu Jahresbeginn hat der deutsche Gesetzgeber die Marktplatzhaftung eingeführt. Die Anpassung, mit der Steuerausfälle in Milliardenhöhe begrenzt werden sollen, führt dazu, dass zahlreiche in- und ausländische Händler sogenannte Erfassungsbescheinigungen beantragen müssen. Andernfalls droht der Ausschluss vom Handel auf Online-Marktplätzen. 

Kurz nachdem am 1. Oktober 2019 der Stichtag für deutsche und europäische Händler zum Einreichen der Erfassungsbescheinigung war, meldet sich sich die Europäische Kommission zu Wort: Das Verfahren verstoße gegen EU-Recht.

Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug

Durch das neue Prinzip der Marktplatzhaftung müssen die Betreiber von Marktplätzen für fremde Steuerschulden einstehen – nämlich für die der Händler, die auf den Marktplätzen Umsätze erzielen. Aus der Affäre ziehen können sie sich allerdings insbesondere dann, wenn sie sich die ordnungsgemäße steuerliche Registrierung von Händlern bestätigen lassen – mithilfe der Erfassungsbescheinigungen. Hier aber sieht die EU-Kommission einer Pressemitteilung zufolge ein Problem: Die Maßnahme sei ineffizient und unverhältnismäßig, und behindere den freien Zugang von EU-Unternehmen zum deutschen Markt. 

Davon abgesehen gibt es außerdem gemeinsame Pläne der EU bzw. ihrer Mitgliedstaaten hinsichtlich der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug, was die Kommission in ihrer Mitteilung ebenfalls anbringt. Das Inkrafttreten dieses Vorhabens ist dabei für den 1. Januar 2021 geplant (wir berichteten).

Baldige Änderung eher fraglich

Über diese geplante Änderung ginge die nun geltende deutsche Regelung allerdings hinaus, was in Widerspruch zu den europäischen Vorschriften stehe und damit auch den Zielen der europäischen Strategie für den digitalen Binnenmarkt. 

Dass es hier wieder zu einer spontanen Änderung kommt und die Marktplatzhaftung in nächster Zeit aufgegeben wird, ist wohl aber nicht zu erwarten. Zwar solle Deutschland innerhalb der nächsten zwei Monate tätig werden. Tut es das nicht, droht allerdings erst einmal nur die Übermittlung einer „mit Gründen versehenen Stellungnahme“ durch die Kommission. Auch handelt es sich bei dieser Forderung um keinen Einzelfall: Nationale Gesetzgeber werden regelmäßig zu entsprechenden Änderungen aufgefordert – so umfasst die Pressemitteilung selbst ein ganzes Paket von Vertragsverletzungsentscheidungen.

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