Kolumne

Marktschreier und Geheimnishüter – Wenn der Umgang mit Daten zum Kraftakt wird

Veröffentlicht: 20.12.2019 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 20.12.2019
Frau, die durch ein Megafon spricht

Wir leben in einer Welt, in der Daten eine waschechte Währung sind. Nicht so gut wie Geld, sicherlich. Aber immerhin wertvoll genug, um damit kostenlose Dienste in Anspruch nehmen zu können – beispielsweise soziale Netzwerke oder kostenlose Streaming-Varianten, die uns dann wiederum mit passgenauer Werbung beglücken.

Die „Bezahlung mit Daten“ ist auch vollkommen in Ordnung – zumindest, wenn wir selbst darüber entscheiden können, WEM wir unsere Daten geben und unter welchen Konditionen die Daten WIE gespeichert und verarbeitet werden.

Das Problem ist aber, dass es viele Menschen gibt, die quasi null Bewusstsein für den Wert von Daten haben. In der digitalen Welt wurden in den vergangenen Jahren alle (juristischen und technischen) Hebel in Bewegung gesetzt, um die Daten der Kunden zu schützen. Die Umsetzung der neuen Datenschutzgrundverordnung und die teils horrenden Bußgelder sind der beste Beleg für diese Entwicklung. Verlassen wir die digitale Sphäre und wenden uns dem stationären Handel zu, kommt es mir allerdings so vor, als würde sich die ganze Welt an sensiblen Daten gütlich tun. 

Der stationäre Handel – ein Paradies für Neugierige Mithörer 

In verschiedensten Situationen habe ich erlebt, wie Daten in marktschreierischer Manier über Tresen und Flure, durch Räume und Mikrofone gebrüllt wurden. Hier einige Beispiele:

  • In einer Postfiliale habe ich erlebt, wie eine recht ungehaltene Angestellte einer älteren Kundin die eigenen Daten (inklusive Adresse und Telefonnummer) zum Abgleich förmlich entgegengeschrie.
  • In Wartezimmern wurde ich Zeuge zahlreicher Telefonate, in denen die Arzthelferinnen mit Patienten durchs Telefon über Krankheitsgeschichten redeten und dabei auch – hörbar für alle anwesenden Patienten – Namen und Telefonnummern abglichen.
  • In stationären Geschäften verschiedenster Art stand ich vor Kassen, an denen sich Angestellte aufgeregt über sensible Interna unterhielten oder über private Angelegenheiten anderer Mitarbeiter herzogen.
  • In großen Elektroketten ist es bei der Bestellungen von Produkten an Terminals üblich, eigene Daten wie Anschrift, Telefonnummer etc. anzugeben – auch in Anwesenheit anderer wartender Kunden.

Die Liste ließe sich an dieser Stelle beliebig fortsetzen. Und würde man das Bild mit der Daten-Währung wörtlich nehmen, wären all dies Situationen gewesen, in der Menschen das Geld anderer Menschen mit vollen Händen regnen ließen.

Wenn der Datenschutz zur Barriere wird

Für die Betroffenen können solche Situationen äußerst unangenehm sein. Zumindest, sofern sie Wert auf den Schutz ihrer Daten legen. Auf der anderen Seite habe ich es selbst erlebt, wie eine pedantische Auslegung des Datenschutzes zu ungerechtfertigten Hürden führte: Wenn beispielsweise direkte Angehörige in Krankenhäusern über Telefon keine Auskunft über den Gesundheitszustand von Patienten erhielten – obwohl sie selbst in einer Patientenverfügung als Berechtigte hinterlegt waren und einen Abgleich sensibler Daten hätten vornehmen wollen.

Für Aufsehen sorgte beispielsweise auch ein Fall aus der Logistik: So verweigerte eine Postangestellte in einem Paketshop vor einiger Zeit die Herausgabe eines Pakets, weil dieses an einen „Max“ adressiert war, auf dem Personalausweis des Kunden aber „Maximilian“ stand. 

Ähnlich kuriose Vorfälle gab es in Kindergärten und Schulen, in denen es zu kleinen Aufständen kam, weil es Streitigkeiten um die Anfertigung und Veröffentlichung von Gruppenfotos gab. Viele dieser Fälle basierten auf Unwissenheit der involvierten Personen oder auf Angst, etwas falsch zu machen. 

Ein Fazit lässt sich aus den gemachten Erfahrungen nur schwerlich ziehen. Aber sie zeigen eines ganz deutlich: Den Schutz sensibler Daten in den beruflichen Alltag zu integrieren ist in der Praxis häufig schwierig. Ein Patentrezept gibt es nicht, da der Umgang speziell auf die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden müsste. Die strikten Vorschriften sind in Kombination mit Kundenfreundlichkeit, Stress, der Anwesenheit anderer Verbraucher und dem fehlenden Wissen von Angestellten eine Gratwanderung – in einigen Fällen schier unmöglich umzusetzen. Hier heißt es: Die Mitarbeiter weiter schulen, ein Gespür für sensible Daten aufbauen und die Daumen drücken, dass niemand die ausgeplauderten Daten verwendet.

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