Kommentar zur Richtlinie Warenverkehr

Ware defekt: Gewährleistungsrecht wird für Händler nachteiliger

Veröffentlicht: 08.01.2021 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 21.11.2022
Kind und Elefant gemeinsam auf einer Wippe, wobei das Kind schwerer ist

Die EU-Richtlinie für den Warenverkehr regelt alle Verkäufe von Waren im Fernabsatz. Im Zuge der Modernisierungsbestrebungen wurde nun auch die Richtlinie in einigen Punkten angepasst. Die wichtigsten Punkte betreffen dabei das Gewährleistungsrecht. Nun hat die Bundesregierung den Entwurf veröffentlicht, mit dem die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird. Die neuen Spielregeln gelten zwar erst ab 2022. Allerdings steht schon jetzt fest: Es wird nicht leichter für die Online-Händler. 

Verlängerung der Beweislastumkehr

Neben dem Umstand, dass der bisher eher kurze Paragraph zum Sachmangel in Zukunft sehr lang und damit nicht unbedingt verständlicher wird, sticht eine neue Regelung sofort ins Auge: die zur Verlängerung der Beweislastumkehr.

Normalerweise muss derjenige, der einen Anspruch geltend machen möchte, auch beweisen, dass die Voraussetzungen für genau diesen Anspruch vorliegen. Kauft jemand bei Ebay beispielsweise ein gebrauchtes Spielzeug und will vom privaten Verkäufer eine Nacherfüllung fordern, so muss der Käufer beweisen, dass das Produkt mangelhaft ist, also zum Beispiel Gebrauchsspuren hat, die nicht beschrieben wurden und das dieser Mangel bereits bei Lieferung vorgelegen hat.

Anders sieht es aus, wenn der Verkäufer ein Unternehmen und der Käufer ein Verbraucher ist. Hier gilt die sogenannte Beweislastumkehr. Der Kunde muss zwar beweisen, dass das Produkt einen Mangel hat; dass dieser Mangel aber bereits dann vorlag, als der Paketbote das Produkt an den Empfänger übergeben hat, wird vermutet und muss eben nicht vom Verbraucher bewiesen werden. Der Händler kann lediglich versuchen, diese Vermutung zu widerlegen, indem er beweist, dass das Produkt erst nach Gefahrübergang mangelhaft wurde. Diese Beweislastumkehr gilt aktuell für die ersten sechs Monate nach dem Kauf und soll durch die Richtlinie auf ein ganzes Jahr ausgeweitet werden. Zeigt sich also künftig elf Monate nach dem Kauf ein Mangel, wird erst einmal vermutet, dass genau dieser Mangel bereits beim Kauf vorlag. Zum praktischen Problem könnte werden, dass es für Händler mit fortschreitendem zeitlichen Abstand zum Kauf nicht einfacher wird, den Gegenbeweis anzutreten.

Immerhin hätte es schlimmer kommen können: Ursprünglich hatte die EU eine zweijährige Beweislastumkehr angedacht. Die jetzige Ein-Jahres-Lösung ist ein Kompromiss der Mitgliedstaaten.

Verkürzung der Verjährung bei gebrauchter Ware

Erfreulich ist die kleine Kehrtwende, die die EU-Politik bei der Verjährung von Mängelansprüchen beim Verkauf gebrauchter Ware vollzieht: Bisher ist es so, dass die Händler die Haftung für Mängel auf ein Jahr begrenzen können; die Ansprüche aber nach zwei Jahren verjähren. Das kann zu der Situation kommen, dass ein Kunde nach 13 Monaten einen Mangel meldet und behauptet, dass dieser bereits einen Monat eher aufgetreten sei, um von den Gewährleistungsansprüchen zu profitieren. Künftig sollen sowohl die Haftung, als auch die Verjährung auf ein Jahr verkürzt werden dürfen. Das sorgt zumindest für mehr Klarheit in der Anwendung der Rechtsvorschrift.

Mehr Aufwand bei Garantien

Geben Online-Händler ein zusätzliches Garantieversprechen ab, müssen sie sich künftig auf mehr Aufwand einstellen. Eine neue Regelung sieht vor, dass die Garantieerklärung dem Kunden „spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Sache“ auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden muss. Das bedeutet, dass die Garantiebedingungen entweder vorab per E-Mail gesendet werden oder der Warensendung eben in Papierform beiliegen.

Bisher hat es ausgereicht, die Garantiebedingungen online zur Verfügung zu stellen. Zu Missverständnissen kann die Formulierung „spätestens“ führen. Immerhin gehört das pauschale Bewerben von Garantien ohne gleichzeitig die Bedingungen zu nennen zu den gern abgemahnten Themen. An der Pflicht, die Garantiebedingungen zu nennen, wenn mit so einer Leistung geworben wird, ändert sich auch nichts. Das Zurverfügungstellen der Garantieerklärung stellt eine zusätzliche Pflicht dar. Unklar ist der Sinn und Zweck. Immerhin dürfen Online-Händler den Kunden bei anderen Rechtstexten, wie beispielsweise den AGB, darauf verweisen, dass der Kunde diese selbst abspeichern kann um sie zu sichern (Sichtwort: Vertragstextspeicherung).

Eine vertane Chance: die Rügepflicht

Die EU-Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten eine Möglichkeit ein, auch Verbraucher mehr in die Pflicht zu nehmen. Die sogenannte Rügepflicht sieht vor, dass Verbraucher Mängel spätestens zwei Monaten nach deren Auftauchen beim Händler melden sollen. Leider handelt es sich dabei um eine freiwillige Regel, die in der nationalen Umsetzung Deutschlands nicht vorgesehen ist. Immer wieder beklagen Händler, dass Kunden teilweise Monate nach der Lieferung der Sache melden, dass diese nicht vollständig gewesen sei. Klar: So eine Mängelanzeige ist in der Realität wenig glaubhaft, allerdings muss sich der Händler dennoch damit auseinandersetzen. Die zweimonatige Rügepflicht hätte für die Vereinfachung genau solcher Situationen gesorgt. Der Online-Händler könnte solche Anfragen dann einfach als verfristet zurückgewiesen.   

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