Die Verbraucherschlichtungsstellen: Außergerichtliche Streitbeilegung steht kurz vor dem Inkrafttreten

Veröffentlicht: 25.11.2015 | Geschrieben von: Peggy Sachse | Letzte Aktualisierung: 04.12.2015

Verbraucher scheuen nicht selten bei Streitigkeiten mit Unternehmern den Weg vor das Gericht. Langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren halten Verbraucher davon ab, ihre Ansprüche geltend zu machen. Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten scheint der Unternehmer für den Verbraucher zudem unerreichbar. Hierfür wird es künftig gesetzlich anerkannte Verbraucherschlichtungsstellen geben.

Händeschütteln

(Bildquelle Einigung: Giovanni Cancemi via Shutterstock)

Die europäische Richtlinie vom 21.05.2013 über die alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (Alternative Dispute Resolution - ADR-Richtlinie) hat den Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgegeben, bis zum 9. Juli 2015 ein nationales Gesetz über die Errichtung von Verbraucherschlichtungsstellen zu erlassen. Ziel ist es, Verbrauchern eine wirksame Alternative zu Verfahren vor den Gerichten an die Hand zu gegeben.

Am 10.07.2015 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22.06.2015 geprüft und zahlreiche Änderungswünsche ausgearbeitet. Damit ist das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG) noch immer in der Diskussion und anders als in den meisten anderen EU-Ländern in Deutschland bislang noch nicht in Kraft getreten.

Die neuen Verbraucherschlichtungsstellen

Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz wird formal die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern durch gesetzlich anerkannte Verbraucherschlichtungsstellen regeln. Diese Verbraucherschlichtungsstellen können privat oder behördlich neu oder bereits schon vor Längerem aufgrund anderer Rechtsvorschriften errichtet worden sein.

Sofern eine Verbraucherschlichtungsstelle ihre Zuständigkeit nicht auf bestimmte Wirtschaftsbereiche, Vertragstypen oder Unternehmer beschränkt hat, führt sie laut den Vorgaben des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes die Bezeichnung „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle“. Durch einen Zusatz kann sich die „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle“ für Anträge von Verbrauchern nur aus bestimmten Ländern für zuständig erklären.

Wichtig ist dem Gesetzgeber, dass die Verbraucherschlichtungsstellen unabhängig agieren. Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz gibt daher vor, dass es sich bei den Verbraucherschlichtungsstellen nicht um Kundenbeschwerdestellen oder ähnliches handeln darf, welche nur von einem einzigen Unternehmer oder mit ihm verbundenen Unternehmen getragen, finanziert oder die nur im Auftrag dieses Unternehmers bzw. der mit ihm verbundenen Unternehmer tätig werden. Die Verfahren vor den Kundenbeschwerdestellen können jedoch einem Verfahren vor einer unabhängigen Verbraucherschlichtungsstelle vorausgehen.

Art der Streitigkeit

Es muss sich für die Schlichtung um eine privatrechtliche Streitigkeit handeln, an denen ein Verbraucher und ein Unternehmer als Antragsteller oder Antragsgegner beteiligt sind. Der Zuständigkeitsbereich der Verbraucherschlichtungsstellen wird grundsätzlich auf die Beilegung von Streitigkeiten über Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB begrenzt. Es handelt sich hierbei um Kauf- oder Dienstleistungsverträge, die zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen werden.

Der Begriff des Verbrauchers im Sinne des künftigen Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes erstreckt sich hierbei auch auf Personen, welche Kauf- oder Dienstleistungsverträge schließen, die einer unselbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Bei einem Vertrag, der teilweise unternehmerischen und teilweise privaten Zwecken dient, ist auf den überwiegenden Teil abzustellen.

Arbeitsvertragliche Streitigkeiten sind von der Möglichkeit der Schlichtung über die neu errichteten Verbraucherschlichtungsstellen nicht umfasst; ebenso schließt das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz folgendes aus:

  • Streitigkeiten aus Verträgen über nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,
  • Verträge über Gesundheitsdienstleistungen,
  • Verträge über die Weiter- und Hochschulbildung durch staatliche Einrichtungen sowie
  • Streitigkeiten, für deren Beilegung bereits Verbraucherschlichtungsstellen nach anderen Rechtsvorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet wurden.

Der Streitmittler

Das Schlichtungsverfahren wird durch einen oder mehrere Streitmittler geführt, die mit der außergerichtlichen Streitbeilegung betraut sind. Sie sind für die unparteiische und faire Verfahrensführung verantwortlich.

Der Streitmittler muss insbesondere über verbraucherrechtliche Kenntnisse verfügen. Er muss darüber hinaus das Fachwissen und die Fähigkeiten besitzen, die für die Beilegung von Streitigkeiten der Verbraucherschlichtungsstelle erforderlich sind.

Ebenso wie die ADR-Richtlinie schreibt damit das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz nicht vor, dass es sich bei den Streitmittlern um Volljuristen handeln muss. Vielmehr soll es sich anders als bei den Gerichten um Experten handeln, welche sich mit dieser Art von Streitigkeiten der Verbraucherschlichtungsstelle praktisch auskennen.

Das Verfahren

Das Verfahren wird durch einen Antrag des Verbrauchers in Textform eingeleitet. Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz legt fest, dass das Verfahren vom Streitmittler vorzeitig zu beenden ist, wenn der Antragssteller oder der Antragsgegner das Verfahren nicht durchführen will. Nur wenn jede Partei freiwillig an dem Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle teilnimmt, wird diese, so die Begründung des Gesetzesentwurfs, die einvernehmliche Lösung respektieren.

Das Schlichtungsverfahren wird durch einen Schlichtungsvorschlag des Streitmittlers enden. Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht, insbesondere am zwingenden Verbraucherschutzrecht, ausgerichtet sein. Dabei ist der Streitmittler nicht befugt, dem Verbraucher eine verbindliche Lösung aufzuerlegen oder das Recht des Verbrauchers auszuschließen, trotzdem später die Gerichte zur Entscheidung der Streitigkeit anzurufen.

Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz sieht neben einem Schlichtungsvorschlag auch die Möglichkeit vor, dass die Parteien sich anderweitig einigen und hierdurch das Verfahren endet. Das Verfahren soll spätestens nach 90 Tagen enden.

Gründe, aus denen das Verfahren vom Streitmittler abgelehnt wird

Der Streitmittler hat nach den Regelungen des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes die Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens von Anfang an abzulehnen, wenn

  1. die Streitigkeit nicht in den Zuständigkeitsbereich der Verbraucherschlichtungsstelle fällt,
  2. der streitige Anspruch nicht zuvor vom Verbraucher gegenüber dem Unternehmer geltend gemacht worden ist oder
  3. sich der Unternehmer hinsichtlich des vom Verbraucher geltend gemachten Anspruches nicht gemeldet hat, außer es sind seitdem mehr als zwei Monate vergangen.

Die Verbraucherschlichtungsstellen können in ihren eigenen Verfahrensordnungen weitere Gründe dafür vorsehen, dass der Streitmittler auch dann die Durchführung des Verfahrens ablehnen soll.

Kosten der Verbraucherschlichtungsstelle

Die Verbraucherschlichtungsstelle kann von dem Unternehmer ein angemessenes Entgelt verlangen. Diese Kosten legt nicht das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz fest, sondern können von den Verbraucherschlichtungsstellen selbst festgelegt werden.

Für Verbraucher sollen nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz gar keine Kosten entstehen. Es kann allenfalls eine geringe „Schutzgebühr“ vom Verbraucher erhoben werden. Eine Gebühr von maximal 30,00 Euro kann dem Verbraucher dann in Rechnung gestellt werden, wenn dieser die Verbraucherschlichtungsstelle missbräuchlich angerufen hat.

Fazit

Mit dem künftigen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz wird ein wirksames Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung geschaffen. Aber auch für Unternehmer besteht damit eine kostengünstige Möglichkeit der Einigung. Denn ausländische Verbraucher können Anträge auf Schlichtung bei den deutschen Verbraucherschlichtungsstellen einreichen, sodass der Unternehmer in Deutschland eine Einigung erzielen kann.

 

UPTDATE vom 04.12.2015

Gestern hat der Bundestag den Gesetzesentwurf mit einigen Änderungen beschlossen. Der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens und die wesentlichen Änderungen haben wir in unserem aktuellen Beitrag dargestellt.

Kommentare  

#1 schuchardt 2016-07-20 09:38
wie kommt es dass debitel mir durch tricks und bedtrug sieben handyverträge aufbuckeln kann?
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