Die Geoblocking-Verordnung mag viele Fragen aufwerfen, viele von ihnen lassen sich mit einem Sinnbild beantworten: Shop like a local – Shoppen wie ein Einheimischer. Denn genau das ist das Ziel der Geoblocking-Verordnung: Kunden sollen im Internet genauso einkaufen sollen, als seien sie vor Ort.
Man stelle sich mal vor: Man macht einen Trip nach Paris, um dort in einem Modegeschäft ein paar Schuhe zu kaufen. Am Empfang steht ein Mitarbeiter.
„Woher kommen Sie?”
„Aus Deutschland.”
„Ah, dann bringe ich Sie jetzt mal zu dem Geschäftsbereich mit den Angeboten für unsere deutschen Kunden.”
Der Kunde wird in einen anderen Teil des Geschäfts geführt. Dort befinden sich teilweise die gleichen Produkte zu anderen Preisen, teilweise aber auch ein völlig anderes Sortiment.
In einem anderen Geschäft möchte man nun noch eine Handtasche kaufen. Wieder wird man mit der gleichen Frage empfangen, die wahrheitsgemäß beantwortet wird. Diesmal lautet die Antwort wie folgt:
„Oh, aus Deutschland? Ja, das tut mir Leid, aber unser Service ist für Kunden aus Deutschland leider nicht verfügbar. Bitte verlassen Sie das Geschäft.”
Eine absurde Vorstellung? In der Tat. Allerdings passiert genau das im virtuellen Raum.
Im Netz passiert es nicht selten, dass der Besucher aufgrund seiner IP-Adresse an eine andere länderspezifische Version der Homepage weiter geleitet wird oder erst gar nicht auf den Dienst zugreifen kann.
Populär ist dabei der Fall um Disneyland Paris: Der französische Kunde kann auf der französischen Webseite von Disneyland Tickets günstiger erstehen, als der italienische Kunde. Dieser wird nämlich bei der Eingabe der französischen Internetadresse automatisch auf eine andere Version umgeleitet. Dort sind die Ticketpreise höher. Anders würde die Sache aussehen, wenn der Italiener die Tickets vor Ort erstehen würde: Aus welchem Grund sollte ein Ladenbetreiber nach der Herkunft seiner Kunden fragen? Richtig: Aus gar keinem. Er würde genauso behandelt werden, wie jeder andere französische Kunde auch.
Genau dieses Ziel verfolgt die Geoblocking-VO, die am 03.12.2018 in Kraft treten soll: Grenzenloses Online-Shopping, als wäre man vor Ort. Über den Sinn und Zweck der Verordnung, sowie den von ihr betroffenen Personenkreis berichteten wir bereits.
Das Verbot von Geoblocking bedeutet, dass jeder Einwohner der EU unabhängig von seinem Wohnsitz auf einen Webdienst zugreifen kann. Das heißt, dass beispielsweise eine automatische Weiterleitung bei der Eingabe einer „.de”-Domain auf eine „.fr”-Domain für den Kunden, der in Frankreich sitzt, in Zukunft unzulässig sein wird. Übertragen auf das „Shop like a local”-Bild bedeutet das:
Besucht ein portugiesischer Tourist einen Kuckucksuhren-Laden im Schwarzwald, darf er selbstverständlich eine Uhr erwerben. Er muss nur unter Umständen damit leben, dass er den Erklärungen des Verkäufers aufgrund der sprachlichen Barriere nicht folgen kann. Der Verkäufer könnte aber versuchen, ihn darauf hinzuweisen, dass er gern das Zweitgeschäft in Lissabon besuchen darf. Dort wird er zwar ein anderes, auf Portugal abgestimmtes Angebot vorfinden, aber immerhin besteht die sprachliche Barriere nicht.
Überträgt man das zurück auf den Online-Shop, kommt folgendes heraus: Ein Portugiese muss unproblematisch auf eine deutsche Shopseite zugreifen können. Er muss dann allerdings damit leben, dass sämtliche Artikelbeschreibungen und AGB auf Deutsch sind. Allerdings darf er darauf hingewiesen werden, dass es eine portugiesische Shopseite gibt. Eine Weiterleitung zu dieser Seite darf nur mit Einverständnis des Kunden geschehen. Auf der portugiesischen Seite darf das Angebot dann auch anders ausgestaltet sein. Die Geoblocking-VO möchte nämlich gerade nicht, dass der Händler gezwungen ist, ein gleiches Angebot für alle Mitgliedstaaten zu gestalten. Vielmehr ist der EU bewusst, dass es gute Gründe gibt, auf länderspezifischen Seiten niedrigere Preise für bestimmte Waren oder Dienstleistungen anzusetzen, da Lebenshaltungskosten und Einkommen der Kunden von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat stark variieren können.
Aber: Der Kunde muss gefragt werden, ob eine Weiterleitung gewünscht ist. Stimmt er einer Weiterleitung zu, muss diese allerdings jederzeit widerrufbar sein.
Daraus folgt auch, dass für jeden Besucher der Webseite die gleichen Zahlungsmittel angeboten werden:
Akzeptiert ein lokaler Porzellanhändler in Meißen die Zahlung via Mastercard, so darf jeder Kunde, gleich welcher Herkunft, mit der Mastercard zahlen. In seiner polnischen Niederlassung darf der Händler freilich andere Zahlungsmittel zu lassen.
Auch bei den Zahlungsmitteln können also auf den länderspezifischen Seiten weiterhin unterschiedliche Zahlungsmethoden angeboten werden. Lediglich die zwangsweise Weiterleitung zur länderspezifischen Seite entfällt.
Heiß diskutiert sind auch die Lieferbedingungen: Wir berichteten bereits darüber, dass aus der Geoblocking-VO keine Lieferpflicht in alle Mitgliedstaaten folgt.
Kurz gesagt: Kauft ein Deutscher im Schwedenurlaub einen 100kg schweren Tisch aus massivem Eichenholz, so ist der Transport sein Problem.
Als Online-Händler muss man - wenn eine Lieferung ins Zielland nicht angeboten wird - dem Kunden lediglich ermöglichen, die Ware selbst abzuholen oder die Lieferung selbst zu organisieren.
Auch die nationalen Bestimmungen in den einzelnen Ländern müssen bedacht werden: In Schweden dürfen alkoholische Getränke beispielsweise ab einem Alter von 20 Jahren erworben werden. Auch gilt eine höhere Besteuerung als in Deutschland. Würde ein Deutscher ein lokales Geschäft in Schweden eröffnen, wäre dieses Thema für den Ladeninhaber natürlich relevant. Das gleiche gilt, wenn der Händler Schweden als Absatzmarkt ins Auge fasst und einen länderspezifischen Online-Shop eröffnet.
Kauft ein 18 Jähriger Schwede in einem deutschen Online-Shop, so trägt er als Käufer das Einfuhrrisiko und muss sich gegebenenfalls mit dem Zoll auseinander setzen. Dass das Ergebnis sehr wahrscheinlich so aussehen wird, dass der Teenager den Alkohol, für den er bezahlt hat, nicht mit nach Hause nehmen dürfen wird, ist sein Risiko. Ein Regressanspruch gegen den Händler scheidet aus. Hätte er den Alkohol lokal in Deutschland gekauft, so müsste sich der Verkäufer schließlich auch keine Gedanken um den schwedischen Jugendschutz machen.
Die EU möchte durch die Geoblocking-Verordnung den Handel im Binnenmarkt fördern. Umfassende neue Pflichten erlegt sie den Händlern dabei aber nicht auf.
Teil 1: Worum es geht und für wen sie gilt
Teil 2: Shop like a local
Teil 3: Was passiert mit der Vertragsfreiheit?
Teil 4: Lieferung und Transportrisiko
Teil 5: Benachteiligungsverbot in den AGB
Teil 6: Zahlungsmethoden und Zurückbehaltungsrecht
Teil 7: Der ausgerichtete Onlineshop
Teil 8: Was sich für Händler ändert