Wir wurden gefragt

Stationärer Handel: Wann liegt ein Fernabsatzgeschäft vor?

Veröffentlicht: 24.03.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 24.03.2020
Hände reichen sich durch Bildschirm Kreditkarte und Tüte

Wer im stationären Handel zur Zeit seine Waren an die Menschen bringen will, der kann es recht schwer haben. Nicht nur, dass viele Personen aufgrund der Covid-19-Pandemie das Haus von sich aus weniger verlassen – auch mit Kontaktsperren sehen sich Händler konfrontiert, denen in den vielen Fällen aber ohnehin der Publikumsverkehr verboten ist. Will man sich nicht allein auf staatliche Unterstützung oder solidarische Akte aus der Gesellschaft verlassen, muss das Geschäft also weitergehen. Mehrfach erreicht hat uns insofern die Frage, auf was stationäre Händler nun eigentlich achten müssen, wenn sie Ware online anbieten oder beispielsweise den Kauf auch über Telefon oder E-Mail erlauben. 

Der Online-Handel, bzw. der Fernabsatz, unterliegt zahlreichen Vorgaben, mit denen sich manche stationäre Händler kaum auskennen. Auch das Risiko, wegen eines kleinen Fehlers abgemahnt zu werden, ist im Internet deutlich ernster als im Ladengeschäft in der Innenstadt – immerhin ist das Feld an Wettbewerbern, die zu einer solchen Maßnahme greifen können, wesentlich größer. 

Besonders dem Verbraucherrecht kommt im Bereich des Fernabsatzes eine bedeutende Rolle zu: So sieht sich ein Online-Händler beispielsweise verpflichtet, das gesetzliche Widerrufsrecht zu akzeptieren. Rein stationär tätige Händler, die ihre Ware über den Ladentisch verkaufen, müssen sich damit im Regelfall nicht befassen.

Eine wichtige Frage ist also: Wann liegt ein Fernabsatzgeschäft vor?

Reicht Nutzung von Telefon und E-Mail für Fernabsatzgeschäft aus?

Die Besonderheit eines Fernabsatzgeschäftes zwischen Unternehmer und Verbraucher ist, dass die Vertragsverhandlungen und auch der Vertragsschluss ausschließlich über Fernkommunikationsmittel geschehen muss – das kann ein Brief oder Katalog sein, aber auch ein Telefonanruf, eine E-Mail, eine SMS oder sonstige Telemedien. Ein persönlicher Kontakt (vis-a-vis) vor oder bei Vertragsschluss schließt einen Fernabsatz dabei aus.

Ruft ein Kunde im Ladengeschäft an, um einen Kaufvertrag über ein Produkt zu schließen, und findet sonst kein persönlicher Kontakt von Angesicht zu Angesicht zwischen Käufer und Verkäufer statt, ist der Vertrag ausschließlich mit Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen. Das ist auch dann der Fall, wenn mehrere Fernkommunikationsmittel genutzt werden, etwa Telefon und E-Mail. Kommt der Kunde ohne vorherige Bestellung einfach im Laden vorbei und kauft die Ware, ist ein Fernabsatzgeschäft hingegen ausgeschlossen.

Es braucht also einen Vertragsschluss ausschließlich auf der Basis von Fernkommunikationsmitteln, damit es sich um einen Fernabsatzvertrag handelt. Diese Anforderung allein ist aber nicht ausreichend. Das Fernabsatzrecht gilt hier dann, wenn der Vertrag dabei im Rahmen eines „für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ erfolgt. 

Was bedeutet das? 

Händler müssen sich nur dann dem Fernabsatzrecht unterwerfen, wenn hinter dem Verkauf via Fernkommunikationsmittel ein gewisses System steht. Nicht als Fernabsatzgeschäft gilt damit der Fall der „Ausnahme“: Etwa jener, in dem der Händler ausnahmsweise eine Bestellung per Telefon entgegennimmt und die Ware nicht im Ladenlokal übergibt, sondern versendet. 

Für stationäre Händler, die dieser Tage Vertriebswege über Fernkommunikationsmittel beschreiten wollen, ist die Frage nach dem Vertriebssystem entscheidend: Liegt ein organisiertes Vertriebssystem vor, müssen die Regeln des Fernabsatzrechts beachtet werden. Wann liegt ein solches organisiertes Vertriebssystem vor?

Knackpunkt „organisiertes Vertriebssystem“

Der BGH hat geurteilt, dass Unternehmer eine personelle und sachliche Ausstattung für ein organisiertes Fernabsatzsystem haben muss. Die daran zu stellenden Anforderungen seien aber nicht hoch: „Nur Geschäfte, die unter gelegentlichem, eher zufälligem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden, sollen aus dem Anwendungsbereich ausscheiden“ heißt es (Urteil v. 17.10.2018, Aktenzeichen VIII ZR 94/17). Die Abgrenzung sei dabei der Rechtsprechung im Einzelfall vorbehalten.

Eine praktische und einfach nutzbare Vorlage zur Einordnung, ob nun im konkreten Fall ein Fernabsatzgeschäft vorliegt, gibt es damit aus der Rechtsprechung nicht. 

Kommt es nun etwa durch die Covid-19-Pandemie dazu, dass ein stationärer Händler nur im Ausnahmefall und eher zufällig Bestellungen etwa telefonisch entgegennimmt und die Ware versendet, dürfte wohl nicht von einem Fernabsatzgeschäft auszugehen sein.

Anders sieht es aus, wenn ein Händler beispielsweise davon ausgeht, dass der derzeitige Zustand länger andauert und sich entsprechend wappnet, also etwa für eine telefonische Bestellmöglichkeit online oder offline wirbt, oder gar einen richtigen Online-Shop aufbaut und es nicht bei zufälligen vereinzelten Vertragsschlüssen unter alleiniger Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bleibt. Hier bleibt Geschäftsleuten leider nichts anderes übrig, als sich mit den Anforderungen auseinanderzusetzen, die das Fernabsatzgeschäft mit sich bringt – auch wenn die aktuelle Lage schon genug Umstände bereithält, um die sich gekümmert werden muss. 

Mit der Situation umgehen – aber wie?

Stationäre Händler, die nun ihr Geschäftsmodell anpassen, sollten sich insofern darüber bewusst sein, dass sie möglicherweise die Anforderungen an ein Fernabsatzgeschäft erfüllen und damit gesonderten Regeln unterliegen. So müssen Verbrauchern beispielsweise vorvertraglich bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt werden, etwa zum Widerrufsrecht – in der Praxis kann das im Hinblick etwa auf telefonische Vertragsschlüsse mit praktischen Schwierigkeiten verbunden sein. Auch muss dafür gesorgt sein, dass gegebenenfalls vorhandene AGB einerseits passend sind, andererseits aber auch wirksam einbezogen werden. Kommt es selbst zu kleinen Fehlern, wie etwa dem Fehlen des Links zur Online-Streitbeilegungsplattform, kann dies durch eine Abmahnung eines Mitbewerbers oder Verbandes teuer zu stehen kommen. Keine Frage: Der Sprung stationärer Händler in den E-Commerce kann eine Herausforderung sein, immerhin würden einige Händler hier völliges Neuland betreten.

Ein Grund, vor dem Aufbau alternativer Verkaufskanäle oder eines Online-Shops zurück zu schrecken, sollte dies aber nicht sein: Risiken lässt sich schließlich begegnen, und ein Online-Shop bringt natürlich auch Vorteile mit sich – gerade in Krisenzeiten kann er ein solides zusätzliches Standbein zum Ladenlokal darstellen und bisher ungenutzte Potentiale freilegen.

Wer Unterstützung beim Aufbau eines Online-Shops benötigt, dem bietet der Händlerbund insofern nun das „Starterpaket Online-Handel“ an, in dem neben rechtlicher Unterstützung beispielsweise auch der Zugang zu einem Warenwirtschaftssystem und andere Hilfestellungen enthalten sind.

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