Wir wurden gefragt

Welche Rechte bestehen, wenn zu viel geliefert wurde?

Veröffentlicht: 20.04.2020 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 19.12.2023
Junge schaut überrascht in Paket

Ein EDV-Fehler an der Schnittstelle, Unaufmerksamkeit beim Versandmitarbeiter oder Missverständnisse beim Dropshipping: Gründe, warum es beim Verpacken der Waren zu Mengenfehlern kommen kann, gibt es viele. Wenn Händler den Fehler bemerken, muss der Kunden aufgefordert werden, die überschüssige Ware zurückzuschicken oder diese Ware nachträglich zu bezahlen. Zu recht?

Vertrag ist Vertrag

Zunächst muss man einen Schritt zurückgehen und sich die bestellte Menge anschauen. Hat der Kunde nur ein Paar Schuhe bestellt, dann hat er auch nur über dieses eine Paar Schuhe einen Vertrag geschlossen. Wird ihm etwas zu viel geliefert, beispielsweise ein doppeltes Paar Schuhe oder eine gänzlich andere Ware, hat er darüber keine Bestellung ausgelöst und auch keinen Kaufvertrag geschlossen. Wird dem Besteller daher etwas zu viel übersendet, sollte das Eigentum daran wegen des Fehlers oder der Unaufmerksamkeit gar nicht übertragen werden.

Auch von einer Schenkung ist natürlich nicht auszugehen, denn anders als etwa bei einer Gummibärchentüte handelt es sich gerade nicht um eine Gratisbeigabe.

Wiederholen ist gestohlen?

Einige Kunden geben in solchen Fällen zu, dass sie zu viel erhalten haben. Das ist für den Händler zunächst schon einmal erfreulich. Einige Kunden weigern sich aber dann trotzdem, die Ware zurückzuschicken. Tatsächlich lässt sich hinterfragen, ob die Lieferung „+ 1” wie eine Falschlieferung, oder der Lieferung von zuwenig oder von mangelhaften Gütern gleichzustellen ist. Die Zuviellieferung oder Mehrlieferung ist gesetzlich jedoch nicht geregelt.

Bislang geht die überwiegende Meinung der Rechtsprechung deshalb davon aus, dass für die Zuviellieferung nur das Recht bzw. die Pflicht zur Herausgabe besteht. Auch wenn sich die Ware nun im Besitz des Kunden befindet, hat er keinen Anspruch darauf, sie auch zu behalten. Der Händler hat einen Herausgabeanspruch gegenüber dem Kunden, nach § 812 BGB. Dieser sollte vom Händler schriftlich geltend gemacht werden und hierfür eine realistische Frist von mindestens sieben bis vierzehn Tagen zur Rücksendung gesetzt werden.

„Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt?”

Sie sind der Meinung, dass es der Fehler des Händlers ist und er deswegen auch die Ware auf eigene Kosten zurücknehmen muss? Zunächst: Sendet der Kunde die Ware zurück, müssen die Händler die Versandkosten dafür übernehmen. Ideal wäre es, dem Kunden außerdem die entsprechenden Rücksendelabels zur Verfügung stellen, damit diese die Ware nur bei dem Versanddienstleister abgeben müssen.

Einige Kunden sind sogar so forsch und fordern den Händler auf, die Überschuss-Lieferung selbst abzuholen oder mit der Abholung zu beauftragen. Hier befinden wir uns jedoch wie so oft in einer Grauzone. Für das Zurückschicken der Ware darf man vom Kunden wohl eine gewisse Mitwirkungspflicht erwarten. Natürlich kommt es immer auf den Einzelfall an und von der Rentnerin in Oer-Erkenschwick wird man wohl kaum erwarten, die doppelte Matratze wieder in der 30 Kilometer entfernten Postfiliale abzugeben. Es ist jedoch ein Leichtes und erfordert nur wenig Courage, wenn der Berliner Student die Sneaker „zu viel“ an der nächsten Packstation einwirft.

Oder doch lieber zur Kasse bitten?

Einen Anspruch auf Zahlung gegenüber dem Kunden hat der Händler jedoch nicht. Die Übersendung von Waren „zu viel” stellt, wenn es mit voller Absicht geschieht, höchstens ein neues Angebot auf Abschluss eines Vertrages dar, den der Kunde aber nicht einzugehen braucht. Nimmt der Käufer den zuvielgelieferten Teil in Gebrauch, so kann es ebenfalls zu einer stillschweigenden Vertragserweiterung kommen und der Kunde natürlich auch zur Zahlung verpflichtet werden. In unserem Fall war die Ware jedoch nur aus Versehen mitgesendet worden und der Kunde war daran nicht interessiert. Einen Anspruch auf Zahlung hat der Händler daher nicht.

Problem: Gelegenheit macht Diebe

Nun wittern Kunden vielleicht ihr Chance und rühren sich bei einer Zuviellieferung überhaupt nicht oder sie verleugnen sie auf Nachfrage. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Händler die zu viel übersendete Menge mittels Packprotokoll und bestätigtem Versandgewicht durch den Versanddienstleister belegen können. In solche einem Fall wird empfohlen, den Kunden damit zu konfrontieren. Bleibt der Kunde stur und weigert sich, die Zuviellieferung zu gestehen, kommen außerdem strafrechtliche Schritte in Betracht.

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