Nachhaltigkeit versus Etikettenschwindel

Fast 50 Prozent aller umweltbezogenen Aussagen nur „Schönfärberei"

Veröffentlicht: 04.02.2021 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 04.02.2021
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Warum explodieren die Zahlen für Online-Einkäufer trotz der Coronapandemie nicht? Tatsächlich verlagern sich nicht alle Käufe, die eigentlich stationär getätigt worden wären, und aufgrund der weitreichenden Ladenschließungen nicht erledigt werden können, in den Online-Handel. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein wichtiges Argument, auf einen Kauf komplett zu verzichten, ist auch die Nachhaltigkeit. Da nützt auch der tollste Claim, vom recyceltem Verpackungsmaterial bis hin zum CO2-neutralen Versand, auf den Webseiten nicht viel. Im Gegenteil. Man darf staunen, wie viel hier getrickst wird.

Was ist ein „Sweep“?

Gerade erst veröffentlichte die Europäische Komission zusammen mit den nationalen Verbraucherschutzbehörden die Ergebnisse einer Untersuchung von Websites (eines „Sweeps“), die erstmals das sogenannte Greenwashing zum Gegenstand hatte.

Ein „Sweep“ ist nach der Definition der Europäischen Kommission eine Art Razzia zur Durchsetzung von EU-Recht. Nationale Durchsetzungsbehörden nehmen dabei gleichzeitige und koordinierte EU-weite Website-Kontrollen vor, um Verstöße gegen das Verbraucherrecht in einer bestimmten Branche aufzudecken und anschließend durch Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. Seit 2007 finden alljährlich Sweeps statt, die von der Europäischen Kommission koordiniert und von nationalen Durchsetzungsbehörden in den teilnehmenden Ländern synchron durchgeführt werden. Bislang waren vor allem die Cookie-Sweeps bekannt, in denen der rechtskonforme Einsatz von Website-Cookies untersucht wurde.

Was ist Greenwashing?

Greenwashing war das Thema der aktuellen Untersuchung, die Gründe liegen nahe: Wo Nachhaltigkeit draufsteht, ist nicht automatisch Nachhaltigkeit drin. Weil das Thema Ressourcenschonung rechtlich noch eine Art Grauzone ist, gibt es keine vorgeschriebenen Parameter, wie die Integration in die Werbung aussehen kann und darf. Grundsätzlich muss man also dieselben Maßstäbe wie bei der herkömmlichen Irreführung und Verbrauchertäuschung (sogenannte unlautere Geschäftspraktiken) anlegen. Damit liegt ein unzulässiges Greenwashing vor, wenn eine Werbemaßnahme dem Ziel dient oder zumindest mittelbar den Eindruck hervorruft, ein Unternehmen, ein Produkt oder ein Vorgang (z. B. der Versand) seien umweltfreundlich, nachhaltig oder verantwortungsbewusst, ohne dass dies den Tatsachen entspricht und belegt ist.

Nachhaltigkeit in vielen Fällen nur Etikettenschwindel

Im Rahmen der umfassenden Durchforstung wurden 344 augenscheinlich zweifelhafte umweltbezogene Angaben in Internet-Auftritten von Unternehmen aus Branchen wie Bekleidung, Kosmetika oder Haushaltsgeräte im Hinblick auf die Stichhaltigkeit ihrer Aussagen zu ihrem Umweltengagement geprüft. Die nationalen Verbraucherschutzbehörden hatten Grund zu der Annahme, dass die Angaben in knapp der Hälfte der Fälle (42 Prozent) übertrieben, falsch oder irreführend waren und möglicherweise als unlautere Geschäftspraktiken im Sinne der EU-Vorschriften eingestuft werden könnten. 

In vielen Fällen stünden außerdem keine ausreichenden Informationen zur Verfügung, mit denen Verbraucher die Richtigkeit der Angaben beurteilen können, so der Bericht weiter. Häufig (37 Prozent) wird auch mit wenig stichhaltigen Weichmachern wie „bewusst“, „umweltfreundlich“ und „nachhaltig“ gearbeitet, die kaum Aussagegehalt haben.

Die betroffenen Unternehmen werden nun von der Kommission informiert und zur Behebung aufgefordert. Desweiteren sollen die Erkenntnisse auch Einfluss auf die Richtlinie zur Stärkung der Rolle der Verbraucher beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft haben, die derzeit aber noch im Vorschlagsstadium ist.

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