Wer übernimmt die Haftung?

FAQ zur Hochwasserkatastrophe: Diese Rechte haben Händler [Update]

Veröffentlicht: 16.07.2021 | Geschrieben von: Julia Petronis | Letzte Aktualisierung: 21.07.2021
Schild mit Aufschrift Hochwasser

Die aktuelle Lage in Deutschland stellt sich vielerorts dramatisch dar. Viele Orte wurden schwer vom Hochwasser getroffen. Zahlreiche Menschen kämpfen gegen die Wasser- und Schlammmassen an und fürchten nicht nur um ihre Gesundheit und persönliches Hab und Gut, sondern bangen auch um ihre geschäftliche Existenz. Denn auch vor Händlern hat die Hochwasserkatastrophe nicht Halt gemacht. Wir beantworten die wichtigsten rechtlichen Fragen, die sich aus der aktuellen Situation für Online-Händler ergeben. 

Haftungsausschluss durch höhere Gewalt

1. Ist ein Hochwasser „höhere Gewalt” im rechtlichen Sinne?

Ja, das ist der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 100, 157) ist mit höherer Gewalt, „ein unvorhersehbares und unbeherrschbares, von außen kommendes Ereignis gemeint, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet bzw. abgewendet werden kann.“ Dazu zählen auch Hochwasser und Überschwemmungen. Ein Unternehmen kann sich demnach auf höhere Gewalt berufen, wenn unerwartete, nicht zu beeinflussende äußere Umstände eintreten, die ihn daran hindern, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Beachtet werden sollte allerdings, dass in vielen AGB bei vertraglichen Vereinbarungen individuelle Vertragsklauseln zur höheren Gewalt und den jeweiligen Rechtsfolgen enthalten sind. Diese Individualabreden gehen den gesetzlichen Bestimmungen vor, sofern sie auch wirksam sind.

2. Was ist mit Paketen, die durch das Hochwasser verloren gegangen sind? Wer haftet?

Die Haftung entfällt dann, wenn die Lieferverpflichtungen aufgrund der höheren Gewalt unmöglich geworden sind. Allerdings muss die Vertragspartei, die sich auf höhere Gewalt beruft, darlegen und beweisen, dass die Vertragserfüllung unmöglich geworden ist. Das wäre beispielsweise bei einem überschwemmten Lager der Fall.

3. Wie ist die Rechtslage, wenn sich der Versand der Waren dadurch verspätet?

Grundsätzlich hat ein Online-Händler die Pflicht, dem Kunden einen verbindlichen Liefertermin zu nennen. Ist die Lieferung nicht unmöglich und verzögert sich nur, hat der Händler den Verzugsschaden zu ersetzen. Allerdings gilt auch hier: hat der Händler den Umstand nicht zu vertreten, weil er sich auf höhere Gewalt berufen kann, haftet er auch nicht für den Verzugsschaden.

4. Was kann ich tun, wenn ich die Lieferfrist nicht einhalten kann, weil das im Shop als verfügbar angezeigte Produkt nun zerstört wurde?

Wie in der oben beschriebenen Problematik, liegt durch die Zerstörung der Ware ein Fall der Unmöglichkeit vor, die die Haftung des Händlers ausschließt. Vorausgesetzt er kann die Unmöglichkeit beweisen.

5. Sollte ich vorsichtshalber meine Versandzeit hochsetzen, auch wenn ich persönlich nicht betroffen bin?

Das ist auf jeden Fall möglich und ratsam. Da Liefertermine verbindlich genannt und auch eingehalten werden müssen, macht sich der Händler dafür haftbar, wenn er diese nicht einhalten kann. Wer nicht selbst betroffen ist, kann sich auch nicht auf höhere Gewalt berufen. Sind Lieferschwierigkeiten absehbar, sollten diese im Shop berücksichtigt werden. Aber Achtung: es müssen dann konkrete neue Liefertermine genannt werden. Formulierungen wie „voraussichtlich später” oder „in der Regel” werden von der Rechtsprechung als zu unkonkret angesehen.

6. Meine Mitarbeiter können nicht zur Arbeit kommen. Besteht weiterhin ein Anspruch auf Vergütung?

Können Mitarbeiter nicht zur Arbeit erscheinen, besteht gemäß § 616 BGB weiter der Anspruch auf Vergütung, wenn der Arbeitnehmer „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird". In diesem Zusammenhang wird von der Rechtsprechung auch die Unzumutbarkeit gezählt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Naturkatastrophe und der sich daraus ergebenden Notsituation seine Familie und sein Haus schützen will. Auch hier können jedoch anderweitige individuelle vertragliche Vereinbarungen getroffen worden sein.

Update: Ebay sagt Hilfe zu

Wir haben bei den Marktplätzen nachgefragt, welche Erleichterungen sie Händlern in der aktuellen Situation anbieten können. Ebay hat nun gegenüber OnlinehändlerNews angekündigt, die betroffenen Händler zu unterstützen. Wie diese Unterstützung von Ebay aussehen soll, haben wir in diesem Beitrag zusammengefasst. Und auch Amazon erkärt den betroffenen Händlern und Flutopfern helfen zu wollen.

Kommentare  

#1 NeugierigerUser 2021-07-28 19:21
Als Verbraucher, der nicht juristisch bewandert ist, frage ich mich, ob der Käufer dann auf seine Kosten sitzen bleibt, wenn die bestellte Ware durch Überschwemmung des (Speditions-)La gers zerstört wird / unauffindbar ist. Haben Sie da Informationen zu?

Viele Grüße
Ein neugieriger User
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Antwort der Redaktion

Liebe/r Leser/in,

kann der Händler sich rechtmäßig auf die Unmöglichkeit der Lieferung berufen, dann entfällt seine Pflicht zur Vertragserfüllu ng. Der Käufer ist dann aber nicht rechtlos gestellt, sondern hat die Möglichkeit, den bereits bezahlten Kaufpreis zurückzuverlang en.

Beste Grüße
die Redaktion
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