E-Bike in Flammen

Wer zahlt, wenn das E-Bike abbrennt?

Veröffentlicht: 21.03.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 21.03.2023
E-Bike und Fahrer in den Alpen

Auch wenn der Umgang mit Kunden bei Defekten und anderen Gewährleistungsfällen zum Alltagsgeschäft eines jeden Händlers gehört, ergeben sich aufgrund des komplexen Rechtsgebietes immer wieder Fragen. Anders als ein Paar Schuhe kann man ein Fahrrad nicht so einfach in einen Karton packen und retournieren. Besonders in der Fahrrad-Branche sind es auch die erhöhten Warenwerte sowie die hohen Transportkosten, die zu Folgefragen führen. Mit dem Einzug von E-Bikes, die im Verdacht stehen, hin und wieder in Flammen aufzugehen, kommt noch ein weiteres Problem hinzu: die Haftung.

Allgemeines zur Gewährleistung

Bekommt der Kunde nicht das, was er bestellt hat, nämlich ein einwandfreies E-Bike, kommt das allgemeine Gewährleistungsrecht ins Spiel. Wenn ein E-Bike irgendeinen Defekt aufweist, muss also zunächst einmal geklärt werden, ob ein Mangel im rechtlichen Sinne vorliegt und dann: Wer haftet dafür?

a. Wann liegt ein Mangel im rechtlichen Sinne vor?

Nach den rechtlichen Voraussetzungen ist das E-Bike mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und mit dem vereinbarten Zubehör und den erforderlichen Anleitungen übergeben wird, wobei die inhaltliche Richtigkeit der Anleitungen ebenfalls Vertragsbestandteil ist. 

Das E-Bike entspricht den Anforderungen, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei E-Bikes im Allgemeinen üblich ist.

Hat der Verkäufer den Kunden beispielsweise bereits vor Ort eine Probefahrt machen lassen, dann muss er auch das entsprechende baugleiche E-Bike liefern, um die objektiven Anforderungen zu erfüllen. Bei der üblichen Beschaffenheit werden auch Merkmale wie die Qualität, die Haltbarkeit, die Sicherheit und die Funktionalität mit einbezogen. Letztendlich wird man nur im Einzelfall klären, was noch vertretbar ist, und was weitere Ansprüche auslöst. Die Gebrauchtwagen-Branche kann davon ein Lied singen.

Um auf die Frage aus dem Titel zurückzukommen: Liegt ein Produktionsfehler vor, handelt es sich um einen Mangel, für den der Verkäufer einstehen muss. Vergisst der Kunde den Akku an der Steckdose oder hält sich anderweitig nicht an die Anweisungen des Herstellers, kann er sich nicht auf einen Mangel berufen.

b. Beweislast und Verschleiß

Vermutlich wird es für Händler im ersten Jahr schwer, denn: Wenn ein Mangel am  verkauften E-Bike innerhalb von zwölf Monaten nach Kauf auftritt, wird per Gesetz davon ausgegangen, dass das Elektrofahrrad bereits (sichtbar oder unsichtbar) mangelhaft übergeben wurde. Es ist dann in der Pflicht des Verkäufers zu beweisen, dass er für den Mangel nicht verantwortlich ist. Der Händler muss somit beweisen, dass der Mangel erst beim Kunden entstanden ist. Den Beweis zu erbringen, wird in der Praxis allerdings oft schwierig, in einigen Fällen sogar unmöglich sein. Bei den doch recht hohen Warenwerten sollte man aber nichts unversucht lassen.

Möglicherweise kann der Händler auch entgegenhalten, es handele sich nur um Verschleiß, was gerade keinen Mangel und keinen Gewährleistungsfall darstellt. Hier ist es aber manchmal gar nicht so einfach abzugrenzen, ob der Schaden am E-Bike eine Verschleißerscheinung oder ein Sachmangel ist. Der Sachmangel bezieht sich auf die Beschaffenheit des Fahrrades zum Zeitpunkt der Übergabe, während Verschleiß ein Defekt ist, der mit dem Alter und der Laufleistung einhergeht. Bemängelt der Kunde beispielsweise ein abgenutztes Reifenprofil, nachdem er mehrere hundert Kilometer gefahren ist, kann man durchaus einen Verschleiß annehmen. Gleiches dürfte gelten, wenn sich die Laufleistung des Akkus verringert, weil er anders als in der Anleitung empfohlen, die Ladevorgänge oft unterbrochen hat.

Letztendlich kommt es auf die übliche Haltbarkeit des jeweiligen E-Bikes und insbesonderes des Akkus als Bezugspunkt an, wobei auch Preis und Verarbeitung eine Rolle spielen. Verschleißerscheinungen stellen keinen Mangel am Produkt dar. Wenn lediglich Verschleiß vorliegt, ist der Verkäufer nicht dazu verpflichtet, dafür einzustehen.

c. Rechtsfolgen bei Mängeln

Der Verkäufer haftet aber, wenn ein Mangel festgestellt wurde, innerhalb der ersten zwei Jahre seit Lieferung. Dann hat der Kunde ein Recht auf Reparatur oder Neulieferung. Kommt das nicht infrage, kann auch der Kaufpreis gemindert werden. Daneben kann auch ein Schadensersatzanspruch möglich sein, wenn der Käufer oder sein Eigentum einen Schaden erleidet, beispielsweise bei einem Akku-Brand die Wohnung beschädigt wird oder der Käufer sich verletzt. Letztes Mittel wäre auch der Rücktritt vom Vertrag, bei dem der Kunde sein Geld und der Händler das defekte E-Bike zurückerhält.

Kommt es im Zuge der Gewährleistung zu Verzögerungen und kann der Käufer das Rad nicht mehr uneingeschränkt nutzen, sieht es jedoch recht schlecht aus für einen Nutzungsausfall. Die jederzeitige Benutzbarkeit eines individuell, zur sportlichen Betätigung, angepassten Rennrades für den Eigentümer sei zwar ein Vorteil für die Lebensqualität und insbesondere das körperliche Wohlbefinden. Einen ersatzfähigen materiellen Wert könne der Käufer aber nicht geltend machen (LG Heilbronn, 24.05.2013, A.: 5 O 30/13 Wu).

Herstellerregress

Stellt sich heraus, dass ein Herstellungs- oder Produktionsfehler an einem gelieferten E-Bike vorliegt, muss der Händler für den Austausch bzw. die Reparatur sorgen und die entsprechenden Kosten dafür aufbringen. Bei vielen Produkten können Händler den Fehler nicht selbst überprüfen und müssen im Zweifel erst den Hersteller/eine Werkstatt konsultieren. Die Idee, den Käufer direkt an den Hersteller zu verweisen, liegt daher auf der Hand. Man habe das Produkt ja nicht selbst produziert, so die Argumentation. Wenn, dann habe nur der Hersteller den Mangel (z. B. wegen eines Produktionsfehlers) zu verantworten.

Trotz dieser guten Argumente bleibt es dabei: Der Verkäufer haftet grundsätzlich 2 Jahre (ab Lieferung) für Mängel an der Kaufsache. Er ist Vertragspartner geworden und damit auch vorrangig der erste Ansprechpartner für den Kunden. Händler können die Kunden also nicht direkt an den Hersteller verweisen, sondern müssen mit ihm direkt den Schaden am verkauften E-Bike regulieren. Erst im Anschluss kann und darf der Händler Rückgriff bei seinem Vertragspartner, also dem Hersteller, Großhändler oder Importeur nehmen.

Verhältnis zu Herstellergarantien

Einige Hersteller bieten auch eine eigene Herstellergarantie an, die der Händler teilweise sogar mit bewirbt. Eine solche, von einem Dritten angebotene, Garantie ist jedoch eine freiwillige Verpflichtung, die stets nur neben die Gewährleistung tritt. Auch für diesen Fall gilt daher, dass eine Herstellergarantie am zwischen Käufer und Verkäufer bestehenden Gewährleistungsrecht nichts ändert und es schon gar nicht sperrt.

 

Exkurs: Widerrufsrecht

Widerrufsrecht und Gewährleistungsrecht sind zwei völlig unterschiedliche Rechte und stehen nebeneinander. Der Kunde muss sich zunächst entscheiden: Was will ich? Will der Käufer den Vertrag endgültig auflösen und sein Geld zurückerstattet haben, dann muss er seinen Widerruf erklären. Das kann er tun, solange das Wiederrufsrecht noch besteht, auch wenn das E-Bike mangelhaft war. Für E-Bikes gibt es hier keine Besonderheiten.

Konsequenterweise gelten dann auch alle Pflichten aus dem Widerrufsrecht, also die Einhaltung der Widerrufsfrist (regelmäßig 14 Tage) sowie ggf. die Tragung der Rücksendekosten. Das ist ein Vorteil, den der Online-Kauf eines E-Bikes bietet. Unter Online-Händlern hält sich immer noch der Irrglaube, mit der Inbetriebnahme des E-Bikes sei ein Widerrufsrecht gänzlich ausgeschlossen. Folge ist, dass der Verbraucher das E-Bike „testen“ darf, das Widerrufsrecht an sich jedoch durch diese Handlung nicht verloren geht. 

Hier kommt aber die Frage des Wertersatzes in Spiel. Der Verbraucher hat Wertersatz für einen Wertverlust des Elektrofahrrades zu leisten, wenn der Wertverlust auf einen Umgang zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des E-Bikes nicht notwendig war. Während man ein Kleidungsstück noch im heimischen Wohnzimmer anprobieren kann, wird man das E-Bike nur schwerlich adäquat testen können. Damit ist ein enormer Wertverlust quasi vorprogrammiert, sobald das E-Bike den Asphalt berührt. Wie die zahlreichen Fragen aus dem Gewährleistungsrecht, wird auch dies noch die Gerichte beschäftigen.

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