Überblick: Der Wertersatz nach erfolgtem Widerruf

Veröffentlicht: 22.08.2013 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 22.08.2013

Online-Kunden sollen nicht schlechter stehen, als Käufer in einem normalen Ladengeschäft. Dort können die Waren anders als im Online-Shop an- und ausprobiert werden. Deshalb will der Gesetzgeber auch bei einem Einkauf über das Internet das Recht garantieren, eine Ware auszupacken, zu probieren bzw. zurückzusenden.

Rechtsfrage

Üben Kunden den Widerruf aus, ist das ihr gutes Recht. Werden die gekauften Artikel aber benutzt oder gar beschädigt und können nicht wieder als Neuware verkauft werden, stellt sich vielen Online-Händlern die Frage nach dem Wertersatz infolge der Verschlechterung der Kaufsache.

Kein Ausschluss des Widerrufsrechtes

Werfen wir einen Blick ins Gesetz: § 312 d Absatz 4 BGB regelt, dass das Widerrufsrecht nicht bei Fernabsatzverträgen

  • zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde,

  • zur Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind,

  • zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat,

  • zur Erbringung von Wett- und Lotterie-Dienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat,

  • die in der Form von Versteigerungen (§ 156) geschlossen werden,

  • die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten oder

  • zur Erbringung telekommunikationsgestützter Dienste, die auf Veranlassung des Verbrauchers unmittelbar per Telefon oder Telefax in einem Mal erbracht werden, sofern es sich nicht um Finanzdienstleistungen handelt,

besteht.

Dass ein Widerrufsrecht ausgeschlossen sein soll, wenn der Artikel benutzt oder gar beschädigt wurde, kann man dem Gesetzeswortlaut aber nicht entnehmen. Auch ist eine Erweiterung der Anwendung über den Wortlaut hinaus nicht gewollt.

Die Folge ist, dass der Verbraucher Produkte öffnen oder probieren darf, das Widerrufsrecht an sich jedoch durch diese Handlung nicht verloren geht. Der Verbraucher kann weiterhin sein Widerrufsrecht ausüben.

Wie weit geht das Recht auf Prüfung?

Wie gerade festgestellt, gilt: Online-Händler müssen grundsätzlich hinnehmen, wenn Verbraucher die bestellte Ware öffnen und auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfen – auch wenn diese deshalb nicht mehr weiterverkäuflich sind. Das Widerrufsrecht selbst wird dadurch nicht berührt. Hier kommt die Frage des Wertersatzes in Spiel.

Werfen wir einen weiteren Blick ins Gesetz:

„Der Verbraucher hat Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache zu leisten, soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht, und wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist“, § 357 Absatz 3 BGB.

Ergo: Es ist dem Käufer ausdrücklich gestattet, den erworbenen Gegenstand zu prüfen und auszutesten.

Wertersatz muss ein Verbraucher entrichten, wenn die Verschlechterung des Kaufgegenstandes durch Vorgänge verursacht wird, die über die Überprüfung der Eigenschaften und deren Funktionsweise hinausgeht. Das gilt auch dann, wenn der Wert des erworbenen Gegenstandes durch die Prüfung (z.B. Einbau) und den Test gemindert ist und Gebrauchsspuren aufweist. Dieses Risiko der Wertminderung trägt der Online-Händler.

Der Wertersatz soll den Händler dafür entschädigen, dass die Ware durch die über die zulässige Prüfung hinausgehende Verwendung an Wert verloren hat.

Die Frage ist: Wurde die Ware infolge berechtigter Ingebrauchnahme zur Prüfung durch den Verbraucher verschlechtert oder ging im konkreten Fall die Nutzung bereits darüber hinaus?

Bei der Beurteilung nach dem „Ob“ des Wertersatzes und der Höhe des Wertersatzes ist stets im Einzelfall zu entscheiden – insbesondere wann eine über die Prüfung der Eigenschaften hinausgehende Verwendung der Sache vorliegt, die zum Wertersatz berechtigt.

Was sagen die Gerichte?

Bisher gibt es kaum Entscheidungen der Gerichte zum Wertersatz. Die wenigen vorhandenen Urteile können – weil stets einzelfallbezogen - nicht pauschal auf andere Wertersatz-Fälle angewendet werden.

Ein besonders kurioser Einzelfall war vom Amtsgericht Köln zu entscheiden: Es ging um die Frage, wie lange ein Verbraucher auf einer im Internet gekauften Matratze „testschlafen“ darf (Amtsgericht Köln, Urteil vom 04.04.2012, Az. 119 C 462/11). Maximal zwei Nächte müssen dem Verbraucher für die Prüfung der Kaufsache genügen, so die Richter in ihrer Entscheidung. Da der Kunde in diesem Fall aber 5 Nächte auf der Matratze geschlafen hatte, sei nicht mehr lediglich von einer Prüfung der Kaufsache auszugehen. Dem Online-Händler sprachen die Richter daher für die 3 weiteren Nächte tatsächlich einen Wertersatz zu.

Mit Urteil vom 24.10.2012 (Az.: 31 C 30/12) entschied das Amtsgericht Lichtenberg, dass ein Online-Händler auch dann keinen Wertersatz verlangen kann, wenn dieser die gekauften Fahrzeugteile nach einem Ein- und Ausbau mit erheblichen Gebrauchsspuren zurückschickt und eine Wertminderung der verkauften Ware eingetreten ist. Hier handele es sich lediglich um eine Prüfung der Funktionsweise, die keinen Wertersatz begründet.

Fazit

Zum Ärger der Online-Händler kann eine allgemeingültige Antwort – ob und wie hoch ein Wertersatz gewährt werden muss – nicht gegeben werden. Es ist stets von Einzelfall zu Einzelfall zu entscheiden.

Der „Matratzen-Fall“ zeigt jedoch, dass es für Händler nicht ganz und gar unmöglich ist, einen Wertersatz zu verlangen.

Im konkreten Fall sollte daher rechtsanwaltlich überprüft werden, ob ein Wertersatz in Frage kommt und wie hoch dieser ggf. ist. Beim „Matratzen-Fall“ rechnete das Gericht beispielsweise eine Quote von 6% pro „Testnacht“ aus. Pauschal kann dieser Satz auf andere Fälle nicht angewendet werden.

Notfalls muss der konkrete Rechtsstreit vor Gericht ausgetragen werden.

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