Gebraucht- oder Neuware - Und warum es auf den Unterschied ankommt

Veröffentlicht: 01.06.2015 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 25.05.2020

Die Neuheit ist bei angebotenen Waren oder Dienstleistungen ein beachtliches Werbeargument. Der angesprochene Kunde rechnet hier mit Qualitätsvorteilen und neigt dazu, das neue Produkt einer gebrauchten Ware vorzuziehen. In vielen Fällen ist die Abgrenzung zwischen neuer und gebrauchter Ware aber nicht einfach, rechtlich gesehen jedoch folgenschwer.

Alt oder neu?

 

(Bildquelle Alt oder neu?: iQoncept via Shutterstock)

Definition: Wann ist Ware „neu“ und wann „gebraucht“?

Eine universelle Definition, wann eine Ware neu und wann sie gebraucht ist, haben weder das nationale Recht bzw. die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie noch die Rechtsprechung parat.

Mit der Rechtsprechung gilt, dass Sachen dann gebraucht sind, wenn sie vom Hersteller, Verkäufer oder einem Dritten bereits ihrer gewöhnlichen Verwendung zugeführt wurden und deshalb mit einem höheren Sachmängelrisiko behaftet sind (OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2014, Az.: 4 U 102/13).

Wenn ein Artikel als „neu“ deklariert wird, ist aus Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Kunden davon auszugehen, dass der Artikel fabrikneu ist. Als fabrikneu kann eine Ware jedoch nur gelten, wenn sie noch nicht benutzt worden ist, durch Lagerung keinen Schaden erlitten hat und nach wie vor in der gleichen Ausführung hergestellt wird (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.04.2014, Az.: 1 U 11/13). Auf den Zustand der Verpackung kommt es dabei nicht primär an.

Wird ein Produkt über Jahre hinweg gelagert, ist allgemein bekannt, dass bei fast jedem Produkt die Gefahr von Lagerschäden droht. Gerade bei einem technisch sensiblen Ersatzteil wie einem Kugellager, welches 20 Jahre in unbenutztem Zustand gelagert wurde, darf nicht mehr als "neu" beworben werden (vgl. Landgericht Aachen, Urteil vom 13.01.2015, Az.: 41 O 60/14).

So führt das einmalige An- und Ausschalten eines elektrischen Gerätes zu Testzwecken sicherlich nicht automatisch dazu, dass das Produkt zu einer Gebrauchtware wird. Wird das Gerät jedoch über längere Zeit benutzt, kann man nur schwer den Zustand als „neu“ rechtfertigen. Eine genaue Abgrenzug zwischen Neu- und Gebrauchtware ist jedoch meist im konkreten Fall zu beurteilen.

B-Ware ist nicht automatisch Gebrauchtware

Bei als „B-Ware“ definierten Waren handelt es sich nicht automatisch um in Gebrauch genommene Artikel. B-Ware ist in aller Regel nicht gebraucht, sondern lediglich beschädigt bzw. es fehlt ihr die Originalverpackung. Ein erhöhtes Risiko, dass ein Mangel vorliegt, wenn die Ware ausgepackt oder vorgeführt wird, entsteht dadurch aber nicht. Vor diesem Hintergrund kann die B-Ware auch nicht per se als gebraucht eingestuft werden.

Bei Artikeln, die als „B-Ware“ vertrieben werden, handelt es sich nur dann um gebrauchte Sachen, wenn diese bereits ihrem gewöhnlichen Verwendungszweck zugeführt, mithin tatsächlich gebraucht wurden (OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2014, Az.: 4 U 102/13). In diesem Beitrag des Händlerbundes finden Sie weitere Informationen zum Verkauf von Neu- und Gebrauchtware.

Einschränkung der Gewährleistungsfrist für gebrauchte Waren

Die Frage, ob ein Artikel neu oder gebraucht ist, ist ausschlaggebend für die Länge der Gewährleistungsfrist. Der Verkäufer haftet bei einem Verkauf von Neuware grundsätzlich 2 Jahre (ab Lieferung) für offensichtliche und versteckte Mängel der Sache.

Handelt es sich bei den verkauften Objekten um gebrauchte Ware, kann die Gewährleistungsfrist eingeschränkt werden. Bei gebrauchten Sachen kann die Haftung des Händlers für Mängel nach überwiegender Meinung der Gerichte auf minimal 1 Jahr begrenzt werden. Voraussetzung dafür ist lediglich eine wirksame Klausel in den AGB. Hintergrund dessen ist, dass durch den Gebrauch oder auch durch das Alter einer Ware ein erhöhtes Sachmängelrisiko entstehen könne (vgl. Landgericht Essen, Urteil vom 12.06.2013, Az.: 42 O 88/12).

Übrigens: Nicht einstehen muss der Händler für altersbedingte Mängel, die typisch für ein Produkt sind, so ist z.B. Ölverlust bei einem 9 Jahre alten Fiat Panda kein Mangel (LG Mainz, 09.03.1993, Az: 3 S 268/92).

Kein Widerrufsrecht?

Immer noch hält sich der Irrglaube, dass es für gebrauchte Waren überhaupt kein Widerrufsrecht gibt bzw. dieses in der Widerrufsbelehrung wirksam ausgeschlossen werden kann. Dem ist jedoch nicht so. Auf das Bestehen eines Widerrufsrechtes hat die Frage nach dem Alter oder Zustand keinen Einfluss. Das reguläre Widerrufsrecht besteht auch bei gebrauchten Artikeln.

Kennzeichnungspflichten

Weiterhin ist die Frage nach dem Zustand eines Artikels relevant dafür, ob er mit speziellen Kennzeichnungspflichten versehen werden muss. So gibt es unter anderem für Spielzeug und Textilien spezielle Pflichten, die der Händler dem Kunden vor einem Kauf mitteilen muss.

Die für die Kennzeichnung von Spielzeug maßgebliche „Zweite Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug) - kurz „2. GPSGV“, macht keine Unterschiede zwischen gebrauchten und neuem Spielzeug. Die Textilkennzeichnungsverordnung nimmt hingegen gebrauchte Textilerzeugnisse von der verpflichtenden Kennzeichnung aus.

Übrigens: Bücher gelten als gebraucht, wenn sie bereits zu einem gebundenen Ladenpreis verkauft wurden.

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