OLG Hamm: Rechtsmissbräuchliche Gegenabmahnung ist keine zulässige Verteidigung

Veröffentlicht: 07.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 07.03.2013

Wenn mit Ablauf des 3. November die Übergangsfrist zur Aktualisierung der Widerrufsbelehrung zu Ende geht, wird es erfahrungsgemäß wieder vermehrt zu Abmahnungen kommen - auch solchen die massenhaft verfolgt werden und damit rechtsmissbräuchlich sind. Nicht wenigen Händlern stellt sich die Frage, wie sie sich gegen eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung wehren können - gilt hier „Auge um Auge, Zahn um Zahn“?

Nach einem Urteil des OLG Hamm vom 03.05.2011(Az: I-4 U 9/11) https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2011/I_4_U_9_11urteil20110503.html steht eins fest:

Rechtsmissbrauch ist keine zulässige Verteidigung gegen Rechtsmissbrauch.

Händler, die rechtsmissbräuchlich abgemahnt worden sind, dürfen sich nicht mit rechtsmissbräuchlichen Gegenabmahnungen wehren - zulässig ist allein die „Retourkutsche“ der „normalen“ Gegenabmahnung. Das gilt auch dann, wenn der Händler als Mandant gar nicht wusste, dass der beauftragte Rechtsanwalt massenhaft und damit rechtsmissbräuchlich abmahnt.
Im Fall, welcher der Entscheidung des OLG Hamm zugrunde lag, mahnte ein Spielzeughändler - nennen wir ihn Herrn A - bei Ebay 25 Mitbewerber ab, die eine nicht länger rechtsgültige Widerrufsbelehrung weiterhin nutzten. Einer der Abgemahnten - Herr B - wollte sich gegen dieses Vorgehen mit einer Gegenabmahnung zur Wehr setzen. Herr B suchte einen hierfür geeigneten Rechtsanwalt und stieß auf Rechtsanwalt C., der im Internet für seine Tätigkeit geworben sowie dort über den Rechtsmissbrauch des Herrn A berichtet und die Betroffenen aufgerufen hatte, sich „dringend“ anwaltlich beraten zu lassen. Herr B beauftragte Rechtsanwalt C und dieser überzog nachfolgend Herrn A im Zeitraum von zwei Wochen im Auftrag für Herrn B und 5 weitere Mandanten mit mehreren Abmahnungen wegen im Wesentlichen identischer Wettbewerbsverstöße (u.a. wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung, fehlendem Hinweis auf Speicherung des Vertragstextes). Dieser ließ sich das wiederum auch nicht gefallen.
Es folgte eine ganze Reihe von Gerichtsverfahren, in denen um die Zahlung von Abmahnkosten und Vertragsstrafen gestritten wurde. Im oben genannten Verfahren des OLG Hamm wurde nun das Vorgehen des Herrn B und seines Rechtsanwaltes C, der gleich 6 Mandanten in fast identischen Sachen gegen Herrn A vertrat und beinahe salvenmäßig Abmahnungen verschickte, als eindeutig rechtsmissbräuchlich beurteilt.

Das OLG führte hierzu aus:

„...Im vorliegenden Fall spricht alles für ein (...) vorherrschendes Kostenbelastungsinteresse des Antragstellers im Bezug auf den Antragsgegner als ihn zuvor abmahnenden Wettbewerber. Die Abmahnung des Antragstellers steht nämlich nicht für sich. Es gab insgesamt sechs Abmahnungen von gleichfalls zuvor abgemahnten Mitbewerbern des Antragsgegners, denen überwiegend identische Verstöße zu Grunde lagen. Nachdem sich der Antragsgegner nach den gleichlautenden Abmahnungen gegenüber dem Antragsteller ebenso wie gegenüber den Mitbewerbern ... unterworfen hatte, haben alle drei einen einheitlichen Verstoß gegen die ihnen gegenüber eingegangenen Unterlassungsverpflichtungen zum Anlass genommen, den Antragsgegner am selben Tag erneut abzumahnen und von ihm das Versprechen einer höheren Vertragsstrafe zu verlangen. Diese Art der Mehrfachfolgung des Antragsgegners mit ihren ganz erheblichen Kostenrisiken für diesen war nicht erforderlich, um das legitime Ziel des Antragstellers zu erreichen, die wettbewerbswidrige Präsentation seiner Internetangebote verbieten zu lassen. Vielmehr hätte ein einziger Titel ausgereicht. Solch eine nicht erforderliche Mehrfachverfolgung lässt aus objektiver Sicht nur den Schluss zu, dass vielfache Kostenerstattungsansprüche und mögliche vielfache Vertragsstrafenansprüche produziert und dann auch verfolgt werden sollten...“

Es kann damit festgehalten werden:

Die Gegenabmahnung, mit welcher der abmahnende Mitbewerber dazu angehalten wird, sich selber lauter zu verhalten, ist zulässig - die Gegenabmahnung als Mittel, um den Abmahnenden darüberhinaus zu schädigen, nicht.
Das gilt selbst dann, wenn die Abmahnung, die man zuvor erhalten hat, selbst rechtsmissbräuchlich gewesen ist. Es soll eben nicht „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gelten, sondern vielmehr der Grundsatz, dass „Gleiches nicht mit Gleichem zu vergelten“ ist.
Den Einwand von Herrn B, er habe vom Vorgehen seines Rechtsanwaltes nichts gewusst, wies das OLG Hamm übrigens als unbegründet zurück. Herr B musste sich die Kenntnis seines Rechtsanwaltes, der im Internet für sein „gesammeltes“ Vorgehen gegen Herrn A regelrecht geworben hatte, zurechnen lassen.

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