Die GTIN als Fingerabdruck für Produkte und Unternehmen: Interview mit GS1 Germany

Veröffentlicht: 16.02.2016 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 16.02.2016

Wer bei Amazon gewerblich handeln möchte kann dies nur, wenn er zu seinen Produkten auch eine sog. GTIN-Nummer angeben kann. Mittlerweile verlangt auch Ebay die Angabe von GTIN-Nummern in vielen Kategorien. Bei den betroffenen Online-Händlern selbst herrscht jedoch weitestgehend Unklarheit über die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Verwendung der Nummer. Wir haben daher jemanden gefragt, der es wissen muss. GS1 Germany beantwortete uns die wichtigsten Fragen zu Kauf und Verwendung von GTIN-Nummern.

Barcode

(Bildquelle Barcode: Shutter_M via Shutterstock)

Was ist eine GTIN und warum benötigen immer mehr Online-Händler eine GTIN für den Verkauf ihrer Produkte?

Frank Metz: Die sogenannte Global Trade Item Number (GTIN), ehemals EAN bzw. UPC, ist wie ein Fingerabdruck für Produkte und Unternehmen im nationalen und internationalen Geschäftsverkehr. Denn sie identifiziert Artikel, Dienstleistungen und Unternehmen weltweit eindeutig und überschneidungsfrei – zum Beispiel an der Scannerkasse, im Wareneingang oder in Produktkatalogen.

Für Online-Händler ist das Thema derzeit verstärkt relevant. Hintergrund ist, dass immer mehr Hersteller und Händler ihre Waren nicht nur in ihrem eigenen Online-Shop vertreiben, sondern auch über Marktplätze wie Amazon oder Ebay. Und um das vielseitige Angebot für Nutzer anwenderfreundlicher zu strukturieren und eigene Prozesse effizienter zu gestalten, fordern Online-Marktplätze – darunter auch Amazon und Ebay – und Suchmaschinen wie Google verstärkt eine eindeutige Produktidentifikation der angebotenen Waren mit der globalen Artikelnummer GTIN. Auf Basis strukturierter Produktdaten können sie die Vielzahl der angebotenen Produkte kundenfreundlicher sortieren. Denn wenn zu allen Produkten die gleichen Attribute an Informationen hinterlegt sind, finden Käufer schneller, was sie suchen. Außerdem können Produkte dank GTIN zügig und ohne manuellen Aufwand in die eigenen Warenwirtschaftsprozesse übernommen werden. Für Marktplätze heißt das: mehr Effizienz und zufriedenere Kunden. Voraussetzung ist dabei aber, dass die globale Artikelnummer auf dem vorgesehenen, legalen Weg erworben wird. Nur so ist sichergestellt, dass die hinterlegten Informationen mit dem richtigen Hersteller oder Händler sowie Produktmerkmalen übereinstimmen.

Konkrete Tipps für den erfolgreichen und rechtsicheren Verkauf auf Online-Marktplätzen gibt GS1 Germany übrigens am 19. April 2016 im Rahmen des kostenlosen Webinars „Expert Talk Special – How to sell on Marketplaces“.

Bereitgestellt und zentral verwaltet werden die Nummern von GS1. Können Händler GTIN auch bei anderen Anbietern erwerben?

Die GTIN-Vergabe wird von GS1 mit seinen über 110 Länderorganisationen koordiniert. In Deutschland ist GS1 Germany die einzige autorisierte Vergabestelle für GS1 Basisnummern – die Voraussetzung für die Bildung der weltweit eindeutigen und überschneidungsfreien globalen Artikelnummer GTIN. Sie gewährleistet saubere Artikeldaten in Produktkatalogen, in der Lagerverwaltung und in der Warenwirtschaft und ermöglicht automatisierte und sichere Warenwirtschaftsprozesse vom Hersteller über den Logistikdienstleister und Händler bis zum Endverbraucher. Generell gilt: Basisnummern, die mit dem Länderpräfix für Deutschland beginnen – nämlich „400“ bis einschließlich „440“ – dürfen nicht von Internetanbietern verkauft werden, sondern nur von GS1 Germany.

Immer mehr dubiose Anbieter von GTIN befinden sich auf dem Markt. Wo sehen Sie die Gefahren beim Kauf dieser Nummern (z.B. über Ebay)?

Es gibt immer wieder Anbieter, die entweder einzelne oder mehrere GTIN illegal verkaufen. Die Käufer sind nicht berechtigt, diese illegalen Nummern zu nutzen und können abgemahnt werden. Hintergrund ist: Wenn eine globale Artikelnummer beispielsweise von mehreren Unternehmen für unterschiedliche Produkte genutzt wird, führt das zu Störungen im Waren- und Datenverkehr zwischen Geschäftspartnern und Dienstleistern – zum Beispiel an Scannerkassen, in IT-Systemen oder auch bei der Lagerverwaltung. Die Konsequenzen sind erheblich und reichen von unpassenden Angeboten für Online-Shopper bis hin zur Gefährdung des weltweit überschneidungsfreien GS1 Systems und damit auch von Warenwirtschaftssystemen und Warenflüssen. Das ist auch den Betreibern von Marktplätzen wie Amazon und Ebay bewusst, die mit GS1 auf globaler und nationaler Ebene an einer Lösung dieser Problematik arbeiten.

Wer prüfen möchte, ob eine GTIN auf das richtige Unternehmen registriert ist, kann dies übrigens ganz einfach und selbständig auf der Website www.gepir.de tun.

Welche Kosten entstehen Online-Händlern beim Erwerb von GTIN?

Das Preismodell für den Erwerb und die GTIN-Nutzung hängt von unterschiedlichen Parametern ab. Der einmalige Bereitstellungspreis richtet sich nach der individuellen Menge der erworbenen Nummern. Der jährliche Nutzungspreis für die globalen Artikelnummern ist nach dem Gesamtumsatz eines Unternehmens gestaffelt. Um alle Unternehmen mit ihren unterschiedlichen Anforderungen bestmöglich zu unterstützen, bietet GS1 Germany mit GS1 Complete ein Leistungspaket passend zum jeweiligen Bedarf. Die genauen Konditionen finden Sie auf www.gs1-germany.de. Aber auch telefonisch oder per E-Mail über service@gs1-germany.de bietet GS1 Germany bei Fragen vor, während und nach dem Kauf Beratung und Auskunft an.

Gibt es, besonders für kleine Händler, kostengünstigere Methoden des Erwerbs?

Da die Entwicklung der globalen Standards parallel zu den Entwicklungen in der Warenwirtschaft stetig voranschreitet, benötigen auch kleine Händler Zugriff auf das volle Spektrum der GS1 Standards. Um ihnen den Einstieg in das GS1 System zu erleichtern, bietet GS1 Germany verschiedene Nummernkontingente. Darüber hinaus wird die jährliche Nutzungsgebühr nach Unternehmensumsatz gestaffelt. Kleine Unternehmen zahlen also weniger, große Unternehmen deutlich mehr – und das bei gleichem Leistungsumfang wie etwa individueller Support oder Zugriff auf aktuelle Anwendungsempfehlungen.

Interviewpartner: Frank Metz, Leiter E-Commerce bei GS1 Germany

Kommentare  

#11 Stefan Heinze 2017-04-21 20:40
Ich schließe mich umfänglich dem ersten Beitrag an.
Das jährliche Lizenzmodell schlägt in seiner seinem Betrag schon ziemlich heftig rein.
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#10 Ernst Breit 2016-02-20 16:07
Höchste Zeit, die Monopolstellung von GS1 zu brechen und dafür zu sorgen, dass kleine Händler über die Kosten für GTIN nicht vom Markt verdrängt werden. Hier muss der "Größte Onlinehandelsve rband Europas" kraft seiner "über 45.000 geschützten Onlinepräsenzen " mal deutliche Worte sagen. Und zwar so deutlich, dass sie in den Kreisen der Politik nicht zu überhören sind!
Auch ebay und Co. sollten sich für ihre kleinen Händler stark machen, denn ohne diese bliebe nur der graue Einheitsbrei der "Global Player" übrig.
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#9 Mirko Böddecker 2016-02-20 11:47
Ich schließe mich vollumfänglich dem ersten Beitrag an. In den USA gibt es Wettbewerb und die Preise für Codes liegen bei 1/100 dessen, was man in Deutschland dem Monopolisten zahlen muss und sind vor allem "one time fees". Einmal bezahlt und dann ist Ruhe. Es gbt keinen Grund, dass Zahlen so teuer sind. Das jährliche Lizenzmodell schlägt in seiner Frechheit sogar die GEZ.
Diesen Abzockern die Möglichkeit zu geben sich hier so zu äußern und ihr "System" zu belobhudeln, halte ich auf einer Plattform die für die Betroffenen gedacht ist auch für Fragwürdig.
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#8 Redaktion 2016-02-18 09:58
Hallo Segler,

wie im Interview erläutert, geht es nicht um die Kennzeichnung mit einer Ziffernfolge als solche, sondern vielmehr um die Bedeutung, die hinter dieser steckt. Die GTIN muss zentral auf das richtige Produkt und Unternehmen registriert werden. Mit selbst gestalteten Nummern dürfte dies nicht gewährleistet sein.


Viele Grüße,
die Redaktion
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#7 Redaktion 2016-02-18 09:57
Hallo Peter Lösch,

es gibt keine gesetzliche Pflicht für die Verwendung von GTINs. Einige Plattformen fordern diese jedoch seit einer Weile. Wir empfehlen daher, Ihre Plattform zu kontaktieren, ob auch bei selbst produzierten Produkten eine GTIN angegeben werden soll.


Viele Grüße,
die Redaktion
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#6 Segler 2016-02-17 22:56
Wieso soll man die Nummern eigentlich kaufen?
Man kann sich diese auch ganz einfach selbst erstellen.
Das es einen Schutz für Zahlen gibt, wage ich zu bezweifeln.
Dann könnte man ja auch einen Schutz auf Buchstaben Kombinationen anmelden
und jede Kommunikation abmahnen.
Oder worauf begründet sich der Schutz einer Zahlen Kombination.
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#5 Peter Lösch 2016-02-17 16:49
Das betrifft aber nicht Waren, die von mir selber hergestellt werden, oder?

Ich fertige Glasperlen nach historischen Vorlagen, muss ich hier dann für jede Perle mit eigenem Muster eine GTIN erwerben? Bei mehreren hundert Perlen im zukünftigen Shop wäre das finanziell auf keinen Fall tragbar.

Gruß
Peter Lösch
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#4 Redaktion 2016-02-17 16:17
Hallo Manfred Genzel,

vielen Dank für Ihr Feedback. Wir werden dieses für unsere künftige Berichterstattu ng im Hinterkopf behalten.


Viele Grüße,
die Redaktion
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#3 Majo Michael 2016-02-17 15:48
Stefan Franke genau so sehe ich das auch.
Grundsätzlich sollte mal die Frage gestell werden, ob der EAN Händler der einen 100 er Nummerkreis verkauft dieses auch darf.
Gefunden habe ich beispielsweise Nummern von Israel bis Kazachstan. Ich rede nicht von den deutschen Nummern.
Grüßle
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#2 Stefan Franke 2016-02-17 15:05
Auch ich bin mit dem Problem der GTIN bei Ebay konfrontiert und habe hier das Problem, dass bei einigen Artikeln keine GTIN vom Hersteller vergeben werden.

Hierbei handelt es sich aber nicht um Produkte, die rein von mir vertrieben werden, sondern von vielen Händlern Deutschlandweit . Wenn ich hier nun für ein Produkt eine GTIN vergebe und mehrere Händler den selben Schritt mitgehen, gibt es auf einem für ein und das selbe Produkt zig verschiedene GTIN Nummern. Oder ein Händler ist der Dumme, kauft für bares Geld die GTIN Nummern und die Konkurrenten hängen sich dankend dran.

Was mir persönlich aufgefallen ist, einige Händler verwenden gerade bei EBAY Fake GTIN Nummern, damit ihre Produkte weiterhin gelistet sind. Wenn man diese bei gepir.de anfragt, erscheint entweder dass die Nummer nicht vergeben wurde oder teilweise auch Firmeneinträge aus den USA.
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