Neue Rückgaberichtlinien bei Amazon sorgen für Unmut und Rechtsunsicherheit (Update)

Veröffentlicht: 18.04.2017 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 18.04.2018

Online-Händler, die ihre Produkte über Amazon verkaufen, sind verpflichtet, sich an die von Amazon aufgestellten Grundsätze und Bedingungen zu halten. Dazu gehören auch Vorschriften, die den Rückgabeprozess genau regeln - Ganz gleich, ob der Händler seine Produkte über Amazons Versandzentrum oder selbst versendet. Update: Amazon veröffentlicht neue Version.

Amazon Logo

© Eric Broder Van Dyke / Shutterstock, Inc.

Was ist neu?

Am gestrigen Nachmittag, kurz vor Feierabend, überraschte Amazon mit einem Mailing an seine Kunden. Darin heißt es unter anderem: „Ab dem 19. April 2017 vereinheitlicht Amazon deshalb die Rückgabebedingungen für alle gewerblichen Verkäufer. Diese Regelung gilt auch bereits auf allen anderen europäischen Marktplätzen und für Verkäufer, die am Programm „Versand durch Amazon“ teilnehmen.“ Das soll einem verbesserten Einkaufserlebnis dienen und Kunden einen unkomplizierten Rücksendeprozess ermöglichen. Damit zielt Amazon offensichtlich darauf ab, dass Kunden keine Nachteile haben, wenn sie keinen FBA-Artikel bestellt haben.

Die geänderten Rückgabebedingungen von Amazon lauten wie folgt:

  • Wenn Kunden ein gekauftes Produkt ohne Angabe eines Grundes zurücksenden wollen, können sie dies innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Produktes tun. Sie erhalten eine Erstattung in Höhe des Verkaufspreises.
  • Wenn ein Kunde einen Artikel mit einem Verkaufspreis von mehr als 40 EUR innerhalb von 14 Tagen zurücksendet, werden außerdem die Rücksendekosten erstattet.
  • Bei der Rücksendung von Schuhen, Bekleidung und Handtaschen innerhalb von 30 Tagen erhalten die Kunden eine Erstattung der Versandkosten für die Hin- sowie die Rücksendung, unabhängig vom Verkaufspreis, d.h. dass Retouren für solche Artikel immer kostenlos sind.
  • Produkte, die zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember versandt werden, können bis zum 31. Januar des folgenden Jahres zurückgesendet werden.

Wer ist betroffen? 

Betroffen von den Änderungen sind nur Händler, die Amazon noch nicht als Versender nutzen (d.h. keine FBA-Händler sind). Die Rücknahmebedingungen gelten jetzt schon für Verkäufer, die am Programm „Versand durch Amazon“ teilnehmen.“

Wie ist die Rechtslage?

Händler werden in dem Mailing weiter aufgefordert, ihre individuellen Rücknahmebedingungen vor dem 19. April 2017 anzupassen. „Im Interesse eines positiven Einkaufserlebnisses müssen die Rücksendeinformationen auf der Seite mit Ihren Verkäuferinformationen und Richtlinien den Hinweis enthalten, dass Käufer Produkte gemäß den geltenden Rückgaberichtlinien an Sie zurücksenden können.

Amazon empfiehlt hierfür sogar einen eigenen Zusatz in folgender Form, der der individuellen Widerrufsbelehrung hinzugefügt werden soll:

„Unsere freiwillige Rücknahmegarantie

Zusätzlich zu Ihren gesetzlichen Rechten bieten wir Ihnen die folgende freiwillige Rückgabegarantie an:

Sämtliche Produkte, die Sie von uns erwerben, können Sie innerhalb von 30 Tagen ab Erhalt der Ware an uns zurücksenden, sofern die Ware vollständig ist und sich in ungebrauchtem und unbeschädigtem Zustand befindet.
Für eingeschweißte und/oder versiegelte Datenträger (zum Beispiel CDs, Audiokassetten, VHS-Videos, DVDs, PC- und Videospiele sowie Software) bedeutet dies, dass wir die Ware nur in der ungeöffneten Einschweißfolie bzw. mit unbeschädigtem Siegel zurücknehmen.
Die Ware ist an [Rücksendeadresse des Verkäufers einfügen] zurückzusenden. 
Wenn Sie Waren in Übereinstimmung mit dieser freiwilligen Rückgabegarantie zurücksenden, erstatten wir Ihnen den Kaufpreis, jedoch nicht die Versandkosten Ihres ursprünglichen Kaufes.
Außerdem tragen Sie das Transportrisiko sowie die Rücksendekosten.
Die Liefer- und Rücksendekosten werden von uns nur bei Rücksendungen von Bekleidung, Schuhen und Handtaschen getragen.
Diese Rückgabegarantie beschränkt nicht Ihre gesetzlichen Rechte und somit auch nicht Ihr Widerrufsrecht.“

Amazon ändert also offensichtlich nicht die Widerrufsbelehrung selbst, bzw. fügt – soweit bekannt - auch keine eigene vorformulierte Fassung ein, sondern wählt die Form einer eigenständigen und vom Widerrufsrecht unabhängigen Rücknahmegarantie. 

Juristisches Kauderwelsch

Aus juristischer Sicht ist der Text der freiwilligen Rücknahmegarantie ein Kauderwelsch, der für mehr Verwirrung als Klärung sorgen dürfte. Zudem werden die Rechte der Verbraucher im Vergleich zum Widerrufsrecht sogar noch beschränkt. Beispielsweise tragen Verbraucher nie das Transportrisiko bei einer Rücksendung. Außerdem werden die Kosten der Hinsendung bei einem vollständigen Widerruf immer erstattet. Widersprüche zur Widerrufsbelehrung des Verkäufers sind generell kritisch und daher ist diese Form der freiwilligen Rücknahmegarantie rechtlich bedenklich.

Zudem ist fraglich, wie mit den weiteren Punkten verfahren werden soll, die in der freiwilligen Rücknahmegarantie nicht auftauchen. So verlangt Amazon für den Fall, dass Kunden einen Artikel mit einem Verkaufspreis von mehr als 40 Euro innerhalb von 14 Tagen zurücksenden, die Rücksendekosten vom Verkäufer erstattet werden müssen (s.o.). Eine Differenzierung hinsichtlich der Kostentragung bei einer Rücksendung sieht das gesetzliche Muster zur Widerrufsbelehrung samt den Gestaltungsvorschlägen nicht vor. Dort wird als Formulierung für die Kostentragung vielmehr vorgeschlagen „Wir tragen die Kosten der Rücksendung der Waren.“ oder „Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.“ Eine Regelung vergleichbar mit der 40-Euro-Regelung oder inhaltlich ähnliche Formulierungen sind vom gesetzlichen Muster nicht vorgesehen. Ob eine solche Kostentragungsregelung zulässig wäre, ist damit aktuell nicht geklärt.

Darf Amazon das?

Diese Frage wird uns bei jeder Änderung gestellt und sie lautet fast immer „ja“. Sei es die Einführung einer Monatsfrist beim Widerruf bei Ebay oder abstruse Bilderrichtlinien bei Amazon. Solange die Marktplätze nichts Gesetzeswidriges von ihren Händlern verlangen, dürfen sie die Bedingungen für den Handel festlegen. In diesem Fall verlangt Amazon eine Einschränkung der gesetzlichen Widerrufsbedingungen. Amazon-Händler müssen wie so oft entscheiden, ob sie durch die Änderungen die Gefahr einer Abmahnung in Kauf nehmen oder Sanktionen durch Amazon riskieren.

Sanktionen für Händler sind möglich

Die Frage ist jedoch, ob Händler zu dieser Änderung verpflichtet sind. Für Artikel, die am oder nach dem 19. April 2017 bestellt werden, sollen Kunden einen A-bis-Z-Garantieantrag an den Verkäufer stellen können, wenn diese ihnen die oben genannten Rückgabebedingungen nicht gewähren. Langfristig werden Händler daher nicht ohne die freiwillige Rücknahmegarantie leben können. Wieder mit der neuen Gefahr von rechtlichen Auseinandersetzungen, sprich Abmahnungen.

Fazit

Amazon räumt mal wieder ordentlich auf und zieht alle Register. Wie auch schon bei der lokalen Rücksendeadresse beim internationalen Versand und dem verstärkten Versand durch Amazon will Amazon sich nicht mehr so stark auf seine zahlreichen Marketplace-Händler verlassen. Lieber selbst ankaufen und versenden, scheint die Devise von Amazon. Die Vor- und Nachteile haben wir en masse auf diesem Portal diskutiert. Wo es nicht anders geht, dürfen Händler notgedrungen noch selbst ran – dann aber mit so strengen Bedingungen, dass sie tatsächlich und rechtlich kaum umsetzbar sind. Letztendlich sollen zumindest die Kunden keinen Unterschied merken, bei wem und wo sie eingekauft haben (FBA oder nicht). 

Händlerbund-Mitglieder werden rechtzeitig informiert, sofern Anpassungen notwendig sind und wie weiter verfahren werden soll.

 

Ihr Meinung zur neuesten Änderungen? Diskutieren Sie in unseren Kommentaren gerne mit.

 

Update vom 18.04.2017

Amazon hat die im März bekanntgegebene freiwillige Rücknahmegarantie kurz vor den Osterfeiertagen inhaltlich angepasst und um die 40-Euro-Klausel erweitert. Insoweit ist die Diskussion über die Zulässigkeit einer 40-Euro-Klausel in der Widerrufsbelehrung obsolet geworden. Der Text sieht nun wie folgt aus:

"UNSERE FREIWILLIGE RÜCKGABEGARANTIE

Zusätzlich zu Ihren gesetzlichen Rechten bieten wir Ihnen die folgende freiwillige Rückgabegarantie an:

Produkte, die Sie von uns erwerben, können Sie innerhalb von 30 Tagen ab Erhalt der Ware an uns zurücksenden, sofern keiner der Ausschlussgründe vorliegt, die Ware vollständig ist und sich in demselben Zustand befindet wie bei Erhalt. Waren, für die Sie kein Widerrufsrecht haben, können Sie auch im Rahmen der Rückgabegarantie nicht zurücksenden. Weitere Einzelheiten finden Sie hier. Die Ware ist an [Rücksendeadresse des Verkäufers einfügen] zurückzusenden.

Wenn Sie Waren in Übereinstimmung mit dieser freiwilligen Rückgabegarantie zurücksenden, erstatten wir Ihnen den Kaufpreis. Bei Rücksendungen von Bekleidung, Schuhen und Handtaschen tragen wir außerdem die Liefer- und Rücksendekosten. Bei zurückgesendeten Waren, deren Preis einen Betrag von 40 Euro übersteigt und die Sie innerhalb der ersten 14 Tage an uns absenden, tragen wir ebenfalls die Rücksendekosten. Wir erstatten jedoch nicht die Versandkosten Ihres ursprünglichen Einkaufs. In jedem Fall tragen Sie das Transportrisiko bei der Rücksendung. Diese Rückgabegarantie beschränkt nicht Ihre gesetzlichen Rechte und somit auch nicht Ihr Widerrufsrecht."

 

Händlerbund-Mitglieder erhalten am 18.04.2017 eine finale Handlungsanweisung zu den Rechtstextänderungen bei Amazon.

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