Wir wurden gefragt: Darf ich Waren unter dem Einstandspreis anbieten?

Veröffentlicht: 22.05.2014 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 22.05.2014

Die Frage, ob Waren unter dem Einstandspreis verkauft werden dürfen, hat in der Vergangenheit praktische Bedeutung vornehmlich im Einzelhandel erlangt. Die Mehrzahl der Fälle, in denen ein Verstoß gegen das Verbot des Angebots unter dem Einstandspreis vorlag, betraf den Lebensmitteleinzelhandel. Aber was gilt für kleinere Online-Händler?

Fragen

(Bildquelle Fragen: Jan Engel via Fotolia)

Wer die Pressemitteilungen des Bundekartellamtes in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, hat diese oder ähnliche Mitteilungen schon des Öfteren gelesen: „Bundeskartellamt verhängt Bußgeld in Höhe von 300.000 Euro gegen Unternehmen xy wegen des Verkaufs unter dem Einstandspreis“. Aber was bedeutet dieses Verbot in der Praxis und gilt es auch für kleinere oder mittelständische Online-Händler?

Was ist der Einstandspreis?

Der Einstandspreis wird auch als Beschaffungspreis bezeichnet und ausgehend vom Listenpreis des Lieferanten (ohne Mehrwertsteuer) berechnet, von dem weitere preiswirksame Faktoren (z.B. Nachlässe, Zölle, Steuern, Versandkosten) abgezogen bzw. dazu addiert werden. Der Einstandspreis ist nicht mit dem Einkaufspreis zu verwechseln, der meist nur die Kosten für den „Einkauf“ und die direkt zurechenbaren Abzüge (z.B. Skonto, Rabatt etc.) umfasst, jedoch die Kosten für die „Beschaffung“ unberücksichtigt lässt.

Das kartellrechtliche Verbot

Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (kurz: GWB, sog. Kartellgesetz) ist es verboten, kleine und mittlere Wettbewerber durch Ausnutzung überlegener Marktmacht unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung stellt insbesondere das nicht nur gelegentliche Angebot von Waren unter Einstandspreis dar, es sei denn, dies ist sachlich gerechtfertigt. Das Verbot gilt allerdings nicht generell, sondern erstreckt sich nur auf marktmächtige Unternehmen sowie auf das nicht nur gelegentliche und sachlich nicht gerechtfertigte Anbieten unter Einstandspreis. In der Vergangenheit waren daher beispielsweise große Unternehmen wie Rossmann und Netto in den Fokus des Bundeskartellamtes geraten. Ziel der Vorschrift ist der Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber unbilligen Behinderungspraktiken marktstarker Konkurrenten. Der ansonsten zulässige Preiswettbewerb soll seine Grenze darin erfahren, dass eine vorsätzliche und machtbedingte Verdrängung von mittelständischen Wettbewerbern verboten ist.

Voraussetzungen

Die Prüfung, ob ein bestimmtes Preisverhalten unter das gesetzliche Verbot fällt, erstreckt sich auf vier Voraussetzungen:

1. Überlegene Marktmacht

Adressaten des Verbots sind nur Unternehmen, die gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern, denen sie auf denselben sachlich und räumlich relevanten Märkten begegnen, eine überlegene Marktmacht besitzen.

2. Nicht nur gelegentlich

Nur auf Dauer angelegte Unter-Einstandspreis-Angebote fallen hierunter, keine kurzfristigen Einzelaktionen (z.B. Einführungspreise, Lockangebote). Auf Dauer angelegte Unter-Einstandspreis-Angebote in einem Markt, die sich auf wechselnde Artikel beziehen, erfolgen aber nicht nur gelegentlich. Bei Lebensmitteln ist auch das nur gelegentliche Anbieten unter Einstandspreis untersagt.

3. Unter-Einstandspreise

Liegt der Einstandspreis (s.o.) über dem Angebotspreis der entsprechenden Ware (nach Abzug der darin enthaltenen Mehrwertsteuer), ist diese Voraussetzung erfüllt.

4. Keine sachliche Rechtfertigung

Als sachliche Rechtfertigung kommen Notlagen in Betracht (z.B. Verderb von Lebensmitteln, drohende Insolvenz).

Fazit

Die Frage „Darf ich Waren unter dem Einstandspreis anbieten?“ kann wie so oft nur mit einem „Es kommt darauf an“ beantwortet werden. Für kleinere und mittelständige Online-Händler dürften sich jedoch kaum Probleme ergeben, weil regelmäßig das Tatbestandsmerkmal der „überlegenen Marktmacht“ nicht vorliegt.

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