Einzelfallbetrachtung – die juristische Kolumne

Geld für selbstgenähte Masken verlangen: Ist das moralisch verwerflich?

Veröffentlicht: 13.05.2020 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 13.05.2020
Masken werden an der Nähmaschine hergestellt

Derzeit schwenken viele Anbieter im Handmade-Bereich auf die Produktion von Masken um. Die Preise schwanken hier stark zwischen 4 und 20 Euro pro Stück und stehen einer Gruppe von Freiwilligen gegenüber, die tausende selbstgenähter Masken spenden. 

Klar: Rein juristisch gesehen gibt es kein Problem beim Verkauf von Masken, sofern man sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen hält. Dazu gehört das Vorhandensein des Gewerbescheins, die Einhaltung der Textilkennzeichnung und die richtige Benennung. Außerdem dürfen die guten Stücke nicht zum Wucherpreis verkauft werden.

Zu Abwechslung soll es hier also mal nicht um die rein juristische Seite gehen, sondern um die der Moral: In verschiedenen Facebook-Gruppen dürfen sich Anbieter nämlich den Vorwurf gefallen lassen, dass es moralisch verwerflich sei, Masken zu verkaufen.

Wie bitte?

Als ich diesen Vorwurf das erste mal unter einem Verkaufsbeitrag laß, musste ich den entsprechenden Kommentar zweimal lesen. Da wurde einer Näherin, die ihre Masken für etwa 5 Euro das Stück anbot, tatsächlich Profitgier vorgeworfen. Bei diesem Vorwurf handelte es sich nicht um einen Einzelfall. 

Jene, die Masken nähen, sollen diese doch bitte kostenlos spenden, statt damit auch noch Geld zu verdienen. Das ist die Meinung, die so manch einer vertritt. Es sei schließlich eine Frage der Moral, diese kostenlos anzubieten. Ich selbst hatte zu dem Zeitpunkt neben meiner Vollzeittätigkeit mehr als 50 Masken über drei Abende verteilt genäht, um diese zu spenden. Das habe ich zugegeben nicht getan, um ins Blaue hinein etwas Gutes zu tun, sondern weil ich durch eine Freundin, die in einer kleinen Pflegeeinrichtung arbeitet, mitbekommen habe, dass dort ein akuter Mangel herrscht und die selbstgenähten Masken eine gute „besser-als-nichts“-Lösung sein sollten. 

Dennoch würde ich nicht sagen, dass ein jeder die Pflicht hat, Material und vor allem Zeit zu spenden. Ich finde es richtig, wenn kleine Betriebe und Selbstständige ihre Produkte der Nachfrage anpassen und so über die Runden zu kommen. Lieber so als Pleite gehen, denke ich mir. 

Ich muss auch zugeben, dass ich ob meiner Spende ein kurzes, schlechtes Gewissen bekommen habe, als ich den Blogbeitrag einer Selbstständigen laß, die sich darüber beklagte, dass die massenhaften Spenden dafür sorgen würden, dass bei ihr kaum einer Masken kaufen würde; sie aber gerade auf diese Einnahmen angewiesen sei. Mode würde gerade nicht viel gekauft; die Nachfrage nach Masken sei höher. 

Die Doppelzüngigkeit im Handmade-Bereich

Was mir aber recht sauer aufstößt, ist die Doppelzüngigkeit, die in diesen Vorwürfen mitschwingt. Täglich regen sich Hobby-Näherinnen über Nachbarn, Kollegen und Bekannte auf, die für einen feuchten Händedruck ein selbstgenähtes Stück ergattern wollen. „Alle wollen Handmade, aber nichts dafür zahlen“, lautet ein weit verbreiteter Vorwurf. Gewerbetreibende, die ihre Produkte zu günstig anbieten, weil sie das ganze laut eigenen Aussagen „nur nebenbei machen“ und „keinen Gewinn erwirtschaften wollen“, setzen sich harscher Kritik aus. Schließlich würden diese den Markt kaputt machen und denen die Kundschaft wegnehmen, die auf faire Preise angewiesen sind.

Aber Masken – ja, die sollen gespendet werden, einfach weil. Hier sollen Selbstständige plötzlich auf ihre Einnahmen verzichten, weil sie verdammt noch mal dazu verpflichtet sind, etwas Gutes zu tun. 

Man stelle sich mal vor, niemand würde Geld für seine Masken verlangen. Ich höre schon jetzt die Empörung, wenn nach der Krise die Handmade-Landschaft sehr verlassen aussieht und irgendwo aus einer Ecke das Echo kräht: „… weil niemand faire Preise zahlen wollte.“

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