Porträt Online-Händler Sportspar

Mit Restposten zum Erfolg: Das ist das Gegenmodell zu „Höhle der Löwen“-StartUps

Veröffentlicht: 21.10.2020 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 21.10.2020
Jevgenij Borisenko & Thorsten Legat

Wer online neue Fußballschuhe sucht, findet – immerhin noch auf Googles erster Ergebnisseite – den Webshop von sportspar.de und wird dort gleich mit Wish-artigen Rabatten zum Kauf verleitet: minus 82 Prozent, minus 73 Prozent! Wie kann man als Online-Händler dabei noch Geld verdienen? Das Geheimnis kennen die Sportspar-Gründer, die Zwillingsbrüder Jevgenij und Aleksandr Borisenko (31).

Das Unternehmen Sportspar wurde 2020 zehn Jahre alt. Mittlerweile hat die Firma über 80 Mitarbeiter, bietet in ihren Webshops Tausende Sportartikel in sieben Ländern an und machte laut eigenen Angaben zuletzt einen Umsatz von rund 25 Millionen Euro. Vom Fußball-Trikot bis zum Ohrenschützer für Ringer findet sich dort (fast) alles für Sportfans, insgesamt rund 15.000 Artikel. Das Geschäftsmodell: Die jungen Unternehmer kaufen Restposten von Marken-Herstellern und Händlern in rauen Mengen auf und können so die Outlet-Ware und Auslaufmodelle zum Schnäppchenpreis anbieten. „Beim ersten Deal erwies sich unsere bis heute verfolgte Strategie als wirksam: Wir nehmen den kompletten Bestand, wickeln das Geschäft unkompliziert ab und zahlen schnellstmöglich im Voraus“, erklärt der aus Litauen stammende Jevgenij Borisenko. 

Die Anfänge von Sportspar: Outlet-Ware auf Ebay verkaufen

Vor dem ersten großen Deal standen allerdings viele kleine – nämlich auf Ebay. Dort starteten die beiden Brüder 2006 in Aachen mit dem Verkauf von ausrangierten Shirts und Schuhen, die sie damals noch selbst im stationären Outlet-Geschäft gekauft haben. „Die Marge lag teilweise um ein Dreifaches höher als prognostiziert. Diese Wow-Effekte legten das Potenzial von Wiederverkäufen offen“, so Borisenko. Schnell folgte ein eigener Ebay-Shop, Verkauf auch über Amazon, eine eigene Lagerhalle und mit 21 Jahren starteten die Zwillinge schließlich die Sportspar GmbH samt Online-Shop.

Doch so leicht wie der Schnäppchen-Verkauf lief die Gründung nicht: Es gab jede Menge Vorbehalte gegenüber den damaligen Abiturienten. „Anfangs lag die größte Herausforderung darin, einen Markenhersteller zu überzeugen, seine Restposten an Sportspar abzugeben. Wir mussten viele Klinken putzen und erhielten nicht selten Absagen. Zu Beginn hatten wir offen gesprochen keine Ahnung von Finanzierungsmodellen, Investoren oder dergleichen“, erinnert sich Jevgenij Borisenko. Auch das Vorsprechen bei einer bekannten Großbank zur Eröffnung eines Geschäftskontos habe dort nicht das notwendige Vertrauen geweckt. 

Alles ohne Investor: Sportspar als Gegenmodell zu „Löwen-StartUps“

Die umtriebigen Zwillinge schaffen es schließlich selbst – nur mit Eigenkapital – und sehen sich mit ihrer „Do-it-yourself-Mentalität“ als eine Art Gegenmodell zu den StartUps der bekannten Vox-Show „Die Höhle der Löwen”. „Die Hand aufzuhalten und nach Kapital zu fragen, kam und käme uns nie in den Sinn“, sagt der Sportspar-Gründer. „Von Picking über Versand bis Retourenmanagement und Buchhaltung haben wir lange alles selbst gemacht. Viele Fehler waren die Folge, sodass wir erst viel zu spät Mitarbeiter einstellten und unsere Kraft dem Management widmeten“, blickt er zurück auf die schwierigen Anfänge.

Aleksandr und Jevgenij Borisenko

Mittlerweile ist Sportspar aus Aachen ins sächsische Eilenburg gezogen, aus der anfänglichen Verkaufszentrale im 15qm-Kinderzimmer ist jetzt ein Firmensitz mit 55.000 Quadratmeter Gesamtfläche geworden. Dort erinnert ein riesiges Grafitti im Foyer an das erste bei Ebay verkaufte Produkt: Ein Paar Adidas-Turnschuhe, Modell „Superstar“.

In Leipzig entsteht außerdem ein Vorposten für die weitere Eroberung des europäischen Marktes. Hier arbeitet ein 14-köpfiges Team an der Internationalisierung der Marke Sportspar. Bisher gibt es eigene Webshops in Italien, Frankreich, Spanien, Belgien, der Niederlande, Luxemburg und zuletzt seit September 2020 in Polen. Europaweit beliebte Produkte sind vor allem Fanartikel, Sneaker und Basics.

Expansion, Eigenmarken, stationärer Laden? – So geht es weiter mit Sportspar

Die beiden Gründerbrüder wollen neben der Expansion in andere Länder auch die Erweiterung des Sortiments vorantreiben. „Yogamatten und Ballpumpen verkauft niemand als Restposten. Dieses Angebotsloch soll eine Eigenmarke schließen“, erzählt Jevgenij Borisenko. Vielleicht kommt auch ein eigener stationärer Laden.

Beim Marketing für Sportspar helfen unter anderem gelungene Werbevideos sowie eine Schar illustrer Markenbotschafter, darunter Thomas Häßler, Hans Sarpei, Joey Kelly, Stefan Kretzschmar und aktuell Thorsten Legat. „Bei der Wahl passender Markenbotschafter liegt der Fokus auf Sportlern mit hoher Bekanntheit und einem bodenständigen Image. Sie erwecken als Trust-Symbol Vertrauen bei der Kundschaft“, erläutert Borisenko. 

Sportspar: Zwillingsbrüder als Unternehmensgründer

Vertrauen ist auch das Stichwort bei den beiden Zwillingsbrüdern und Geschäftspartnern. „Wir ergänzen uns super in den jeweiligen Stärken und vertrauen dem anderen blind. Das war schon zu Kindheitstagen so, als wir im selben Fußballverein kickten“, sagt Aleksandr Borisenko. Bis zum 17. Lebensjahr haben beide auch im selben Zimmer gewohnt, da sei es jetzt „logische Konsequenz, dass wir schon zwölf Jahre lang im gleichen Büro sitzen“, ergänzt Jevgenij. Er ist für Einkauf und Marketing zuständig, sein Bruder Aleksandr für Unternehmenswachstum, interne Prozesse und den Kundenservice. „Bei Uneinigkeiten, die selten auftreten, finden wir gemeinsam eine schnelle Lösung. Zu Streit kommt es dabei nie“, versichert Jevgenij.

„Bei der Vernichtung von Waren muss eine Trendwende stattfinden“

Den ersten zehn Jahren des Unternehmens könnten noch einige weitere folgen, denn die derzeitigen Bedingungen in der Branche sprechen für das Geschäftsmodell. „Sportspar profitiert von der Masse an produzierter Kleidung, indem wir Überhänge günstig aufkaufen und wieder vertreiben. Gleichzeitig wandern einwandfreie Artikel nicht sinnlos in die Verbrennungsanlage. Restposten wird es zwecks Planbarkeits-Problemen der Hersteller aber immer geben“, ist sich Jevgenij Borisenko sicher.

Dennoch steht er dem Prinzip Fast Fashion auch kritisch gegenüber, wenn die Ware vernichtet wird. „Da muss eine Trendwende stattfinden, quartalsweise neue Kollektionen zu veröffentlichen und sie bei unvollständigem Absatz zu vernichten, ist alles andere als nachhaltig.“

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