Kolumne „Pech gehabt“

Coronakrise: Nicht jeder Online-Händler ist Amazon

Veröffentlicht: 02.12.2020 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 02.12.2020
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Wenn in der Tagesschau oder anderen Nachrichtensendungen vom Online-Handel gesprochen wird, ist das für Branchen-Kenner immer ein bisschen unangenehm. Davon abgesehen, dass allein das Wort offenbar nicht im alltäglichen Gebrauch der meisten Nachrichtensprecher vorkommt, wird er immer wenigstens ein bisschen als Bedrohung stilisiert. Der E-Commerce boome, heißt es da, die Coronakrise sorge für Umsatzrekorde und dass die Menschen auf Online-Angebote ausweichen, weil stationäre aktuell wenig geht, scheint etwas Schlechtes zu sein. Und natürlich ist immer Amazon an allem Schuld.

In wenigen Sätzen wird oft Amazon mit Online-Handel und Online-Handel mit Innenstadt zerstörender Geldgier vermengt. Nun kann man in Kurzbeiträgen (oder Branchen-News überregionaler Zeitungen) keine Abhandlungen über die Diversität einer ganzen Branche erwarten, aber man würde sich doch wünschen, dass „der Online-Handel“ etwas reflektierter dargestellt werden würde.

Auch Online-Händler kämpfen mit der Krise

Denn viel zu häufig wird die Branche als eine homogene Größe gezeigt, die sie nicht ist. Es ist schon sehr kurzsichtig, den Milliarden-Konzern Amazon mit einem mittelständischen Händler mit 50 Mitarbeitern gleichzustellen, ganz zu schweigen von Kleinstbetrieben. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, den kleinen Schuhladen mit einem Kaufhof-Kaufhaus zu vergleichen. Und so ist es eben auch kurzsichtig, alle Online-Händler als Gewinner der Coronakrise hinzustellen, denn die Realität sieht entschieden anders aus.

In der aktuellen Händlerbund-Studie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie beklagt die Hälfte aller befragten Online-Händler negative Folgen für ihr Geschäft. Wer profitiert, der profitiert in der Regel enorm, wer aber mit Umsatzverlusten arbeiten muss, der verliert auch enorm: Die Verluste derjenigen, die Umsatzeinbrüche verzeichnen, liegen im Schnitt bei 33,5 Prozent. Diesen Händlern hilft es keinen Meter, wenn „der Online-Handel aber boomt“. Hier geht es um Arbeitsplätze, Gehälter und teils um Existenzen genau wie in allen anderen Wirtschaftszweigen in dieser Coronakrise.

Kleine Händler brauchen ihre Kunden

Die Möglichkeit, online einzukaufen, ändert nichts an der Tatsache, dass viele Menschen in diesen Zeiten ihr Geld zusammenhalten müssen. Vor allem aber, und das darf man nicht unterschätzen, profitieren wenn überhaupt, dann die Big Player von der neuen Online-Liebe und das ist ja auch ganz logisch: In der Innenstadt sind die Umsatztreiber die großen Kaufhäuser. Kleine Läden freuen sich die über die Sichtbarkeit, aber von zehn potenziellen Kunden halten dann vielleicht ein oder zwei auch mal kurz in der kleinen Buchhandlung an. Das ist im E-Commerce erst einmal nichts anderes. Diejenigen, für die Online-Shopping tatsächlich Neuland ist, werden mit ziemlicher Sicherheit bei Google, Amazon und Ebay landen und nicht beim kleinen Nischen-Shop. Mit sehr viel Glück kaufen sie auf den Marktplätzen dann vielleicht bei kleineren Händlern.

Wenn überhaupt, dann treibt die Coronakrise die Kunden in die Arme der ohnehin schon ganz Großen. Und sorgt dafür, dass die Kleinen noch mehr Probleme haben, an Kunden zu kommen. Da geht es Online-Händlern wie ihren stationären Kollegen. Darum gilt online genau wie stationär: Kunden müssen sich bewusst machen, dass es nicht nur Big Player gibt, sondern noch viel mehr kleine Anbieter, die ihre Kundschaft brauchen, um vernünftig wirtschaften zu können. Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich. Auch für diejenigen übrigens, die über sie berichten. Verallgemeinerung war noch nie eine gute Idee.

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