Ama-Zone

Amazon Prime fühlte sich nie so unattraktiv wie heute an

Veröffentlicht: 27.01.2023 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 27.01.2023
Dreckiger Amazon-Karton mit Smile

In der Reihe „Ama-Zone“ grübelt Tina Plewinski über die vielfältige Welt von Amazon: über Vor- und Nachteile des Online-Riesen, neue Entwicklungen, trendige Hypes, die unablässigen Machtbestrebungen des Konzerns und – im aktuellen Teil dieser Reihe – über Entwicklungen, die die Freude an Prime trüben.

Schon immer hatte Amazon die höchsten Ansprüche an sich selbst – zumindest, wenn man den eigenen Werbeaussagen Glauben schenken durfte. „Unser Ziel ist es, das weltweit kundenorientierteste Unternehmen [...] zu sein“, so ist es auf der Website des Online-Riesen zu lesen. Allerdings, so scheint es mir, hat Amazon im Zuge der Pandemie, massiver Kostensteigerungen und des hohen wirtschaftlichen Drucks sowie der Aktionäre dieses Ziel ein wenig aus den Augen verloren. 

Es häufen sich schlechte Nachrichten und Service-Einbußen, die sich negativ auf das sonst so dominierende Wohlfühl-Gefühl auswirken, das Amazon in der Vergangenheit bei vielen Kunden ausgelöst hatte. Und auch der einst so dominierende Status des Prime-Programms scheint ins Bröckeln zu geraten.

Eine Kleinstadt verliert ihre Jobs 

Da wären zum Beispiel mehr als 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Amazon entlässt. Was ein Brocken! Bei 100 entlassenen Beschäftigten hier und da ist es Konsumentinnen und Konsumenten in der Regel ein Leichtes, solche Entwicklungen auszublenden – zumindest, wenn sie selbst nicht betroffen sind und das Entlassungsgeschehen weit weg erscheint. Zum Beispiel in den USA. Je weiter solche Einschläge vom eigenen Lebensmittelpunkt entfernt sind, desto besser lassen sie sich ignorieren, zeigt die Erfahrung. 

Bei 18.000 Betroffenen dürfte dem ein oder anderen dennoch ein kühler Schauer über den Rücken laufen. Schließlich ist das quasi die Einwohnerzahl einer ganzen Kleinstadt. 18.000 Einzelschicksale und 18.000 Gründe, fairere Anbieter zu unterstützen. Ein deutlicher Riss im Amazon-Image – und ein schales Gefühl beim Online-Shoppen.

Wohltätigkeit scheint nicht drin zu sein, wenn die Gewinne schwinden

Auch die Einstampfung des Wohltätigkeitsdienstes Amazon Smile dürfte dem ein oder der anderen sauer aufgestoßen sein: Im Rahmen dieses Dienstes war es Kundinnen und Kunden möglich, über ihre Einkäufe bei Amazon eine Spende an eine Wunschorganisation vorzunehmen – und zwar ganz ohne Mehrkosten.

Als Grund für das Aus nennt Amazon die Ineffizienz von Amazon Smile: „Leider hat das Programm nicht die Wirkung entfalten können, auf die wir gehofft hatten“, heißt es in der entsprechenden Unternehmensmeldung. In der Vergangenheit hatte Amazon hingegen immer wieder betont, wie stolz man auf das Geschaffte sei: „Seit dem Start im Jahr 2016 haben wir auf diesem Weg bereits über 10 Millionen Euro an über 25.000 teilnehmende Organisationen in Deutschland und Österreich ausgezahlt – weltweit seit 2013 mehr als 200 Millionen Euro.“

Gerade mit Blick auf die Tausenden Entlassungen und Einsparmaßnahmen fühlt sich die Argumentation des Smile-Endes nur wenig authentisch und stattdessen wie eine Maßnahme zur Stärkung eigener Gewinne an. Getrieben wird dieses Gefühl von aktuellen Berichten, nach denen Smile im Kern nie auf Wohltätigkeit, sondern auf Einsparungen ausgelegt war: Ein Insider, der selbst als Amazon-Manager gearbeitet haben will, habe sich laut Winfuture über Reddit geäußert: Mit Smile sollten Kundinnen und Kunden davon abgehalten werden, ihre Einkäufe über Google zu beginnen, weil Amazon dadurch viel Geld an Google verliere. „Amazon Smile wurde vom Traffic Optimization Team entwickelt, dessen einziges Ziel es ist, die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken, um Kunden zu Amazon zu bringen“, heißt es in dem Bericht.

Zugegeben, das sind ziemlich viele Konjunktive. Doch die Tatsache, dass es dem Unternehmen zumindest zuzutrauen ist, wiegt schwer. Und so bleibt auch hier ein ungutes Gefühl, das die Bindung zu Amazon ankratzt.

Die unsäglichen Änderungen bei Amazon Music

Neben den konzernweiten Entwicklungen gibt es auch Neuerungen, die im Zuhause der Kundinnen und Kunden – und damit im Herzen des Lebens – stattgefunden haben: nämlich Änderungen bei Amazon Prime Music. Mag sich übertrieben dramatisch anhören, sorgt aber seit Monaten für massive Kritik.

Wir haben bereits mehrfach darüber berichtet: Im November letzten Jahres hatte Amazon Neuerungen für seinen Musikdienst angekündigt: Statt auf 2 Millionen Songs können zahlende Prime-Abonnenten seither auf mehr als 100 Millionen Songs zugreifen. Das Problem: Die Nutzerschaft kritisiert die Änderungen scharf, weil Amazon Alben nicht mehr gewohnt, sondern nur noch in Zufallswiedergabe abspielt und auch bei Wunsch-Künstlern beispielsweise ähnliche Künstler untermischt. Selbst bei gekauften Songs und Alben soll es Probleme geben. 

Viele sehen in Prime Music keine Vorteile mehr. Dann könne man auch Radio hören, so der Vorwurf. Und auch ich habe seither unzählige Scharmützel mit Alexa ausgetragen, die nicht selten damit endeten, dass ich die Sprachassistenz aus- und YouTube auf dem TV angeschaltet habe.

Distanz ist der erste Schritt zur Trennung

Bisher dachte ich immer, das Konzept von Amazon sei unkaputtbar. Amazon: Ein Konzern, der die Wünsche der Menschen kennt – und diese manchmal sogar erfüllt, noch bevor man selbst weiß, dass man sie hat. Doch dieses Wohlgefühl der Rundum-Versorgung schwindet.

Es gibt zahlreiche Faktoren, die in jüngster Vergangenheit dazu geführt haben, dass ich mich gefühlsmäßig aus Amazons Dunstkreis zurückziehe. Ob sich die zunehmende Distanz verstärkt oder Amazon es schafft, durch maßgebliche Verbesserungen das Ruder rumzureißen, wird sich zeigen.

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