Erfahrungsbericht

„Ich möchte Glücksmomente schaffen“ – Von der Hobby-Bastlerin zur Vollzeit-Online-Händlerin

Veröffentlicht: 20.03.2023 | Geschrieben von: Corinna Flemming | Letzte Aktualisierung: 20.03.2023
Frau die bastelt

Die Leipzigerin Susi Köhler hat schon in jungen Jahren das Basteln für sich entdeckt. Was anfangs nur ein Hobby war, entwickelte sich für die 29-Jährige schnell zu einem netten kleinen Nebengewerbe. Im Winter 2022 schossen ihre Verkäufe allerdings in ungeahnte Höhen. Nun hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht – und arbeitet Vollzeit als Online-Händlerin.

Welchen Herausforderungen sie sich jeden Tag gegenübersieht, was sie an ihrem Job richtig nervt und warum sie sich aktuell dennoch keinen besseren Beruf vorstellen kann, erzählt sie im Interview.

„Anfangs habe ich einfach überall ein paar Produkte online gestellt

OnlinehändlerNews: Hallo Susi, erzähl uns etwas über dich: Wo kommst du her und wie waren deine Anfänge als Online-Händlerin?

Susanne Köhler: Hallo, ich bin Susanne Köhler, 29 Jahre alt und aus Leipzig. Ursprünglich komme ich aus Hessen und bin der Liebe wegen 2020 nach Leipzig gezogen. Seit 2017 habe ich ein Kleingewerbe angemeldet und so kam alles eher zufällig ins Rollen. Ich stellte ein paar Dinge bei Ebay Kleinanzeigen online und es gab tatsächlich Leute, die meine handgemachten Werke kaufen wollten.

Du verkaufst hauptsächlich Selbstgemachtes und individualisierte Produkte. Wie bist du dazu gekommen? 

Das Basteln als Hobby begleitet mich bereits seit meiner Jugend und als 2021 mein Sohn geboren wurde, war es mein Ausgleich zum manchmal doch sehr eintönigen Mama-Alltag mit einem Neugeborenen. Anfangs entstanden dabei viele Werke für Freunde und Familie. Aber irgendwann bastelte ich mehr als ich verschenken konnte und es sprach sich rum, sodass ich langsam anfing, auch Auftragsarbeiten anzunehmen. Dabei ermutigte mein Partner mich und unterstützte mich bei jeder meiner (nicht immer) tollen Ideen. So kamen nach und nach immer mehr Materialien und Werkzeuge hinzu und alles wurde professioneller. Aus diesem Hobby wurde schließlich der Beruf und „Schnaubinchens Bastelecke“ geboren.

Über welche Plattformen verkaufst du und welche sind für dich die erfolgreichsten? Schließt du bestimmte Marktplätze aus? Wenn ja, warum?

Aktuell verkaufe ich online hauptsächlich über Ebay Kleinanzeigen und meinen eigenen Online-Shop: www.schnaubinchens-bastelecke.de, vereinzelt auch mal über Ebay, Facebook oder Instagram.

Allerdings habe ich anfangs einfach überall ein paar Produkte online gestellt und schnell gemerkt, auf welchen Plattformen meine Waren überhaupt die Zielgruppe erreichen und wo es sich nicht lohnt, diese tiefgehender zu pflegen. Naheliegend wären sicher auch die „üblichen“ Plattformen für Handgemachtes wie Etsy, Kasuwa, Palundu usw. Bei diesen haben mich aber bisher die hohen Kosten und die Konkurrenz abgeschreckt. Zudem habe ich ein paar langfristige Kooperationen und den stationären Verkauf.

Mit meinem Sohn wuchs auch mein Unternehmen“

Ende letzten Jahres hat sich dein „Nebenbeigeschäft“ zum Vollzeitberuf entwickelt. Wie ist es dazu gekommen? Hast du aktiv daran gearbeitet?

So geplant war es ursprünglich nicht. Während der Elternzeit stellte sich heraus, dass ich nicht mehr in meinen alten Job zurückkehren werde. Dies war mit kleinem Kind für uns als Familie einfach nicht machbar. Daher wollte ich eigentlich Teilzeit im Einzelhandel anfangen und die Produktion sowie den Verkauf meiner Produkte nebenher weiter verfolgen. Mir wurde aber schnell klar, dass ich dies zeitmäßig nicht schaffen würde. Ich steckte mitten im Vorweihnachtsgeschäft, es standen Kreativ- und Weihnachtsmärkte an, ich hatte Fächer in einem Regalbrettladen angemietet und mir die ersten treuen Stammkunden erarbeitet. Kurzum: Meine viele Arbeit der letzten Monate zahlte sich aus. Ich arbeitete weit über 60 Stunden die Woche, meist bis spät in die Nacht. Praktisch, wenn das Baby sowieso nachts ständig wach war. Mein Partner, Familie und Freunde unterstützen mich, wo sie konnten. Anders wäre das auch nicht möglich gewesen. Also musste ich eine Entscheidung treffen. Ich setzte alles auf eine Karte und machte mein Hobby zum Vollzeitberuf.

Susi Köhler vor ihrem Kreativ-Container

Du bist Mutter und Vollzeit-Händlerin. Wie schwierig ist es, beides unter einen Hut zu bekommen?

Ganz ehrlich: sehr schwierig! Mit meinem Sohn wuchs auch mein Unternehmen und dies brachte und bringt mich immer wieder an die Grenze der Belastbarkeit. Andererseits hat es auch viele Vorteile für meinen Sohn, wenn Mama ihr eigener Chef ist und so sicher auch mehr Freiheiten hat, als andere Mütter, die Angestellte sind. Anfangs arbeitete ich viel auf dem Pezzi-Ball sitzend, während das Baby in der Trage an mir schlief. Danach war er auch häufiger bei Geschäftsmeetings dabei und mittlerweile versucht er sogar schon mitzuhelfen. Aber richtig arbeiten tue ich, wenn er in der Kita ist oder schläft. Da hat es auch Vor- und Nachteile, dass ich viel von Zuhause aus arbeite. Zumindest muss ich nicht in Panik ausbrechen, wenn er krank ist oder mein Partner länger arbeiten muss.

In den letzten Jahren hat sich der Handel immer mehr ins Internet verschoben, stationäre Geschäfte können kaum mithalten. Du allerdings verkaufst auch stationär und baust diesen Geschäftszweig derzeit sogar aus. Wie erklärst du dir diesen Offline-Erfolg deiner Produkte?

Ich denke, dass dies Fluch und Segen der Pandemie sind. Einerseits wollen viele Leute alles in Windeseile nach Hause geschickt bekommen. Andererseits wollen die Kunden gerne wieder mehr regional kaufen und somit bewusst kleine Geschäfte unterstützen. Dies kommt mir natürlich zugute. Außerdem haben die Leute nach Corona und den Geschäftsschließungen auch wieder mehr Lust auf Stöbern, Dinge anschauen, fühlen, riechen. Das bleibt beim Online-Handel alles auf der Strecke.

Deshalb wollte ich diesen Geschäftszweig gerne weiter ausbauen. Da musste ich als junge Mutter kreativ werden. Durch eine Verkettung glücklicher Umstände konnte ich so im Februar auf dem Gelände der Eutritzsch Galerie in Leipzig „Schnaubinchens Kreativ-Container“ eröffnen. Ein Verkaufscontainer, wo die Leute selbstständig meine Produkte kaufen können. Ich selbst muss nicht die ganze Zeit vor Ort sein, sondern kann über die Kameras mit den Kunden sprechen. Es soll ein gemütlicher Ort in der Nachbarschaft werden, an dem die Leute mal ganz anders einkaufen können, als sie es gewohnt sind. Auch Hunde und Kinder sind gern gesehene Gäste und es wird immer mal verschiedene Aktionen geben. 

Allerdings arbeite ich auch daran, dass meine Kunden gerne bei mir einkaufen und auch wieder bei mir bestellen. Ich gebe mir große Mühe dabei, dass man merkt, dass ich es mit Liebe und Hingabe mache. So verpacke ich jede Bestellung als Geschenk und lege ein kleines „Danke-Päckchen“ mit hinzu. Wer freut sich nicht über eine kleine Aufmerksamkeit?

„Ich will doch nur Basteln“

Was waren die größten Herausforderungen für dich als Online-Händlerin? Und was waren deine größten Learnings?

Für mich waren die größten Herausforderungen definitiv die ganzen Recherchen im Hintergrund. Ich bin ein kreativer Kopf, der auch die meiste Zeit chaotisch ist. Ich bin kein Fan von Papierkram, dementsprechend fiel es mir anfangs schwer, strukturiert das Unternehmen aufzubauen. Da ich auch einige Semester Jura studiert habe, wusste ich, dass da kein Weg dran vorbei führte. Wenigstens fiel mir das Rechtliche nicht ganz so schwer. Steuerlich konnte ich mir viel Hilfe bei einer Freundin holen, die jahrelange Berufserfahrung hat. Ich glaube, die größte Herausforderung dabei war für mich, den inneren Schweinehund zu besiegen und es einfach zu machen.

Aktuell bist du Alleinkämpferin mit deinem Geschäft, du machst alles selber. Was an deiner Arbeit bereitet dir am meisten Freunde und was würdest du gerne „auslagern“?

Ein typischer Satz von mir ist „Ich will doch nur Basteln“. Ich denke, das trifft es am besten. Alles Kreative mache ich mit Liebe und Leidenschaft. Dafür brenne ich und da verliere ich mich auch gerne in Details. Selbst das liebevolle Verpacken mache ich gerne. Und dann gibt es für mich weniger schöne Aufgaben, wie die Online-Plattformen pflegen, Rechnungen schreiben, Versandetiketten drucken usw. Das würde ich gerne jemand anderem überlassen.

Hand aufs Herz: Gibt es etwas bei deiner Arbeit als Online-Händlerin, was dich richtig nervt?

Sicherlich ist es Meckern auf hohem Niveau, aber: unentschlossene Kunden. Gerade da ich auch individualisierte bzw. personalisierte Produkte anbiete, kommt es häufig vor, dass Kunden ganz schnell noch etwas für einen Geburtstag in drei Tagen brauchen. Sie wissen nicht was, aber es soll grandios und billig sein. Und muss natürlich morgen früh bereits mit der Post auf dem Weg sein, damit es rechtzeitig ankommt. Aber das ist zum Glück die Ausnahme.

Du verkaufst viele individualisierte Produkte. Wie gehst du mit Retouren um und gibt es viele davon?

Zum Glück gab es bisher sehr selten Retouren. Wenn, dann ist mal etwas Zerbrechliches beim Versand kaputtgegangen. Da verfolge ich eine sehr kundenfreundliche Geschäftspolitik. Ich biete an, dass die Kunden den Preis zurückerstattet bekommen oder ich schnellstmöglich ein neues Produkt versende. Die meisten Kunden möchten auch gerne das Produkt und haben Verständnis, dass auch ein sehr gut verpacktes Produkt mal kaputtgehen kann.

Was sind deine Ziele für die Zukunft?

Mein Ziel für die Zukunft ist es, meine persönliche Definition von Glück zu leben. Also mit meiner Leidenschaft so viel Geld zu verdienen, dass es für uns zum Leben reicht und ich so nur für mich und nicht für die Ziele eines Anderen arbeiten muss. Dadurch erhoffe ich mir für meine Familie die Freiheit, jederzeit für mein Kind da sein zu können und eine glückliche und ausgeglichene Mutter und Partnerin zu sein. Ich möchte mit meiner Arbeit den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern und so auch verantwortlich für den ein oder anderen Glücksmoment sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

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